• Von links: David McVeigh, Christian Staub, Kevin Kläntschi, Roman Heiniger. · Bild: Silvia Staub

09.10.2019
Oberaargau

Ein abtretender Präsident, ein Debüt und orange leuchtende Wolken

Das oberaargauische Blasmusik- und Jugendmusikcamp konzertierte am vergangenen Wochenende in Madiswil. Die vorangegangene Lagerwoche brachte einige Veränderungen mit sich.

Madiswil · Wenn Sie die Wahl hätten, wie Sie Ihre wertvollen Ferientage verbringen möchten – eine Woche in den Bergen oder eine Woche in der Linksmähderhalle Madiswil – wofür würden Sie sich entscheiden? Für knapp 80 Erwachsene und 50 Jugendliche war die Antwort auf diese Frage glasklar.
Die erste Oktoberwoche ist in ihren Kalendern schon seit Monaten reserviert für das Oberaargauische Blasmusikcamp (OBC) oder das Oberaargauische Jugendmusikcamp (OJC). Schon zum 29. Mal fand vergangene Woche in Madiswil die Camp-Woche statt, in der begeisterte Blasmusikantinnen und -Musikanten in zwei Orchestern ein anspruchsvolles Programm erarbeiteten. Höhepunkt der gemeinsamen Lagerwoche: die Abschlusskonzerte am Freitag und Samstag. «Dieses Jahr hat unser Konzert kein Motto», räumte der Moderator Martin Sägesser am Samstag in der Linksmähderhalle zu Beginn des Abends ein. Doch das sei umso besser, so müsse er keine abstrusen Überleitungen erfinden, für Musikstücke, die so gar nichts mit dem Motto zu tun hätten – und die gebe es an jedem Konzert. Sägesser, der als Konzertmoderator zum Huttwiler «Exportschlager» wurde und dieses Jahr zum sechsten Mal durch die Konzerte des Blasmusikcamps führte, folgerte: «Das Motto lautet: Camp 2019.»

Zuhörer in den Bann gezogen
Mit selbstbewussten Schritten stiegen die jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des OJC auf die Bühne. Sie hatten ihr Publikum vom ersten Ton an im Sack. Insbesondere das anspruchsvolle Hauptwerk «Fate of the Gods» begeisterte. Es zog die Zuhörerinnen und Zuhörer in den Bann der nordischen Mythologie.
Als neuer Dirigent des motivierten Orchesters feierte der aus Huttwil stammende Roman Heiniger sein Debüt. Mit dem Hauptwerk zeigte der Dirigent der Kadettenmusik Langenthal, dass er die Jugendlichen nicht nur für Unterhaltungsmusik, sondern auch für konzertante Werke begeistern kann. Doch Heiniger, der als Musiklehrer in Kleindietwil auch Schülerbands leitet, ist in allen Genres zu Hause. Mit dem Stück «Gagasiaminaj» – der Name ist eine Kombination aus den Namen dreier Popsängerinnen – brachte das OJC Partystimmung in die Linksmähderhalle. Geneigte Rüebechilbibesucherinnen und -Besucher im Publikum wähnten sich wohl schon drei Wochen in der Zukunft, wenn sich in derselben Halle, die jetzt vollbesetzt mit Stühlen ist, Chilbigänger zu dröhnender Musik tummeln.

Riesiges Orchester
Nach einer kurzen Pause wurde es eng auf der Bühne. Die rekordverdächtig hohe Teilnehmerzahl von fast 80 Musikantinnen und Musikanten liess das «grosse Camp» mächtig erklingen. Nach dem Eröffnungsstück «Symphonic Ouverture» von James Barnes setzte das OBC-Orchester zu seinem Hauptwerk an: «Of Sailors and Whales» von W. Francis McBeth. Zwischen den fünf Sätzen des 20-minütigen Werks erzählte der Sprecher Emanuel Gfeller die Geschichte des Walfängers Kapitän Ahab auf der Jagd nach Moby Dick. Die Klänge des Orchesters untermalten die Bilder von verkommenen Seeleuten, die gegen den weissen Wal kämpfen, perfekt. Der dritte Satz des Werks zeigte ein ungewohntes Bild. So gut wie alle Musikantinnen und Musikanten legten ihre Instrumente nieder und sangen das Kirchenlied des Priesters Mapple. Als hätte das Blasorchester das Singen für sich entdeckt, folgte als Zugabe auf das Hauptwerk noch das Seemanslied «Barrett’s Privateers» mit Emanuel Gfeller, der auch als Sänger der Bühne Burgäschi aktiv ist, in der Solostimme.

Kevin Kläntschi folgt auf Christian Staub
Vor dem letzten Stück ergriff der OK-Präsident Christian Staub das Wort, um zu danken. Doch es blieb nicht bei den üblichen Dankesworten: «Ich danke meinem OK für ihre super Arbeit und wünsche meinem Nachfolger Kevin Kläntschi viel Erfolg», verkündete der abtretende Präsident. Bereits das 14. Jahr war er dieses Jahr im «Camp» – neun davon als OK-Präsident. Als Dank für seinen grossen Einsatz erhielt Staub von seinen OK-Kolleginnen und Kollegen, die sich einen letzten freundschaftlichen Seitenhieb nicht verkneifen konnten, ein gigantisches Plakat geschenkt. «Es wäre die Aufgabe des Präsis gewesen, ein Werbe-Strassenplakat für unsere Konzerte zu kreieren», sagte das OK-Mitglied Fabian Grossenbacher. «Bis heute haben wir keins», fügte er lachend hinzu.
Dass für den OK-Präsidenten eines alljährlichen, wöchigen Lagers mit 130 Teilnehmenden in zwei Orchestern – und wohlgemerkt zwei ausverkauften Konzerten – die Prioritäten woanders liegen, erklärt sich von selbst.
Nach dem rasanten Schlussstück «Sasparilla» von John Mackey wandte sich der Dirigent des OBC, David McVeigh, für die Ansage der Zugabe ans Publikum und erzählte, wie sehr er die Lagerwoche mit diesen «engagierten und affinen Musikantinnen und Musikanten» genossen habe. Er wolle ihnen deshalb ein Geschenk machen. Doch, was verschenkt man als Musiker am besten?», fragte er in die Halle hinaus. «Genau, Musik.»

Musizieren vom Sonnenauf- bis zum Sonnenuntergang
Das von McVeigh eigens für das oberaargauische Blasmusikcamp komponierte Stück trägt den Titel «Orange Blazing Clouds» – orange leuchtende Wolken. Oder abgekürzt eben: OBC. Die leuchtenden Wolken sind eine Anspielung auf den Sonnenaufgang. «Denn im Camp stehen bei Sonnenaufgang alle gleichzeitig auf, machen den ganzen Tag zusammen schöne Musik und nach Sonnenuntergang geht man wieder nach Hause.» Und wer am Donnerstagabend aus dem Fenster geschaut habe, der habe sie gesehen, die «Orange Blazing Clouds».
Wenn das nicht ein gutes Omen für die anstehenden Konzerte war. Die gemeinsam fast 130 Musizierenden bewiesen, dass sie dem guten Omen mehr als gerecht geworden sind.

Von Silvia Staub