• Das neue elektrische Emmentaler mybuxi vor dem Eingang zum «Königsweg» der Emmentaler Schaukäserei in Affoltern. · Bild: zvg

  • Taxito Point: Die Mitfahrerin möchte nach Sumiswald mitgenommen werden. · Bild: zvg

22.02.2023
Luzerner Hinterland

Ein Hin und Her mit den Mitfahrdiensten

Die Gemeinde Luthern hat per Ende 2023 ihre direkte finanzielle Unterstützung für die Mitfahrgelegenheit «Taxito» gekündigt. Der Dienst wurde zu wenig genutzt. Sumiswald hingegen hat «Taxito» im April 2022 neu eingeführt. Andere Gemeinden nutzen das Mobilitätsangebot «mybuxi» – eigenständig Mobil auch ohne eignes Auto.

Region · 2015 startete die Gemeinde Luthern mit dem «Taxito» (siehe Kasten) im Luthertal, erweiterte das Angebot 2020 um zwei weitere Points, stellte diese aber bereits Ende 2021 wieder ein. Pro «Taxito» Point habe die Gemeinde rund 6400 Franken bezahlen müssen und das System sei zu wenig genutzt worden. Kosten und Nutzen stünden in keinem passenden Verhältnis, so die Begründung der Gemeinde Luthern, für das Einstellen des «Taxito» Point in Hergiswil auf Ende 2023.
Die Gemeinde Sumiswald führte das «Taxito» im April 2022 ein – mit zwei Jahren Verspätung wegen Corona. Das System «mybuxi» (siehe Kasten) gab es zum Zeitpunkt des Projektstartes mit «Taxito» vor rund fünf Jahren noch nicht und war für Sumiswald somit kein Thema. «In der Bevölkerung soll eine alternative Beförderungsform gewährleistet sein, wo kein öffentlicher Verkehrsanschluss besteht», so Christine Beer, Gemeinderätin mit dem Ressort Sicherheit. Die drei «Taxito» Points Schonegg, Hornbach und Sumiswald/Grünen Bahnhof sind gemietet und die Kosten belaufen sich auf rund 13 000 Franken pro Jahr. Ob das System Zukunft hat und weitergeführt wird, wird sich zeigen. «Wir befinden uns momentan in der Pilotphase von zwei Jahren. Im Verlaufe dieses Jahres werden Zahlen und Nutzung ausgewertet und über das weitere Bestehen von «Taxito» entschieden», so die Gemeinderätin.

Mybuxi – eigenständig Mobil auch ohne eigenes Auto
Andere Gemeinden im «UE»-Gebiet setzen auf den Mitfahrdienst «mybuxi». In Affoltern wurde er offiziell Ende August 2020 eingeführt. «Wir führten das System als Ergänzung zum öffentlichen Verkehr ein, da die ÖV-Verbindungen von und nach Affoltern nicht sehr gut sind und etwa Affoltern-Dorf abends nach 19 Uhr mit dem Öffentlichem Verkehr nicht mehr erreichbar ist», erklärt Fritz Weyermann, Gemeinderat mit Ressort Öffentliche Sicherheit, Tourismus und Kultur. Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung seien durchwegs positiv, was auch die Zahlen belegen: Kürzlich konnte der 20 000 Fahrgast bei Mybuxi Emmental in Affoltern begrüsst werden. Die Kosten für die Gemeinde belaufen sich aktuell auf 12 Franken pro Einwohner und Jahr. Bald schon würden die Einwohnenden von Affoltern von vergünstigten Halbpreiskarten von 20 statt 50 Franken profitieren können und den Jungbürgerinnen und Jungbürger würde seit letztem Jahr ein Jahresabo von «mybuxi Emmental» geschenkt, so der Gemeinderat. «Mit dem Erfolg kommen aber natürlich auch neue Herausforderungen auf uns zu wie etwa das Anschaffen von weiteren Fahrzeugen, allfällige Wartezeiten und mehr freiwillige Fahrerinnen und Fahrer», erklärt Weyermann. «Für ‹mybuxi Emmental› konnte aber mit einem Sponsoring der Emmentaler Schau­käserei Affoltern bereits ein zweites (Elektro-)Fahrzeug angeschafft werden.» Aktuell sehe er der Zukunft und der Zusammenarbeit mit «mybuxi Emmental» positiv entgegen und die Gemeinde Affoltern werde von diesem Angebot auch zukünftig profitieren können. «Das Ziel für unsere Gemeinde ist nach wie vor, dass weitere angrenzende Gemeinden das Angebot nutzen, damit wir die Effizienz und den Mehrwert weiter steigern können», sagt er hoffnungsvoll.
In Affoltern ist «mybuxi» demnach gut integriert, Kosten und Nutzen decken sich. Demgegenüber stehen zwei nahe gelegene Gemeinden, die das System eingeführt, sich aber gegen eine finanzielle Beteiligung entschieden haben.

