• So präsentiert sich die Skulptur von Künstler Ludwig Stocker aus rosa Marmor «Vom Herausgehen» bei der Stadtpfarrkirche St. Maria Königin in Langenthal.

  • Initiant Robert Zemp bei seiner Ansprache. Diesmal aber bei der katholischen Stadtpfarrkirche St. Maria Königin in Langenthal.

  • Auch die Reformierte Kirche Langenthal war beim Anlass der Römisch-katholischen Kirche vertreten. Links Kirchgemeinderat Richard Bobst, rechts Pfarrer Stephan Bösiger.

  • Seitenwechsel: Mit einem Augenzwinkern grüsst die Skulptur von Ludwig Stocker jetzt bei der Stadtpfarrkirche St. Maria Königin in Langenthal. Während drei Jahren stand sie bei der Kirche Geissberg. · Bilder: Hans Mathys

04.06.2021
Langenthal

Eine reformierte Skulptur wird katholisch

Die römisch-katholische Kirchgemeinde Langenthal hat feierlich die Skulptur «Vom Herausgehen» des Basler Künstlers Ludwig Stocker eingeweiht. Diese stand bisher beim Treppenaufgang der reformierten Kirche Geissberg.

Auf der linken Seite des Eingangs zur römisch-katholischen Stadtpfarrkirche St. Maria Königin Langenthal steht seit wenigen Tagen eine 2003/04 entstandene Skulptur aus Rosamarmor des bald 89-jährigen Basler Künstlers Ludwig Stocker. Diese Skulptur mit dem Titel «Vom Herausgehen» wurde während der «Langen Nacht der Kirchen» eingeweiht, an der auch die Katholische Kirche Langenthal und der Pastoralraum Oberaargau teilgenommen haben.
Dass die Skulptur einigen Besucherinnen und Besuchern irgendwie bekannt vorkam, erstaunt nicht, stand das Werk doch während rund drei Jahren beim Treppenaufgang zur reformierten Kirche Geiss­berg. Einige Kirchengänger fragten sich dort, weshalb die Skulptur «plötzlich verschwunden» sei. Richard Bobst, Kirchgemeinderat der Reformierten Kirche Langen­thal, begründet dieses «Verschwinden» damit, dass die Wechselaus­-
stellung mit Bildern und Skulpturen des Basler Künstlers Ludwig Stocker befristet war – von 2017 bis Herbst 2020 – und somit beendet sei. Bobst: «Danach fand die katholische Kirchgemeinde Interesse an der Skulptur, die am Standort der reformierten Kirche nicht bleiben konnte. Somit hat Ludwig Stockers Werk doch noch einen Verbleib in Langenthal gefunden.»

Das Augenzwinkern der Skulptur
Die Figur aus rosa Marmor, die hier vor wenigen Tagen einen neuen Standort gefunden hat, sei, so Initiant und Koordinator Robert Zemp, «schön gehauen und geformt». Sie sei bewusst so platziert, dass sie geradezu über dem Boden zu schweben scheine – mit Blickrichtung Stadt. Vor einem Jahr habe die Figur bei der Kirche Geissberg noch etwas einsam und verträumt über die Stadt Lan­genthal hinweg geschaut – «bis dann ihr Traum vom Herausgehen Wirklichkeit wurde, sie vom Sockel herunterstieg und nun vor der katholischen Kirche Langenthal eine neue Heimat fand.» Robert Zemp weiter: «Wenn ich die Figur aus rosa Marmor so anschaue und ihr Gesicht sehe, glaube ich, ab und zu ein kleines Augenzwinkern zu erkennen, das nicht nur mir alleine gilt.» Vielmehr glaube er, dass dieses Augenzwinkern in Richtung Geissberg gerichtet sei. Eine feine, schelmisch-spitzbübische Bemerkung, die Robert Zemp dem «UE» nach dem Anlass so erklärte: «Die reformierte Kirchgemeinde wollte dem Künstler die Skulptur zurückgeben. Ich habe das erfahren und fragte ihn an, ob er sich vorstellen könnte, das Kunstwerk in Langenthal zu belassen und der Katholischen Kirche als Leihgabe zu überlassen. Ich hat­te schon früher einen guten Kontakt zu Ludwig Stocker, war ich doch 2017 bei der Einweihung auf dem Geissberg als Vernissage-Redner dabei. Ludwig Stocker freute sich über die neue Lösung so sehr, dass er aus der Leihgabe der katholischen Kirchgemeinde Lan­genthal ein Geschenk machte.» Der Basler Künstler selber konnte diesmal aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Langenthal an die Einweihung reisen.

«Klare geometrische Formen»
Robert Zemp schwärmte an der Einweihung von der Skulptur: «Sie markiert Präsenz. Für mich ist sie so sehr gegenwärtig, dass ich es nicht wagte, sie für den heutigen Anlass zu verhüllen, damit sie heute Abend offiziell enthüllt werden könnte. Sie fällt auf, sie ist präsent. Nicht nur weil sie uns auf Augenhöhe begegnet, sondern, treten wir näher heran, ihre Machart uns etwas zu irritieren vermag – zumindest auf den ersten Blick. Den klaren geometrischen Formen und dem Linienspiel, das an einen Faltenwurf eines Kleides erinnert, steht der Schauseite eine sogenannte Rückseite entgegen, die den unbehauenen noch rohen Stein zeigt. Damit wird sichtbar und geradezu greifbar, wie aus der Materie des Marmors eine Figur entsteht, aus dem Stein heraustritt. Vom Herausgehen ist ihr Titel, und vom Herausgehen will sie uns erzählen. Nun, was könnte sie uns wohl mitteilen? Diese Frage soll ein kleines, immer wieder aktuelles Gedicht von Joseph von Eichendorf etwas erhellen: Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort, und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort.»

«Gestärkt mit guten Gedanken»
Auch Pfarrer Arogya Salibindla (Kaplan im Pastoralraum) und Odo Cam­ponovo (Pastoralleiter ad interim) äusserten sich zu ihren Eindrücken, welche sie beim Betrachten der Skulptur empfinden. Odo Camponovo, der das Projekt gemäss Robert Zemp immer «wohlwollend unterstützt» hat, unterstrich, wie gut die Figur mit dem Titel «Vom Herausgehen» zur Kirche passe: «Wer eintritt, tritt auch wieder heraus. Dies gestärkt mit guten Gedanken, um immer wieder von neuem herauszugehen in die Welt.»
Zu Wort kam auch Beat Wälchli als Vermittler der Skulptur. Robert Zemp lobte dessen Engagement. Er habe
dafür gesorgt, dass die Skulptur den Weg von Basel in den Oberaargau gefunden habe. Initiant Zemp strich nach dem Dank an den beratend zur Seite stehenden Architekten Angelo Michetti auch die «hervorragende Zusammenarbeit» mit Christian Rutschmann von der Wyler Steinbildhauerei GmbH sowie Simon Jost (Bauingenieur von der Wälchli & Partner AG) und Thomas Wehrli von der Firma Witschi AG heraus.
«Der grösste Dank aber gilt Ludwig Stocker, welcher der Kirchgemeinde dieses Kunstwerk in Form eines Geschenks überlassen hat», schloss Robert Zemp die gelungene Einweihung der Skulptur, die jetzt nicht mehr reformiert, sondern katholisch ist.

Von Hans Mathys