• Jürg Ingold (links) und Michael Schär freuen sich – hinter dem Plexiglas – ab heute wieder Kunden bedienen zu dürfen. · Bild: Leroy Ryser

  • Das Langenthaler Sommerkino, hier im Jahr 2017, soll auch in diesem Jahr stattfinden. Die Organisatoren Rita Soom und Marcel Marti freuen sich bereits. · Bild: Marcel Marti/zvg

05.06.2020
Langenthal

Ein schwieriger «Re-Start» mit viel Hoffnung

Das Langenthaler Kino Scala wird heute die ersten Filme seit dem Lockdown zeigen. Der «Re-Start» birgt zwar viele Hoffnungen, Kinobetriebsleiter Jürg Ingold und Finanzchef Michael Schär verbinden die aktuelle Situation aber auch mit einer ungewiss grossen Herausforderung. Hoffen können auch die Open-Air-Kinos in Langenthal und Lützelflüh: Während in Langenthal entschieden wurde, den Event durchzuführen, wollen die Organisatoren in Lützelflüh nächste Woche entscheiden.

Langenthal · Jürg Ingold erinnert sich noch gut an seine ersten Tage im Langenthaler Kino Scala. Als er im Jahr 2012 begann, war es ihm ein grosser Wunsch, die Scheibe beim Kassenhaus zu entfernen, weil diese das Arbeiten umständlich machte. Mit dem Umbau wurde der Raum noch offener gestaltet, eine Scheibe zwischen ihm und den Besuchern ist nicht mehr vorhanden.
Mittlerweile ist das aber wieder anders, die Vorgaben im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krise haben die Scheibe quasi zurückkehren lassen. Wie vielerorts wurde auch im Kino Scala Plexiglas aufgebaut, um die Vorgaben des BAG einhalten zu können.

Keine Sitzreihe gesperrt
Die Plexiglas-Scheibe im Eingangsbereich ist die einzige, physisch sichtbare Änderung im Langenthaler Kino. Viele Vorgaben würden sie schon länger befolgen, dazu gehöre das ständige Reinigen der Toiletten oder diverser Oberflächen wie Türklinken. Sitzreihen mussten glücklicherweise nicht gesperrt werden, weil die Besucher alle in die gleiche Richtung blicken. Einzig zwischen Besuchergruppen muss ein einzelner Sitz frei bleiben, um den erforderlichen Abstand zu gewähren. «Glücklicherweise nicht zwischen jedem einzelnen Besucher», ergänzt Michael Schär, Finanzchef der Scala-Organisation.
Vorgeschrieben ist hingegen, dass die Kinobetreiber die Adressen der Besucher aufnehmen, um eine Rückverfolgung zu gewährleisten. Im Gegensatz zu einem Besuch im Restaurant sind diese Angaben im Kino nicht freiwillig. Ganz allgemein hält Michael Schär die Vorgaben aber für vernünftig, letztlich müsse man sich vorläufig daran gewöhnen und damit leben. Dazu nehme er aus der Bevölkerung positive Signale wahr, auch die phasenweise gut gefüllten Restaurants würden darauf hindeuten, dass sich auch die «Kinogänger» bald wieder sicher genug fühlen, um das Scala zu besuchen.

Falscher oder richtiger Zeitpunkt?
Dennoch geht Schär davon aus, dass der Start eher ruhig verläuft. «Man kann sich jetzt darüber streiten, ob es der richtige oder falsche Zeitpunkt für die Wiedereröffnung ist», sagt er und wägt Vor- und Nachteile ab: «Im Sommer läuft sowieso eher wenig, eine Wiedereröffnung in einem guten Monat wäre deshalb vielleicht schlechter für das Ergebnis gewesen, weil die Besucher womöglich noch nicht sofort ins Kino kommen wollen.» Mit einem ruhigeren Start könne man die potenziellen Besucher vielleicht auch besser wieder an den Kinobesuch gewöhnen. Zu hoffen bleibe aber dennoch, dass im Zusammenhang mit der allgemeinen Unsicherheit überhaupt Besucher kommen. Ausserdem sei eben Sommer und damit verbunden die Tatsache, dass Kinobesuche während warmen Tagen weniger beliebt sind. «Aber vielleicht hat der schöne Frühling dazu geführt, dass Herr und Frau Schweizer schon genug grilliert und gewandert haben – das spielt uns womöglich in die Karten», sagt Schär und hängt an: «Eine Prognose zur Anzahl Besucher zu machen ist schwierig. Ich persönlich bin sehr gespannt.» In den letzten Jahren konnte das Scala immerhin eine treue Kundschaft aufbauen, wuchs die Anzahl jährliche Besucher doch von rund 14 000 auf gegen 35 000. Auf diese Stammkunden hoffen Jürg Ingold und Michael Schär auch jetzt, damit der Neustart glückt.

