• Ein Karriere-Meilenstein: Der 56-jährige Peter Wüthrich von den Schützen Rüegsau gewinnt das Eröffnungsschiessen des Eidgenössischen Schützenfests in Luzern. · Bilder: Peter Dubach

  • Peter Wüthrich zielt genau. In seinem 30-Schuss-Programm schaffte er 19 Mal die 10.

10.06.2021
Sport

«Dieser Erfolg steht über allem anderen»

Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Peter Wüthrich, Mitglied der Schützen Rüegsau – Das Eidgenössische Schützenfest in Luzern wurde mit dem prestigeträchtigen Eröffnungsschiessen lanciert. 1448 Gewehrschützinnen und -schützen traten in Emmen an. Der 56-jährige Peter Wüthrich von den Schützen Rüegsau feierte den Sieg und damit seinen grössten Karriereerfolg.

Schiessen · Sieg am Eröffnungsschiessen des Eidgenössischen Schützenfests in Luzern – haben Sie im Vorfeld damit geliebäugelt, gewinnen zu können?
Gar nicht, nein. Ich habe mir ein Ziel gesetzt, bevor ich nach Luzern gereist bin. Und zwar wollte ich den Wettkampf mit einem 9er-Schnitt absolvieren, was 270 Punkte ergeben hätte. Nun wurden es mit 286 Punkten bedeutend mehr.

Dieser Sieg am wichtigsten Schiessanlass für Breitensportler dürfte Ihr Palmarès anführen?
Ganz klar. Dieser Erfolg steht über allem anderen in meiner langen Schiesskarriere. Schöne Erfolge waren mit Sicherheit auch meine vier Siege am Feldschiessen im eigenen Verein. Und natürlich mein Maximumresultat am Feldschiessen vor ungefähr 25 Jahren. An Schützenfesten konnte ich noch nie absolute Spitzenresultate erzielen. Ich bezeichne mich selber als durchschnittlichen Schützen mit den normalen Hochs und Tiefs.

Wegen der Pandemie werden fast alle Wettkämpfe des «Eidgenössischen» dezentral, das heisst in den vereinseigenen Schiessständen, absolviert. Nicht so das Eröffnungsschiessen. Wie war das Erlebnis im Schiessstand Emmen?
Es war natürlich schon schön, ein kleines bisschen Luft dieses Grossanlasses zu schnuppern. Etwas, was im heimischen Stand nicht möglich ist. Wegen den Covid-19-Auflagen war der Schiessstand in Emmen trotz den 50 Scheiben ziemlich leer. Neben den Schiessenden befanden sich nur wenig Funktionäre im Stand. Gekreuzt habe ich nur die Schützen der nächsten Ablösung. Dass es keine Zuschauer hatte, war mir egal. Ob ich meinen Wettkampf mit oder ohne Publikum absolviere, spielt überhaupt keine Rolle. Wenn ich schiesse, schalte ich ab, befinde mich im Tunnel und nehme das Umfeld nicht wahr – und werde dementsprechend auch nicht nervös. Nach dem Wettkampf habe ich auf dem Wettkampfgelände einige mir bekannte Schützen gesehen und einige Worte gewechselt. Das war schön.

Sie haben Ihr Spitzenresultat am Samstag ab 14.15 Uhr auf der Scheibe 19 geschafft. 30 Schuss mussten innerhalb von vier Minuten auf die Scheibe A-10 abgefeuert werden. Die Schüsse wurden erst am Ende auf dem Monitor gezeigt. Haben Sie trotzdem bemerkt, dass es bei Ihnen passt?
Nach den beiden Probeschüssen hatte ich zwei Rasten nach unten geschraubt, da es während den 30 Schuss keine Möglichkeit mehr gab, etwas zu ändern. Ich hatte die gesamte Schiesszeit über kein gutes Gefühl. Es geht allerdings so schnell, dass das Herumstudieren an einzelnen Schüssen gar nicht möglich ist. Ich habe mir meine 30 Schüsse nach Programmende am Monitor nicht angeschaut. Mein Resultat sah ich erst auf meinem Standblatt. Und ich traute meinen Augen nicht, da ich überhaupt nicht damit gerechnet hatte, so gut getroffen zu haben. Ich bin froh, dass die Schüsse nicht gezeigt wurden. Ich habe keine Ahnung, wie ich beispielsweise auf meine Serie mit elf aufeinanderfolgenden Zehnern reagiert hätte. Oder wie der letzte Schuss – es war eine Zehn – ausgefallen wäre, wenn ich gewusst hätte, dass die beiden vorangegangenen Schüsse nur je eine Acht waren.
 