Kosten und Nutzen decken sich nicht
In der Gemeinde Hasle bei Burgdorf dauerte die Pilotphase von «mybuxi» ein Jahr und endete Ende im August 2021. Der Gemeinderat beschloss damals im Juni, die Zusammenarbeit im Mobilitätsangebot «mybuxi» zu beenden und keinen finanziellen Beitrag mehr zu leisten. «Grund für diesen Entscheid waren die zu erwartenden jährlichen Kosten von rund 37 000 Franken. Zwar haben verschiedene Einwohnerinnen und Einwohner vom Angebot Gebrauch gemacht, die Kosten standen für uns aber in keinem Verhältnis zu der Anzahl Nutzerinnen und Nutzern», erklärt dazu Karin Berger, Leiterin Gemeindeschreiberei. Dennoch stehe «mybuxi» weiterhin ein Haltepunkt und Parkplatz beim Bahnhof Hasle-Rüegsau gratis zur Verfügung und der Service kann im Gemein­degebiet auf eigene Kosten weiter angeboten werden.
Ähnlich sieht es in Lützelflüh aus: Nach einer sechsmonatigen Pilotphase mit fünf Haltepunkten und 215 Fahrgästen verlängerte die Gemeinde die Pilotphase um weitere sechs Monate mit 37 Haltepunkten und 443 Fahrgästen. «Während der Pilotphase fielen für die Gemeinde keine Kosten an, danach wären es pro Einwohner vier Franken, was für unsere Gemeinde rund 17 000 Franken pro Jahr bedeuten würde», erklärt Gemeinde­prä­sident Kurt Baumann. Da aus der Bevölkerung kaum Rückmeldungen und keine Nachfrage für zusätzliche Mobilitätsformen bestanden haben, entschied sich der Gemeinderat kürzlich dazu, das Projekt nicht weiterzuführen. Kurt Baumann erklärt: «Lützelflüh ist mit drei Bahnhöfen sehr gut erschlossen und wir schätzen die Erfolgschancen als gering ein. Zudem ist das Angebot gegenüber der Nachfrage für uns zu teuer.» Dazu Andreas Kronawitter, Geschäftsführer von «mybuxi»: «Die Kosten für Gemeinden werden jeweils verhandelt. Sie orientieren sich am Leistungsumfang, den eine Gemeinde vom ‹mybuxi›-Angebot erhält und welchen Nutzen die Gemeinde für die ganze Region einbringt. Beispielsweise wird ein Bahnhofanschluss, der für die Fahrgäste anderer Gemeinden interessant ist, als Preisabschlag angerechnet.» Rund 50 Prozent der Fahrten würden an einem Bahnhof starten oder enden. «mybuxi» sei somit ein Zubringer zum öffentlichen Verkehr.

