• Mit fachkundiger Hilfe von Kurator Heinz Allemann (links), arbeitete Matthias Gabi mit dem Vierfarbendruck. · Bild: Marion Heiniger

  • Die Künstlerkolleginnen Cora Maurer (links) und Marcelle Ernst (Mitte) erklären den Ausstellungsbesuchenden ihr experimentelles Arbeiten mit der Cyanotypie. · Bild: Marion Heiniger

  • In ein Gespräch mit einer kunstinteressierten Dame vertieft, ist der Künstler Jonas Etter, der während der Ausstellungstage Holzdrucke mit Spanplatten herstellt. · Bild: Marion Heiniger

  • Der Künstler Christoph Hauri lässt an der Ausstellung seine Kunstwerke mithilfe der Hochdruckpresse entstehen. · Bild: Marion Heiniger

12.02.2024
Oberaargau

Die wachsende Kunstausstellung

Eine Ausstellung, an der man den Kunstschaffenden beim Entstehen ihrer Werke über die Schulter schauen kann und bei der die ausgestellten Kunstwerke stetig ändern oder sich vermehren. Dieses Erlebnis bietet die Galerie der Franz und Rosemarie Eggenschwiler-Wiggli Stiftung in Eriswil während des Oberaargauer Kunstmonats. Fünf Künstlerinnen und Künstler greifen dabei auf teilweise sehr alte Drucktechniken zurück.

Eriswil  · Eigens für den Oberaargauer Kunstmonat wurde in der Galerie der Franz und Rosemarie Eggenschwiler-Wiggli Stiftung eine experimentelle Druckerei eingerichtet. Während der Ausstellungstage entstehen so neue Werke in lockerer Atmosphäre, in der die Künstler und Künstlerinnen sich Zeit für die Besuchenden nehmen, Gespräche führen und Fragen beant­worten können. Sie gewähren dabei einmalige Einblicke in ihre Arbeits­weisen, die grösstenteils sehr experimentell sind. Der Kurator, Stiftungsratspräsident und Künstler Heinz ­Allemann hilft dabei den Kunstschaf­fenden als eidgenössisch diplomierter Buchdrucker mit Weiterbildungen im Offset-, Endlos- und Digitaldruck und ehemaliger Meisterschüler von Franz Eggenschwiler, ihre Ideen umzusetzen. Unterstützt wird er dabei von seiner Frau Rita. Selbst stellt Heinz Allemann ebenfalls während des Kunstmonats im Kunsthaus Langenthal aus. Zu sehen ist eine Eulenserie im Linoldruck und ein Landschaftsbild aus Italien im Inkjetdruck.

Experimente mit der Sonne
Die Künstlerin Marcelle Ernst aus Lan­genthal greift in ihren Arbeiten freundliche Erinnerungen auf und überführt sie sacht ins Phantastische. Man erkennt Strandszenen, üppig grünende Gärten, Cafétische, Schiffe: Oft sind es Urlaubsfotos, die am ­Anfang des künstlerischen Prozes­ses ste­hen. Die junge Langenthaler Künst­lerin druckt ihre Reisefotos digital auf Büttenpapier und bearbeitet die Rückseite mit Wachs. Mit Fotos arbeitet Marcelle Ernst auch während des Oberaargauer Kunstmonats in der Galerie in Eriswil. Sie hat sich dabei mit ihrer Künstlerkollegin Cora Maurer, ebenfalls aus Langenthal, zusammengetan. 
Die beiden Frauen experimentieren mit einem rund 200 Jahre alten fotografischen Edeldruckverfahren, der Cyanotypie. Dabei wird Papier fotosensibilisiert und getrocknet. Anschliessend werden sie mit Negativbildern bespielt. Verschiedene Bilder werden übereinander gelegt und in verschiedenen Drucktechniken wie Laserdruck oder Tiefdruckverfahren zusammengebracht. Die Fotos oder Fotoausschnitte sind selbst fotografiert und beinhalten das Thema Wasser, insbesondere Langete und Wässermatte.
Die in Arnhem (NL) aufgewachsene Cora Maurer arbeitet in ihrem Künstler-Alltag ebenfalls mit verschiedenen Drucktechniken im Spannungsfeld zwischen Dichte und Transparenz. Feine Schichtungen von Farb- und Strukturfeldern vermitteln Eindrücke als Ganzes und in Sequenzen. Unterschiedliche Flächen liegen nicht nur nebeneinander, sondern auch über- und untereinander und sind räumlich verwoben. 