Ihr Standblatt wies am Ende 19 Mal die 10 auf. Und damit hatten Sie zwei Zehner mehr auf dem Konto als Ihr punktgleicher Hauptkonkurrent Ivo Büsser aus Weesen, der dadurch den 2. Rang belegte.
Das Glück gehört bei solch knappen Entscheidungen immer dazu. Diesmal lachte es mir. Dies war auch schon anders. Ich mag mich an den Feldstich-Final in Basel 2015 erinnern. Ich verpasste den Sieg nur hauchdünn.

Sie siegten am Eröffnungsschiessen des «Eidgenössischen» mit 286 Punkten, liessen 1447 Konkurrenten hinter sich, darunter auch viele bekannte regionale Schützengesichter. So etwa auch Marcel Sommer von den Feldschützen Häbernbad (242 Punkte), der im Jahr 2010 das Eröffnungsschiessen des Eidgenössischen Schützenfests in Aarau mit 288 Punkten gewann. Kennen Sie ihn?
Wegen ihren dauerhaften Spitzenresultaten sind die «Häbernbedler» überall ein Begriff. Die Feldschützen Häbernbad sind auf Papier ganz klar stärker als die Schützen Rüegsau. Den Schützen Sommer kenne ich aber nicht persönlich.

Eine Siegerehrung konnte wegen Covid-19 nicht stattfinden? Wie haben Sie Ihren Triumph gefeiert?    
Ich habe die Rangliste erst am Sonntag gesehen. Eine Feier gab es nicht. Einfach ein Beisammensein mit der Familie.

Erhalten die Gaben, die Sie für diesen Grosserfolg erhalten haben, einen Ehrenplatz?
Bis jetzt habe ich für den Sieg einen Reisetrolley, eine Weinkaraffe und den begehrten Kranz erhalten. Dieser erhält in meinem Kranzkasten selbstverständlich einen speziellen Platz. Beim Absenden im Herbst werde ich dann noch eine mir noch nicht bekannte Ehrengabe erhalten. Darauf freue ich mich sehr.

Haben Sie in den letzten Tagen viele Gratulationen erhalten?
Nachdem die Rangliste veröffentlicht wurde, lief der Draht heiss. Ich habe viele Anrufe und Nachrichten erhalten.

Welche freute Sie am meisten?
Jede hat mich gefreut. Ich mag es wirklich jedem Schützen gönnen, wenn er etwas gewinnt. Natürlich freue ich mich, wenn es andersrum auch so ist.

Das «Eidgenössische» umfasst viele Stiche. Liebäugeln Sie mit der Teilnahme an der Schützenkönigskonkurrenz?    
Damit man diese Ausmarchung bestreiten kann, muss die zweistellige Meisterschaft geschossen werden. Seit meiner Schulteroperation ist dies für mich nicht mehr möglich. Abgesehen davon bestreite ich das «Eidgenössische» nach dem Motto «Mitmachen kommt vor dem Rang». Dieses Motto wende ich seit Jahren auch bei der Arbeit mit den Jungschützen an. Ich werde am «Eidgenössischen» ungefähr vier Stiche so gut wie möglich schiessen.

Wann werden Sie Ihre Programme im heimischen Schiessstand in Rüegsauschachen absolvieren?
Am Samstag, 26. Juni.

Sie schiessen mit dem alten Sturmgewehr. Weshalb?
Erst vor fünf Jahren habe ich vom Sturmgewehr 90 gewechselt. Grund dafür war meine Sehfähigkeit. Ich hätte beim 90er-Sturmgewehr eine neue Brille fertigen lassen müssen, um weiterhin optimal zu sehen. Dies wollte ich nicht, weil ich beim Schiessen mit dem Sturmgewehr 57-03 mit dem Ringkorn keine Probleme bekundete. Mit der langen Visierlinie sehe ich die Scheiben sehr gut.

