• Die beiden Langenthaler Hans Oberli und Aris Zemp sind passionierte Marathonläufer. Beide haben die Marathonläufe in New York, London, Berlin, Chicago, Tokio und Boston erfolgreich absolviert und dafür die spezielle «Finisher-Medaille» erhalten. · Bild: Leroy Ryser

29.11.2019
Sport

«Ein Marathon ist das beste Sightseeing»

Hans Oberli und Aris Zemp, Marathonläufer aus Langenthal – Die beiden Langenthaler Hans Oberli und Aris Zemp haben in diesem Jahr die Serie der «World Marathon Majors» komplettiert. Die beiden Ü50-er haben den jeweils sechsten Lauf erfolgreich abgeschlossen und den sogenannten «Grand Slam» geschafft. Stolz sind die beiden durchaus – vor allem aber auch dankbar.

 

Laufsport · Im April hat es Aris Zemp geschafft, im Oktober ist es Hans Oberli gelungen – die beiden Langenthaler haben die «World Marathon Majors» erfolgreich beendet. Sie haben die Marathonläufe in New York, London, Berlin, Chicago, Tokio und Boston erfolgreich bestritten und tragen seither stolz die Medaillen ihrer Triumphe. Eine fällt dabei sofort ins Auge: Ein blaues Band mit sechs Kugeln als zusammengesetztes Emblem, mit einer Schrifttafel durch die Mitte. Sie ist der Beweis, dass alle sechs Läufe der vereinigten Serie absolviert wurden.

Kein Feierabendbier
«Ich fühle mich stolz, vor allem aber sehr privilegiert und dankbar, dass wir das machen konnten», sagt Aris Zemp begeistert. In der Schweiz haben dies erst rund 100 Personen geschafft, weltweit nur über 6000. Mit Hansjürg Lädrach, der in Aarwangen wohnt, hat sogar noch ein weiterer Oberaargauer gleiches geschafft. «Einerseits haben nicht alle die nötige Gesundheit, um eine solche Marathon-Rennserie zu bestreiten, andererseits fehlt es vielen auch an den finanziellen Mitteln. Ich bin deshalb sehr erfreut, dass ich dies schaffen konnte», sagt Aris Zemp. Solche Teilnahmen würden für ihn deshalb auch mit Verzicht einhergehen. Das Feierabendbier habe er längst mit Lauftraining ersetzt, statt seine Ferien am Meer zu verbringen, zieht er Städtetrips vor, die er mit dem Marathon – er führt immer über exakt 42,195 Kilometer – kombinieren kann. «Unsere Frauen sind immer dabei», pflichtet Hans Oberli seinem Laufkameraden bei. Seine Frau Barbara habe längst gesagt: «Du kannst jeden Lauf laufen. Aber ich will dabei sein.»

Viele positive Emotionen
Das Rahmenprogramm ist derweil ein Grund, das diese Läufe spannend macht. «Man läuft im selben Rennen mit der Weltelite. Und abends kann man mit diesen Läufern in den Ausgang gehen und anstossen», sagt Aris Zemp begeistert. Das Laufen solcher Marathons sei aufwühlend und begeisternd. Die Emotionen überwältigend und positiv. «Menschen klatschen dich ab, feuern dich an und jubeln dir zu, das ist unglaublich», sagt Hans Oberli. Das Gefühl unterwegs sei deshalb kaum beschreibbar, die Gratulationen fremder Menschen im Nachhinein für Medaillenträger kaum endend. «Ein Marathon zu laufen ist zudem das beste Sightseeing. Unser Motto lautet nicht ‹gring abe u seckle›, sondern eher ‹Kopf hoch und genies-sen›», sagt Aris Zemp. Da gehören neben den eindrucksvollen Städten und Gebäuden auch Kostüme der Passanten oder unterstützende Plakate für die Läufer dazu. «Da gibts dann ganz lustige Sachen. An einem Ort veranstalteten Frauen vom College einen Contest: Diejenige, die am meisten geküsst wird, hat gewonnen», schmunzelt Zemp. In London habe er derweil einst einen «Big Ben» rennen sehen, erinnert sich Oberli, «ein Mann trug ein Zwei-Meter-Kostüm während der ganzen Strecke mit sich.» Im Ziel habe er sich auch noch ducken müssen, um nichts zu beschädigen.

