• Frust pur: Unmittelbar nach der Zielankunft rempelt Schurter seinen Konkurrenten Flückiger mit den Worten «Bisch du nid normau?» zu Boden. · Bilder: Keystone

  • Vor einer begeisterten Zuschauerkulisse lieferten sich Mathias Flückiger (Leimiswil) und Nino Schurter (Chur) einen packenden Zweikampf.

11.07.2022
Sport

Ein Donnerwetter in den Bündner Bergen

Die vielen Zuschauer am Streckenrand verwandelten das sonntägliche Weltcuprennen in Lenzerheide in einen Hexenkessel. In der letzten Waldpassage vor dem Ziel kam es zum Stimmungskiller: Die beiden in Führung liegenden Schweizer Nino Schurter (Chur) und Mathias Flückiger (Leimiswil) gingen zu Boden. Lachender Dritter war der Italiener Luca Braidot. Im Anschluss an das Rennen folgte das Donnerwetter in den Bündner Bergen.

Radsport · «So etwas darf nicht passieren. Wir sind hier in der Schweiz an einem Weltcuprennen und zwei Schweizer liegen vorne», meinte der Bündner Lokalmatador Nino Schurter, der seinen 34. Rekord-Weltcupsieg anvisierte, kopfschüttelnd und den Tränen nahe kurz nach Rennende gegenüber SRF zum denkwürdigen Weltcuprennen in Lenzerheide. Gleich nach der Zieleinfahrt rempelte er Mathias Flückiger mit den harschen Worten «Bisch du nid normau, ächt?» zu Boden.

Hochspannendes Rennen vor einer fantastischen Kulisse
Was war passiert? Der Leimiswiler zeigte nach seinem tollen 2. Rang am Short-Track-Rennen vom Freitag erneut eine Glanzleistung. «Math» ging das Startfurioso nicht mit, lag nach 1,1 km bloss an der 14. Stelle. Doch dieser dosierte Start war geschickt. Problemlos schloss der 33-Jährige zur Spitze auf und ebenso problemlos konterte er die auf Zermürbungstaktik angelegten vielen Angriffe des Bündner Rivalen. Ein spannendes Rennen vor einer atemberaubenden und äusserst lauten Zuschauerkulisse nahm seinen Lauf. Zwei Runden vor Schluss sorgte Mathias Flückiger mit einem satten Antritt für eine Zäsur. Fortan kamen nur noch Schurter, der Italiener Luca Braidot und der Südafrikaner Alan Hatherly für den Sieg in Frage. Die beiden Aktivposten waren aber ganz klar Nino Schurter und Mathias Flückiger. Beide Sieganwärter hatten in den letzten Streckenabschnitten noch einmal die Nase vorne. Schurter bog dann allerdings haarscharf vor Flückiger zum letzten Mal in den Zauberwald ein. Im letzten Abschnitt des Zauberwalds wurden allerdings keine Fernsehbilder gemacht. Und so blieb die denkwürdigste Szene des Lenzerheide-Weekends sowohl dem TV- wie auch dem Livepublikum vorenthalten.

Ein harsch kritisiertes Manöver
Effektiv versuchte Mathias Flückiger im Zauberwald mit einem Manöver noch einmal an seinem grossen Rivalen vorbeizukommen. Dabei kam es allerdings zu einer Berührung, worauf beide Fahrer zu Boden mussten. Nutzniesser waren Luca Braidot, der sich im Endspurt ganz knapp durchsetzte und seine Weltcupsieg-Premiere feierte, sowie der Südafrikaner Alan Hatherly. Dahinter war «Math» ein bisschen schneller wieder auf dem Bike und holte sich vor Schurter den 3. Rang. «Er hat mich abgeschossen. Es ist traurig», wetterte Schurter im Ziel bei SRF über Flückiger. «Er versuchte zu überholen, wo es einfach nicht geht.» Und wurde dann wieder giftiger: «Er handelte aus Frustration. Er hat die WM-Szene vom letzten Jahr immer noch nicht verkraftet.» Der Beschuldigte sah es etwas gelassener. «Er hat mich letztes Jahr gelehrt, wie man überholt und wie frech man fahren darf. Es hätte nicht zum Sturz kommen sollen, ganz klar, dies tut mir leid. Doch es ist nicht das erste Mal, dass es in einem Mountainbikerennen zu einem Sturz kommt», fasste «Math» die Szene zusammen. «Solche Szenen passieren nicht mit Absicht. Aber jeder Fahrer will an einem Weltcuprennen gewinnen. Es ist ein Rennen – Mann gegen Mann. Da kommt es immer wieder zu heiklen Rennsituationen.» Und zieht dann auch ein Fazit: «Wir sind beide genügend alt, um darüber stehen zu können. Ansonsten würde ich es dann nicht so verstehen. Ich war auch schon gefrustet. Bereits am nächsten Wochenende geht der Weltcup weiter. Und dann ist diese Sache wieder vergessen.» Tatsache ist, dass Schurter und Flückiger noch nie die besten Freunde waren. Und nach diesem Donnerwetter in den Bündner Berger werden sie es definitiv nie mehr.

Resultate: Short Track, Elite Männer (37 Klassierte): 1. Filippo Colombo, Schweiz/Lugano, 19:50; 2. Mathias Flückiger, Schweiz/Leimiswil, 19:50; 3. Alan Hatherly, Südafrika, 19:50; 4. Nino Schurter, Schweiz/Chur, 19:51; 5. Luca Braidot, Italien, 19:55. – Cross Country, Elite Männer (90): 1. Luca Braidot, Italien, 1:17:32; 2. Alan Hatherly, Südafrika, 1:17:32; 3. Mathias Flückiger, Schweiz/Leimiswil, 1:17:36; 4. Nino Schurter, Schweiz/Chur, 1:17:44; 5. Filippo Colombo, Schweiz/Lugano, 1:18:04; 29. Marcel Guerrini, Schweiz/Ufhusen, 1:21:31. – Gesamtweltcup (10/18): 1. Nino Schurter, Schweiz/Chur, 1154; 2. Alan Hatherly, Südafrika, 942; 3. Mathias Flückiger, Schweiz/Leimiswil, 936; 4. Vlad Dascalu, Rumänien, 882; 5. Maxime Marotte, Frankreich, 691; 42. Marcel Guerrini, Schweiz/Ufhusen, 173.

Von Stefan Leuenberger