• Seit gut einem Dutzend Jahren bewohnen Regula Farner Rachdi und Menel Rachdi mit ihrer Familie das Luftschloss auf dem Rohrbachberg in Auswil. · Bilder: zvg

  • Die Fernsehcrew genoss die gemütliche Runde vor dem «Luftschloss».

  • Nach dem gemeinsamen Essen kam Bewegung in die Fernseh-Crew. Die Kameras mussten nochmals ausgepackt werden, um ein musikalische Spontankonzert einzufangen.

  • Während Moderatorin Viola Tami telefoniert, sind Regisseur Jan Fitze (links) und Menel Rachdi ins Gespräch vertieft.

11.03.2021
Oberaargau

«Ding Dong» – SRF klingelt beim Luftschloss

Spezielle Wohnformen sind das Thema der Sendung «Ding Dong – Zeig mir dein Zuhause!» im Schweizer Fernsehen SRF 1 jeweils am Freitagabend. Im letzten Herbst hat das Team von Viola Tami und Jan Fitze den Weg nach Auswil auf den Rohrbachberg ins Luftschloss von Regula Farner Rachdi und Menel Rachdi gefunden. Der Beitrag wird am kommenden Freitag, 19. März, ab 21 Uhr ausgestrahlt.

Auswil · «Wir haben uns auf den Besuch des Fernseh-Teams insofern vorbereitet, als wir der Crew einfach einen gemütlichen, inspirierenden Tag bereiten wollten», sagt Regula Farner Rachdi im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler». Immerhin – unvorbereitet und dadurch unvoreingenommen trifft jeweils auch die Moderatorin Viola Tami auf die ungewöhnlichen Wohnformen und Lebensentwürfe. Im Vorfeld eines Besuches wissen jeweils nur Violas Begleiter, der Regisseur Jan Fitze, sowie das Dreh-Team, wohin die Reise geht.

Ohne «Ding Dong», aber mit Bimbim
Es war der 9. November 2020 um 11 Uhr, als zwei Busse vom Schweizer Fernsehen mit der ganzen Kamera- und Ton-Ausrüstung, angeführt vom «Ding Dong»-Mobil, beim Luftschloss Auswil vorfuhren. Weil für ein gewohntes «Ding Dong» am Haus eine ordentliche Klingel fehlt, hängt dafür eine kleine Kuhglocke neben der Tür: Aus dem Ding Dong wurde ein Bimbim.
Doch zuerst kam die angerückte Crew in den Genuss eines kleinen, spontanen Konzerts: Der Kunstmaler Menel Rachdi und seine Frau, die Auswiler Gemeindepräsidentin Regula Farner Rachdi, überbrückten die Wartezeit mit Musizieren an ihrem «Aussenpiano», das sie einst aus dem Schlamm der Jahrhundertflut von 2007 gerettet hatten.

Wolldecken für ein luftiges Schloss
Viola Tami betrat mit ihren Begleitern das Luftschloss. Dazu musste sie sich durch die Schleuse aus Wolldecken schlängeln, welche bereits für den Winter vor den Haustüren aufgehängt waren. Denn das Luftschloss ist ein luftiges Schloss, und die Decken vor den Türen halten den Durchzug auf. Und nebenbei sind sie ganz «gäbig», wenn man mit einer Kiste voll Holz durch die Türe kommt – die Wolldecken fallen von selber wieder in ihre Position. Eigentlich war auf dem Rohrbachberg gerade ein «Nuss-Tag» angesagt: Baumnüsse auflesen, von der Aussenhaut befreien und nach alter Tradition im hauseigenen Betonmischer waschen. Dadurch werden die Baumnüsse gleichzeitig sortiert, denn die Undichten sinken auf den Grund und mit dem Sieb werden die intakten Nüsse herausgefischt. In flachen Kistchen trocknen die Baumnüsse danach sorgfältig im Luftschloss – luftgetrocknet natürlich. Moderatorin Viola Tami und Regisseur Jan Fitze durften gleich mit anpacken. Die beiden hatten offensichtlich den Plausch daran, spontan etwas mitzuhelfen.

Bilder voller Energie
Bei der anschliessenden Hausbesichtigung entdeckte die Crew Menels energiegeladene Bilder inmitten von vielen stummen Zeugen alten Handwerks und früherer Landwirtschaft; denn im Luftschloss haben schon etliche Generationen gelebt, die stets viele Dinge «dänne toh» haben. Und es erstaunt wohl kaum, dass die Künstlerfamilie aus Faszination und Respekt viele der geheimnisvollen Geräte und rätselhaften Werkzeuge nicht wegwerfen konnte. Überall stecken ja Geschichte und Geschichten drin, die den guten Geist des Hauses lebendig erhalten.