Werbefotos im Vierfarbendruck
Matthias Gabi versucht sich im Vierfarben-Offsetdruck, eine Methode, die dem Flachdruckverfahren zugeordnet wird. Sein Interesse gilt den Zeitungsbildern, Werbung, Flyer und Prospekte. Während des Kunstmonats arbeitet er mit der Fotografie einer Playmobil-Schachtel, welche er in Handarbeit im Vierfarben-Offsetdruck, dessen Druck­platten in der Druckerei Schürch in Huttwil hergestellt wurden, reproduziert und in einem analogen Verfahren gedruckt werden. Matthias Gabi ist in Bern geboren, Bürger von Niederbipp und lebt heute in Zürich. Seine Arbeiten zeichnen sich durch eine präzise Reflexion über das fotografische Bild aus: über die Bedingungen der Bildproduktion, Bildzirkulation und Wissensvermittlung. Dies geht von den Anfängen der fotografischen Reproduktion über die grosse Zeit der Bildbände und Illustrierten bis heute, wo sich ein Printerzeugnis gewollt oder ungewollt immer als Gegensatz zum Digitalen, online Verfügbaren definiert. Aus bewegten Bildern (Filme) filtert er dasjenige heraus, was man nicht sieht. Sein Verfahren kann als Rückwärtsbewegung des Filmemachens gesehen werden. Der Künstler schneidet einzelne und unabhängige Teile, welche vor oder nach oder direkt neben dem eigentlichen Moment der Betrachtung liegen.

Aus altem wird neues
Christoph Hauri ist verbandelt mit Farben und Formen. Er ist ein wacher Geist mit flinkem Auge und ausgeprägtem Feingefühl für Verborgenes, für Kraftfarben und fein Schattiertes. Hauri ist ein findiger Ausdrucksarchäologe, ein unermüdlicher Farbforscher und ein gewitzter Kunstsammler, der seit Jahrzehnten dort sucht, wo er auch künftig am meisten zu finden erwarten darf: Im Innern seiner selbst. Ihn interessieren die Präzision und die Wiederholbarkeit. Und das Unikat, bei welchem mit kleinen Unterschieden verschiedene Resultate erzielt werden können. Dabei geht er immer nach Intuition vor. In der Galerie in Eriswil experimentiert er mit bestehenden Druckstöcken aus Holz, die er abändert und daraus etwas Neues entstehen lässt.

Holzdrucke mit Spanplatten
Das Suchen nach einem Sinn, nach Formen, nach Inhalten, spielt bei den Arbeiten von Jonas Etter eine zentrale Rolle. Er verwendet besondere Materialien und bringt sie in Form, die ästhetische Erlebnisse schaffen. Unter seinen vielen Ideen sind unter anderem Skulpturen aus Zucker, die mit der Zeit schmelzen oder filigrane Gipsgüsse auf Aluminiumpapier zu finden. Er experimentierte mit Tusche und Brennsprit und setzte sie in Brand oder legte einen Tonklumpen auf ein Blatt Papier, liess es trocknen und schaute, was passiert. Während des Kunstmonats widmet er sich dem Holzdruck und verwendet dabei Spanplatten.

Gut zu wissen
Kunstausstellung Eriswil während des Oberaargauer Kunstmonats: Vom 11. Februar (Vernissage) bis 17. März. Immer sonntags von 11 bis 17 Uhr.

Von Marion Heiniger