• Blick vom Waldhaus über das Tal der Emme bis zu den Berner Alpen. · Bilder: Ueli Duppenthaler

  • Sie verbindet eine grosse Leidenschaft für die Dahlien: Elisabeth Brändli-Bärtschi (links) und Karin Mäder. · Bild: zvg

  • Über 10 000 Dahlien blühten im vergangenen Jahr. Ab dem 29. August ist es wieder soweit: Die neue Schau beginnt.

  • Bienendahlie Pooh, Halskrause-Dahlie rot mit gelber Krause und Spitzen.

  • Dekorativ-Dahlie Love of my Life, orange. Eine Neuheit und gute Schnittsorte.

  • Kaktusdahlie Radiance, rosa. Eine gute Schnittsorte.

27.08.2021
Emmental

Ein Feuerwerk der Farben in Lützelflüh

Im Weiler Waldhaus bei Lützelflüh öffnet am 29. August die 94. Dahlienausstellung. Bereits seit vier Generationen existiert das Blumenparadies eingebettet in der Hügellandschaft des Emmentals. Die Corona-Pandemie hat im vergangenen Jahr einen Einbruch verursacht, der von den zuständigen Behörden nicht entschädigt wurde.

Lützelflüh · An leichter Hanglage mit Blick über das weite Tal der Emme bis hin zu den Berner Alpen können die Besucher ein Blütenmeer mit einer grossen Vielfalt an Farben und Formen bestaunen. Die ursprünglich aus dem Land der Azteken stammenden Dauerblüher gedeihen auch in unseren Breitengraden prächtig. Dahlien sind die Spezialität der Gärtnerei Waldhaus in Lützelflüh. Karin Mäder leitet den Betrieb mit viel Herzblut in der vierten Generation. Unterstützt wird sie dabei von Elisabeth Brändli-Bärtschi, welche die Dahlienschau ein halbes Jahrhundert geprägt hat. Teilzeitangestellte aus der Region ergänzen das Team zu Spitzenzeiten.
Kultiviert werden rund 250 Dahliensorten mit einer grossen Vielfalt an Farben und Blütenformen. Darunter etwa 50 alte Arten in Zusammenarbeit mit ProSpecieRara, der Schweizerischen Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren. Jedes Jahr kommen Neuheiten dazu. Ein ganzes Feld gehört inzwischen den «Bienendahlien». Dort sind an schönen Tagen Tausende von Bienen, und Hunderte von Schmetterlingen und Hummeln zu bewundern. Um die Biodiversität zu fördern, hat Elisabeth Brändli-Bärtschi über viele Jahre weltweit ein Sortiment dieser immer beliebter werdenden Arten zusammengetragen. Diesen Spätfrühling hat das Waldhaus Team wiederum über 10 000 Knollen gepflanzt. Der Termin ist bewusst so spät gewählt, damit die Besucher die Hochblüte der Königin des Herbstes, wie die Dahlie auch genannt wird, nach dem Abklingen der Sommerhitze erleben können. Im Vergleich zu den Vorjahren ist der Vegetationsstand allerdings witterungsbedingt etwas verzögert.

Corona-Einbussen
Auch in dieser Idylle im Lande Gotthelfs mit den stattlichen Emmentaler Bauernhäusern und den gepflegten Gärten hat die Pandemie im letzten Jahr katastrophale Spuren hinterlassen. Einerseits war im Frühling der Verkauf der Dahlienknollen sowie der Kräuter und Heilpflanzen auf den regionalen und ProSpeciaRara-Märkten nicht möglich, und anderseits hatten die behördlichen Massnahmen im vergangenen Herbst Einschränkungen im Restaurationsbetrieb zur Folge. Zudem sind vor allem die zahlreichen älteren Besucher ausgeblieben. Die vor der Pandemie von den Carunter­nehmen in der ganzen Schweiz angebotenen Fahrten zur Dahlienschau fanden nicht statt. Als Folge ist der Umsatz vorübergehend eingebrochen. Trotzdem hat die Gärtnerei Waldhaus im ersten Corona-Jahr wie üblich auf einen Eintritt verzichtet und um freiwillige Spenden gebeten.
Karin Mäder ist enttäuscht, wie restriktiv die Covid-19 Härtefallhilfen von Bund und Kanton gehandhabt wurden. Die Berner Obrigkeit hat mit zum Teil fadenscheinigen Begründungen die Hilfe verweigert, wie Karin Mäder gegenüber dem «Unter-Emmentaler» erläutert. Dieser Traditionsbetrieb und Leuchtturm im Emmental, der seit bald hundert Jahren Tausende von Besuchern aus der ganzen Schweiz und dem nahen Ausland anzieht, fühlt sich in der Krise von den «übermächtigen Beamten» im Stich gelassen.
Karin Mäder und Elisabeth Brändli-Bärtschi hoffen, die Ausfälle mit einer erfolgreichen Ausstellung in diesem Jahr zum Teil wettmachen zu können. Vor Ort können die Blumenfreunde nicht nur die Farbenpracht der Dahlien bewundern, sondern auch gleich Knollen für den eigenen Garten oder Balkon bestellen. Ausgeliefert werden diese dann im kommenden Frühling. Der Verkauf der Knollen und Schnittblumen während der Ausstellung ist ein wichtiges Standbein des Betriebes.