Kreativität und Gastfreundschaft
Während des Rundganges und bis hinauf ins grosse Atelier im Dachstock herrschten dieselben Temperaturen wie draussen; es war die Kühle des Novembers. So genoss es Viola Tami, als sie sich auf dem Sandsteinofen aufwärmen konnte. Bald einmal blieb der Blick von Jan Fitze an den vielen Instrumenten hängen. «Darf ich Viola eine Gitarre in die Hände drücken?», fragte er. Selbstverständlich, denn im Luftschloss gehen Singen, Musizieren, Malen, Spielen und jeder Ausdruck der Kreativität einher mit herzlicher Gastfreundschaft. Inzwischen hatte die Herbstsonne die Wolken durchbrochen. Die Crew zog ins Freie. Hernach gab es am Gartentisch an der Sonne eine verdiente Mahlzeit: Kürbis- und Pastinakensuppe mit Regulas selber gebackenem Brot wurden aufgetragen.

Kameras nochmals ausgepackt
Nach dem Essen erwies sich Viola Tami einmal mehr als musikalisches Talent. Spontan wurde gesungen und zusammen improvisiert: Die Musikerin Regula Farner spielte Querflöte und Gitarre, Menel die Melodica und sogar Regisseur Jan Fitze half mit, seine Crew nochmals aus dem Busch zu trommeln. Die Drehleute wollten sich dies nicht entgehen lassen und holten ihre bereits verstaute Ausrüstung wieder hervor. Die Kameras wurden neu positioniert, das lange Mikrofon wippte im Takt und in der frühen Abendsonne entstanden letzte Aufnahmen dank dem Technikerduo «Silvan» – Silvio (Ton) und Ivan (Kamera) – sowie Lukas (Kamera und Drohne).

Lebensmut trotz Fluten und Feuer
Regula und Menel sind vor rund einem Dutzend Jahren in ihrem Luftschloss gelandet, als die älteren ihrer vier Töchter bereits eigene Wege gingen. Zuvor hatte die Familie 15 Jahre lang in der Lochmühle in Huttwil gelebt. Als die Mühle 2007 mit Menels Atelier voller Bilder im Hochwasser versank, war dies eine existentielle Prüfung für die ganze Familie. Doch Fantasie und Optimismus kehrten zurück.
Eine Menge Bilder wurden gemeinsam mit viel Fleiss gereinigt und getrocknet. Aus einigen Werken entstand – wie es Menels Kreativität so ganz eigen ist – anno 2008 der fantasievolle, umfangreiche und farbige Beitrag für das 51. Jahrbuch Oberaargau mit den flut-veränderten Bildern unter dem Titel «Metamorphose im Schlamm».
Im uralten, verlassenen Luftschloss auf dem Rohrbachberg konnte die Familie ihr Leben neu erfinden. Noch einmal aber schlug das Schicksal zu, als Anfang 2010 mit dem Bächlerhaus in Huttwil auch Menels rund 2000 flut-gerettete Bilder verbrannten – die zweite Hälfte seines «gemalten Tagebuches» aus über 30 Jahren war dahin.
Die lebensfrohe, bejahende Art der Familie Rachdi-Farner hielt auch diesem Verlust stand. Regula musizierte wieder und Menel griff erneut zum Pinsel, malte und malte … Kopf, Herz und Hand füllten sich wieder mit Ideen, Träumen und Farben.
Dankbar blicken Regula und Menel auf die gedeihenden Familien ihrer Töchter. Grosses Glück bedeutet es für sie, wenn Kinderstimmen das Luftschloss erfüllen, und die Grosseltern den Kleinen die schöne Natur auf dem Rohrbachberg zeigen können. Und wenn Gross und Klein im Wald am Feuer «bräteln» und nachts gemeinsam das Sternenzelt bewundern, kann so manche Geschichte aufleuchten.

Gut zu wissen
Die Sendung «Ding Dong – Zeig mir dein Zuhause!» mit dem Beitrag über das Luftschloss wird am Freitag, 19. März, um 21 Uhr im Fernsehen SRF 1 gezeigt. www.menel.ch

Von Liselotte Jost-Zürcher