Unterschiedliche Nutzung je nach Gebiet
Warum ist «mybuxi» in Affoltern ein Erfolg, in Lützelflüh und Hasle weniger? Dazu Andreas Kronawitter: «Die Gemeinden Hasle und Lützelflüh verfügen durch die Bahn für einen Grossteil ihrer Bevölkerung über einen guten Anschluss an den ÖV. Deshalb wird der Bedarf dort verständlicherweise geringer eingeschätzt als in abgelegenen Gemeinden», erklärt der Geschäftsführer. «Insgesamt entwickelt sich die Nachfrage im Emmental schneller, als das Angebot ausgebaut werden konnte – aktuell kann nur ein Drittel der Fahrtanfragen durchgeführt werden. Abhilfe schafft nun bald der zusammen mit der Emmentaler Schaukäserei finanzierte Elektrobus, der ab Ende Februar für Entlastung sorgen wird. Grundsätzlich wird das Angebot von ‹mybuxi› umso interessanter für die Einwohnerinnen und Einwohner der Region, je mehr Gemeinden mitmachen», erläutert er weiter.
Nicht mit dem ÖV erschlossene Gebiete in Hasle und Lützelflüh wie beispielsweise Biembach oder Thalgraben decke aktuell das «mybuxi» teilweise auf eigene Kosten ab, teilweise durch von Partnern finanzierte Haltepunkte wie dem Restaurant Thalsäge. Für Firmen und Privatpersonen biete «mybuxi» in diesen Gemeinden die Möglichkeit an, eigene Haltepunkte zu mieten. «mybuxi Emmental» sei von den Gemeinden Affoltern und Heimiswil angestossen worden. Diese verfolgen damit klare Ziele wie die Steigerung der Attraktivität als Wohnort für Familien oder die Verbesserung der Altersmobilität.
Das Angebot werde zusammen mit den Gemeinden ständig weiterentwickelt. Später dazu gestossen sei die Stadt Burgdorf, wo sich viele Ziele befinden wie Gesundheits-, Freizeit- und Bildungseinrichtungen, Arbeitsplätze oder Einkaufsmöglichkeiten, die für die Einwohnerinnen und Einwohner der «oberen» Gemeinden wichtig seien. «Damit reduziert sich der Bedarf an Autofahrten in die Stadt, was für Burgdorf interessant ist», erklärt Andreas Kronawitter den Unterschied zwischen Stadt und Land.

«Taxito», das Mitfahrsystem
 «Taxito» ist ein spontanes Mitfahrsystem, eine Art sicheres Autostoppen, welches Personen sicher und günstig an ihr Ziel bringt. «Taxito» will den Gemeinden und der Bevölkerung ein Instrument geben, mit dem sie sich eigenständig und mit den bestehenden Ressourcen die Erschliessung gewährleisten oder ausbauen können. «Taxito» kann ohne Registrierung oder Voranmeldung genutzt werden: Bei einem «Taxito-Point» kann per QR-Code oder SMS die Zieldestination eingegeben werden und das nächste vorbeifahrende Auto nimmt die Person in seinem Auto mit. Zur Sicherheit wird das Kennzeichen des Fahrenden per SMS an «Taxito» gesendet. Für die Mitfahrt bezahlt der Kunde ebenfalls per SMS einen kleinen Beitrag an die Fahrerinnen oder den Fahrer. «Taxito» ist im «UE»-Gebiet im Raum Luthern/Willisau/Zell und Sumiswald sowie im Seetal, in Graubünden, im Raum Genf und bald auch im Freiamt (AG) in Betrieb. www.taxito.com

«mybuxi» – mobil auch ohne eigenes Auto
«mybuxi «ist ein Mobilitätsangebot für ländliche Regionen und alle, die sich darin bewegen. Es ist eine Mischung aus Bus- (man fährt mit anderen Personen) und Taxi (man fährt wann und wohin man will). Die Fahrt wird per App im Voraus oder spontan unter Angaben der Start- sowie Zielhaltepunkt und Anzahl Fahrgäste gebucht. Das «mybuxi» macht sich auf den Weg, um die Personen abzuholen. Unterwegs können andere Fahrgäste, die eine Fahrt in die gleiche Richtung gebucht haben, zusteigen. Der Mobilitätsanbieter «mybuxi» hat seit 2019 in unterschiedlichen Regionen sein Angebot «Fahrt auf Verlangen» vom Stadtrand bis zur alpinen Tourismusregion entwickelt. Das Angebot wird schrittweise auf die ganze Schweiz ausgebaut. Es können Einzeltickets, Tagestickets, 10er-Karten, Monats- oder Jahresabos gelöst werden. Das Angebot «mybuxi Emmental» ist in den Gebieten Affoltern, Rüegsau, Lützelflüh, Hasle, Oberburg, Burgdorf und Heimiswil in Betrieb. Es fährt sieben Tage die Woche während rund 19 Stunden, «vom ersten bis zum letzten Zug». mybuxi.ch

Von Marianne Ruch