Hoffen auf Bond im November
Nicht in die Hände spielt den Betreibern hingegen das aktuelle Angebot an Filmen. Zwar betonen beide explizit, dass nicht etwa nur «schlechte» Filme auf dem Markt seien, aufgrund der Ungewissheit behalten die Produzenten ihre grossen Produktionen aber vorerst noch zurück. Dass in Deutschland die Kinos noch nicht geöffnet haben, macht das Lancieren von deutschen Produktionen für die Betreiber noch schwieriger, der Schweizer Markt ist vergleichsweise eher klein. «Ein paar Filme wurden angekündigt, bei einzelnen wurden Starttage verschoben und wieder andere Anbieter halten sich bedeckt und geben keinen Starttermin raus», sagt Scala-Betriebsleiter Jürg Ingold. Im Programm zum heutigen Start seien deshalb lediglich zwei neue Filme, einer davon ist immerhin von Clint Eastwood («Der Fall Richard Jewell») und der verspricht so einiges, der zweite (Mina und die Traumzauberer) ist ein Kinderfilm. Die weiteren Filme sind kurz vor dem Lockdown noch angelaufen, hatten aber zumeist nur wenige Besucher, sodass das Interesse noch vorhanden sein müsste.
Dass Kinos aber vor allem von grossen Filmen mit zahlreichen Besuchern leben, macht die Prognosen für die Jahresrechnung vorerst nicht besser. «Für uns war es sehr bitter, dass wir just zwei Wochen vor dem neuen Bond-Film schliessen mussten», sagt Michael Schär, von diesem Film habe man sich sehr gute Einnahmen versprochen. Wann der neue «007» rauskommt, ist aktuell noch nicht bekannt, «wir hoffen derzeit auf November», sagt Jürg Ingold. Zugleich sind die beiden aber überzeugt, dass es Filmproduzenten geben werde, die diese Lücke auch als Chance sehen. «Ich schaue fast täglich, welche Neuheiten auf dem Markt zu finden sind», sagt Ingold, dies sei aber auch in anderen Jahren so, weil im Sommer selten gros­se Filme lanciert werden.

Erstmalige (Zwangs-)Ferien
So oder so ist die Vorfreude auf den «Re-Start» aber gross, sagen Schär und Ingold. «Wir hatten, seit Jürg Ingold im Jahr 2012 hier ist, nicht einen Tag geschlossen – Feiertage inklusive», sagt Michael Schär. Die Coronakrise habe ihm quasi Zwangsferien verschrieben. «Das ist schon komisch», sagt auch Ingold. Von 180 ging es auf null, und jetzt wird der Betrieb wieder aufs vorherige Level hochgefahren. «Es bleibt uns nur zu hoffen, dass Kunden uns besuchen werden», sagt Jürg Ingold, weist auf die Umsatzeinbussen in den letzten Monaten hin und wirbt sogleich mit den Vorzügen des Scalas: «Unsere Räume werden ständig mit Frischluft versorgt und sind angenehm klimatisiert.» Entsprechend sei für die Besucher alles für einen angenehmen Kinobesuch im Corona-Sommer vorbereitet.

Sommerkino in Langenthal ist geplant
Gleiches sagen auch Rita Soom und Marcel «Masi» Marti, welche das Langenthaler Sommerkino im 21. Jahr als Organisatoren durchführen wollen. Die beiden bereiten jeweils nach dem Ende des Sommerkinos sogleich jenes des nächsten Jahres vor und sind auch deshalb bereit für die Durchführung des Events. Werbe-Kleber beispielsweise sind schon gedruckt und die grosse Leinwand ist organisiert, damit zwischen dem 30. Juli und dem 12. August Filme in der Marktgasse gezeigt werden können. «Es gibt viele Open-Air-Fans, die Freude hätten, wenn dieser Anlass stattfindet», ist Rita Soom überzeugt. Ausserdem würde auch das angrenzende Gewerbe davon profitieren, welches sich jährlich mit unterschiedlichen Angeboten an der Durchführung beteiligt.
Vieles hängt aber auch davon ab, ob die Sponsoren mitziehen werden. «Grundsätzlich sind wir auf den Event auch finanziell angewiesen und wollen ihn auch deshalb sehr gerne durchführen», sagt Rita Soom und verweist darauf, dass ihr Restaurant, das «La Piazzetta», wegen den Corona-Vorschriften im Gastgewerbe weiterhin geschlossen ist.
Ohne die Hilfe der zahlreichen und zumeist treuen Sponsoren würde es aber trotzdem schwierig werden, den Anlass zu stemmen. «Wir haben ein gutes Gefühl. Wir werden uns in den nächsten Tasgen bei den Sponsoren melden und nachfragen, ob es ihnen möglich ist, die Unterstützung auch in diesem Jahr zu leisten», sagt Rita Soom. Auch deshalb würden sie das Sommerkino derzeit als «klein, aber fein und möglichst sparsam» planen.

Mehr als 300 Leute?
Ein anderes Problem, so hoffen die beiden Langenthaler, könnte sich bis zum Start allerdings noch in Luft auflösen. Aktuell gilt eine Obergrenze von 300 Personen pro Ansammlung. Für das Sommerkino, das ansonsten 499 Plätze anbietet, würde das bedeuten, dass man die Anzahl Plätze verringern müsste. Das Areal an sich ist aber genügend gross, um die heutigen Vorschriften einzuhalten. Auch deshalb besteht die Hoffnung, dass die Begrenzung noch vor dem geplanten Start am 30. Juli entfällt.
Entscheidend könnte dies vor allem auch beim Open-Air-Kino in Lützelflüh sein. Dort besteht sonst keine Begrenzung, an guten Abenden geniessen um die 1000 Menschen das Angebot, weiss Christian Aeberhard vom Organisatorenteam. Ob man den Aufwand auch in diesem Jahr stemmen kann und will, müsse vor allem ökonomisch gesehen gut überprüft werden. «Von den 300 Personen müssten wir auch noch die Organisatoren und Helfer abziehen, die vor Ort wären. Und ob sich der Betrieb mit 250 Gästen lohnt, ist fraglich», verrät Aeberhard. Noch in der nächsten Woche wird das Organisationskommitee deshalb zusammensitzen und eine Entscheidung endgültig fällen und kommunizieren. «Es besteht eigentlich schon ein vager Entscheid, wir wollen ihn aber noch einmal besprechen und dann informieren.»

Von Leroy Ryser