Emmentaler Spezialitäten
Aber nicht nur das Auge, sondern auch der Gaumen kommt im Waldhaus auf seine Kosten. Mit dem offiziellen Start der Dahlienschau am 29. August öffnet auch das «Blueme-Festhüttli», wo die Besucher die währschaften Emmentaler Spezialitäten geniessen können. Im reizvollen Ambiente sorgen die Blumenfeen für das leibliche Wohl der Gäste. Das sonntägliche Burezmorge ist weitherum bekannt. Für angemeldete Besuchergruppen wird dieses auch unter der Woche angeboten. Gemäss den Erzählungen der Urgrossmütter war besonders der Zwetschgenkuchen mit Nidle fast so legendär wie die Merängge im Kemmeriboden-Bad. Heute ist das kulinarische Angebot auf den kleinen und grossen Hunger abgestimmt und wird während den Öffnungszeiten bis Mitte Oktober (Frosteintritt) angeboten.

Schweizweit einzigartig
Während bis in die 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts zahlreiche Dahlienausstellungen im Herbst viel Publikum anlockten, ist die Dahlienschau in Lützelflüh heute die einzige ihrer Art in der Schweiz. Bis vor einigen Jahren gab es im bündnerischen Tamins noch eine Ausstellung ähnlicher Grösse. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts waren die Dahlienausstellungen richtige Publikumsmagnete. Für die älteren Blumenfreunde ist besonders die Dahlienschau in Unterengstringen unvergesslich. Diese wurde jeweils von mehreren Zehntausend Menschen besucht. An einigen Herbstsonntagen war dort der Besucherandrang grösser als bei den Fussballmatches im nahegelegenen Hardturm. Auch das damalige Huttwiler Car­unternehmen Lanz Reisen bot diese Fahrt in Verbindung mit einem Besuch des Flughafens Kloten regelmässig an. Heute erinnert in Unterengstringen nur noch die Überbauung Dahlienpark und die Dahlienstrasse an die glorreichen Zeiten.

Geschichte der Dahlien
Die Dahlie stammt aus dem Hochland von Mexiko, wo sie seit über 50 Jahren als Nationalblume gilt. Bereits in den grossen Gartenanlagen der Azteken wurden diese Blumen gepflanzt. Im 18. Jahrhundert brachten die Spanier die Dahlien nach Europa, wo sie als Modeblume manchen Palastgarten schmückten und auch zu einer beliebten Schnittblume wurde.
Wenig bekannt ist die Geschichte der Dahlien als Nutzpflanzen: Im Jahr 1789 sandte der Direktor des Botanischen Gartens von Mexiko-Stadt, Vincente Cerventes, erste Dahlien als Nutzpflanzen nach Madrid. Elf Jahre später, im Jahr 1802, brachte der französische Botschafter in Madrid, Lucien Bonaparte, Dahlien nach Paris. Der Botaniker und Züchter André Thouin verbreitete sie in Frankreich als neue Nutzpflanzen. Damals wurde ebenfalls festgestellt, dass Dahlienknollen das nahrhafte, stärkeähnliche Kohlehydrat Inulin enthalten. Dr. Hans Balzi aus Schweden empfahl Diabetikern den Verzehr von Dahlienknollen. In seinem Buch «Inulingemüse» gibt er Anleitungen für die Zubereitung von Dahlienknollen. Mit dem wachsenden Interesse für Kartoffeln, deren Zucht sich schnell verbreitete, sind Dahlien als Nutzpflanzen in Vergessenheit geraten. Entscheidend zur Verbreitung im deutschsprachigen Raum beigetragen hat Alexander von Humboldt, der 1804 von seiner Mittel- und Südamerika-Reise Dahliensamen nach Berlin brachte. Heute kommen jedes Jahr zahlreiche Neuzüchtungen hinzu, was in den letzten Jahren zu einer wahren Renaissance dieser einzigarten Blumen geführt hat.

Von Ueli Duppenthaler