• Getrübte Aussichten: Das hohe Eigenkapital lässt Langenthal zwar strahlend dastehen, doch die Zahlen der Jahresrechnung 2021 sorgen für dunkle Wolken am städtischen Finanzhimmel. · Bild: Walter Ryser

29.04.2022
Langenthal

Die Zahlen sagen nicht die ganze Wahrheit

Auch im Jahr 2021 verzeichnete die Stadt Langenthal in der Jahresrechnung ein Defizit. Das Minus im Gesamthaushalt fällt mit 2,4 Millionen Franken leicht höher aus (0,4 Millionen Franken) als budgetiert. Doch das ist leider nicht die ganze Wahrheit, denn verschiedene Sonderfaktoren lassen das finanzielle Ergebnis 2021 besser erscheinen, als es tatsächlich ist. Denn ohne diese Sonderfaktoren würde das Defizit der Stadt satte 7,064 Millionen Franken betragen.

Langenthal · Vielleicht ist es Jammern auf hohem Niveau, angesichts des nach wie vor stattlichen Eigenkapitals von 76,373 Millionen Franken, aber die aktuellen Finanzzahlen der Stadt Langenthal stimmen den Gemeinderat nachdenklich. Zwar fiel das Defizit der Jahresrechnung 2021 nur leicht höher aus als budgetiert (0,4 Millionen Franken), was im zweiten Corona-Jahr nicht unbedingt zu erwarten war, doch das Defizit im Gesamthaushalt von 2,453 Millionen Franken ist eine «Mogelpackung». Denn nur aufgrund verschiedener Sonderfaktoren fiel das Defizit nicht höher aus. Ohne diese würde das Minus in der Jahresrechnung 7,064 Millionen Franken betragen.
Hauptverantwortlich für das bessere Ergebnis ist der Buchgewinn von 3,12 Millionen Franken durch die Überführung der Alten Mühle in das Verwaltungsvermögen der Stadt. Aber auch das gute Börsenjahr macht sich deutlich bemerkbar, mit einem Wertschriftenerfolg von 1,332 Millionen Franken. Ein Gewinn, der allerdings in den ersten drei Monaten des neuen Jahres durch den Absturz der Aktien an den Börsen bereits wieder eingebüsst worden ist. Auf der anderen Seite drückte aber auch die Einlage von 1,7 Millionen Franken der Stadt Langenthal in die Pensionskasse der städtischen Mitarbeitenden (zur Abfederung der Senkung des Umwandlungssatzes) auf das Ergebnis.

Enttäuscht von Steuereinnahmen
Es gibt aber auch «erfreuliche» Meldungen aus dem Verwaltungsbereich: So fielen die Lohnkosten im vergangenen Jahr rund eine Million Franken tiefer aus als budgetiert. Dies hängt in erster Linie damit zusammen, dass diverse Stellen, vorwiegend im Stadtbauamt, nicht besetzt werden konnten. Sorgen bereitet dagegen Gemeinderat Roberto Di Nino (Ressort Finanzen) die Entwicklung bei den Steuereinnahmen. Diese fielen bei den natürlichen Personen mit 22,771 Millionen Franken 2,5 Millionen Franken tiefer aus als budgetiert. Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet die Stadt ein Minus von 1,6 Millionen Franken an Steuereinnahmen natürlicher Personen. «Von diesem Ergebnis sind wir enttäuscht», kommentierte denn auch Di Nino das Ergebnis.
Auch bei den Steuererträgen der juristischen Personen fällt der Rückgang mit 0,7 Millionen Franken im Vergleich zum Vorjahr relativ stark aus. Allerdings liegt hier der Betrag mit 4,3 Millionen Franken rund 1,25 Millionen Franken höher als budgetiert. «Dies legt den Schluss nahe, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie nachlassen. Zudem können wir beruhigt zur Kenntnis nehmen, dass die Langenthaler Wirtschaft diese Krise erstaunlich gut gemeistert hat», bemerkte Roberto Di Nino dazu.

Weitere Entwicklung ungewiss
Im letzten Jahr hat die Stadt aber auch weniger investiert als geplant. Mit 11,5 Millionen Franken lagen die Investitionen 3,8 Millionen Franken unter dem Investitionsplan. Geld ausgegeben hat die Stadt beispielsweise für die Sanierung der Schiessanlage Weiher (1,4 Millionen Franken), für die Zwischensanierung des Schulhauses K3 Kreuzfeld (1,3 Millionen Franken) oder für das Grossprojekt ESP Bahnhof (Projektierung Startphase, 1,1 Millionen Franken). Dies führt letztlich zu einem durchzogenen Fazit. «Im Vergleich mit anderen bernischen Gemeinden sind wir weiterhin sehr solid unterwegs», versuchte Gemeinderat Roberto Di Nino keine Panikstimmung aufkommen zu lassen. Das hohe Eigenkapital sorge für genügend Handlungsspielraum, weshalb im finanziellen Bereich keine «Hauruck-Übungen» erforderlich seien. Gleichzeitig gestand er aber auch, dass die finanzielle Lage der Stadt angespannt sei, «denn der Ukraine-Krieg wird zweifellos Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land und damit auch auf unseren Finanzhaushalt haben. Eine verlässliche Schätzung der finanziellen Auswirkungen im Jahr 2022 und in den Folgejahren ist zum heutigen Zeitpunkt aber nicht möglich.»

Von Walter Ryser