Einander teilhaben lassen
Eines aber sei entscheidend an diesen Läufen. Die Emotionen seien durchwegs positiv, Gewalt hingegen kaum ein Thema. «Nach dem Lauf gratuliert man sich. Man liegt sich in den Armen, weint und jubelt – es ist ganz speziell», erzählen die beiden. Seit Jahren lassen sie einander an diesen Emotionen auch teilhaben. «Wenn wir nicht gemeinsam laufen, dann rufen wir uns kurz vor dem Ziel über Facetime an und übermitteln so die Eindrücke», erklärt Hans Oberli. Dass dabei Zeit verloren geht, sei indes zweitrangig, viel lieber geniessen sie den Moment. «Mir ist es wichtig, hin und wieder auch mit Menschen zu reden oder den Helfern zu danken», sagt Aris Zemp. Unterwegs würden deshalb auch beide immer wieder Fotos mit einer Kamera schiessen, die sie als Erinnerungsstücke aufbewahren.

«Boston war sehr emotional»
Spezielle Erlebnisse haben die beiden während ihren Läufen auch daher zahlreiche eingefangen. «Für mich war der erste Lauf sehr speziell. Ich war damals noch nicht sicher, ob ich es denn auch schaffe. Das Gefühl im Ziel war unbeschreiblich», erklärt Hans Oberli. Für Aris Zemp war dann ein anderer Zieleinlauf sehr emotional. «Als in Boston der Anschlag während dem Marathon passierte, wollte ich eigentlich dabei sein, musste meine Teilnahme aber verschieben», erinnert er sich. In jenem Jahr, als er tatsächlich teilnahm, kam dann kurz zuvor die Verfilmung des wahren Dramas im Fernseher. «Ich habe mich dann entschieden, den ganzen Lauf eine Rose mitzutragen und diese vor dem Ziel zu deponieren. Vor Ort habe ich dann für diese Menschen gebetet, was für mich sehr aufwühlend war.» Dieser tragische Vorfall habe das Marathonlaufen derweil verändert, gerade das Sicherheitsaufkommen sei drastisch gestiegen. «Die Kontrollen und Sicherheitsschleusen vor dem Start sind zahlreich. Neben der Strecke sieht man immer wieder wie Sicherheitsmassnahmen getroffen wurden», sagt Aris Zemp. Das sei schade, aber auch ein bisschen ein Spiegel der heutigen Gesellschaft.

2000 Trainingskilometer jährlich
Dass die beiden alle sechs Läufe absolviert haben, ist eher auf einen Zufall zurückzuführen. Bei Hans Oberli vielleicht sogar auf ein bisschen Prahlerei, wie er schmunzelnd zugibt: «Während einer Runde um die Wässermatten habe ich einem Kollegen scherzhaft gesagt: Mit 50 laufe ich den New York Marathon.» Und wie es auch sei, ein Mann ein Wort, sagt Oberli lachend, habe er mit jenem Kollegen den Marathon tatsächlich absolviert. Als er dann von den «Big 5» – Tokio kam erst später dazu – hörte, habe es ihn motiviert, weiter zu machen und die insgesamt über 253 Kilometer zu bewältigen. Bei Aris Zemp war der Zufall derweil noch grösser, weil er eigentlich gar kein Läufer war und dereinst ohne Vorbereitung den Hallwilerseelauf absolvierte. «Danach interessierte ich mich immer mehr für das Marathonlaufen und deshalb habe ich gesagt, dass mein nächster Lauf der New York Marathon sein wird.» Weil dann gesundheitliche Probleme auftraten, sei das Laufen zwischenzeitlich in den Hintergrund gerückt, heute trage es aber wiederum viel zur Gesundheit bei. «Mit Genusslaufen kann man Stress sehr gut abbauen», erklärt Aris Zemp, beide würden deshalb jährlich rund 2000 Trainingskilometer absolvieren. Die Läufe seien dann so etwas wie das «Zückerli» für die harte Arbeit.

Weitere Projekte geplant
Nur weil die beiden Herren den «Grand Slam» und damit ihr Ziel erreicht haben, heisst das nicht, dass Schluss mit Laufen ist. «Wir werden weiterhin laufend die Welt erkunden», sind sie sich einig, bereits jetzt ist geplant, gemeinsam in Jamaika einen Lauf zu bestreiten. Für den Fall, dass es irgendwann aber nicht mehr möglich sein wird, die 42 Kilometer zu laufen, hat immerhin Aris Zemp schon vorgesorgt. Zu allen Läufen hat er so etwas wie ein Fotoalbum geführt, in welchen er später in Erinnerung schwelgen will. Und bei Hans Oberli ist klar, dass ihn gerade auch seine Frau vorerst zu neuen Marathons bewegen wird. «Sie hat immer gesagt: Wenn ich den Letzten dieser Serie laufe, läuft sie mit. Das hat sie geschafft und war am Schluss so begeistert, dass sie nun auch weiterlaufen will.» Für das Marathon- und Lauffieber gibt es daher bei den Familien Zemp und Oberli vorerst noch keine Heilungschancen. Die nächsten Highlights können kommen.

Von Leroy Ryser