Wie sind Sie zum Schiessen gekommen?
Durch meinen Vater, der mich in den Schiessstand mitgenommen hat. Das Schiessen hat mich schon als kleiner Bursche fasziniert. Ich habe den Jungschützenkurs besucht und anschliessend alle Stufen im Schiessen absolviert.

Sie sind Mitglied der Schützen Rüegsau, bereits seit 2003 sogar Ehrenmitglied. Was zeichnet diesen Verein aus?
Ich bin in Rüegsauschachen aufgewachsen. Seit jeher gehöre ich den Schützen Rüegsau, vormals Schützengesellschaft Rüegsauschachen, an. Es gefällt mir dort sehr gut. Die Kameradschaft ist wundervoll. Ich hatte noch nie einen Grund, die Gesellschaft zu wechseln. Auch nicht, als ich meinen Wohnsitz nach Oberburg verlegt habe.

Sie amten als Vizepräsident. Werden Sie bald das Präsidenten-Amt übernehmen?
Vor der Ausübung dieses Amtes habe ich dem Vorstand klargemacht, dass ich nie als Präsident zur Verfügung stehen werde. Dies, weil ich bereits genügend Ämter ausgeübt habe. Ich war Jungschützenleiter, Fähnrich, erster Schützenmeister und Beisitzer.

Was fasziniert Sie am Schiessen?
Es ist eine Sportart, welche die sportliche Leistung und die Kameradschaft wunderbar verbindet.

Üben Sie auch gerne andere Sportarten aus?
Früher ja. Ich war begeisterter Eishockeyspieler beim SC Hasle-Rüegsau. Unfallbedingt musste ich die Aktivkarriere im Jahr 1985 beenden. Dann war ich noch zehn Jahre beim Nachwuchs des EHC Brandis sowie den SCL Young Tigers als Trainer im Einsatz. Nach einem Knieunfall und notwendigen sechs Operationen musste ich meine Tätigkeit im Eishockey komplett niederlegen. Heute verfolge ich das Eishockey mit grossem Interesse am Fernsehen. Gleichzeitig bin ich glücklich, dass ich wenigstens den Schiessport noch ausüben kann.

Schiessen wird oft mit Gewalt und Töten gleichgesetzt. Verstehen Sie dies?
Diese Verallgemeinerung finde ich nicht fair. Ich beispielsweise sehe das Schiessen ausschliesslich als sportliche Tätigkeit an, die ich mit grosser Freude ausübe.
 

Kurz gefragt

Bester Schütze ever: Ich mag es jedem Schützen gönnen, wenn er gut schiesst, egal, wie er heisst.

Gerade so gut wie Schiessen: Zeit mit den Schützenkollegen verbringen.

Schönster Schiessstand: Jener in Rüegsauschachen, natürlich.

Jagd: Das ist nicht mein Ding. Ich will mit dem Schiessen nicht töten, sondern einfach Sport betreiben und möglichst gute Resultate erzielen.

Paintball: Kenne ich. Gehört aber auch nicht zu der Art von Schiessen, wie ich sie schätze und gerne ausübe.

Familie: Die ist mir sehr wichtig. Ich bin da für sie.

Laster: Ganz klar mein Tabakkonsum.

Kreuzworträtsel: Während der Mittagspause auf der Baustelle, wenn Langeweile herrscht.

Süssigkeiten: Nur selten, mag ich nicht so.

Jahreszeit: Ich mag alle vier Jahreszeiten.

Feriendestination: Ich bin ein Italien-Fan.

Gartenarbeit: Neben meinem Job als Maurer bin ich seit 25 Jahren als Hauswart tätig. Da fallen auch Gartenarbeiten an, die ich sehr gerne erledige.

Covid-19: In meiner Familie hat es zum Glück niemanden erwischt. Ich selber bin bereits geimpft.