• Prägten den Neujahrsapéro auf dem Regierungsstatthalteramt Oberaargau in Wangen an der Aare: Nationalrätin Christine Badertscher und der neue Regierungsstatthalter Stefan Costa. · Bild: Walter Ryser

16.01.2023
Oberaargau

Eine rekordhohe Anzahl an Todesfällen

Die Corona-Pandemie hat auch in der Region Ober­aargau Spuren hinterlassen. Beim Neujahrsapéro des Regierungsstatthalters informierte Stefan Costa die Gemeinde- und Behördenvertretenden, dass in unserer Region im letzten Jahr eine rekordhohe Anzahl an Todesfällen registriert wurde.

Oberaargau · Der Langenthaler Stefan Costa hat letzten Sommer in einer nicht gerade einfachen Zeit das Amt als neuer Oberaargauer Regierungsstatthalter von Vorgänger Marc Häusler übernommen. Bei seinem ersten Neujahrsapéro mit den Gemeinde- und Behördenvertretern blickte er deshalb auf ein aussergewöhnliches Jahr zurück. «Krisen hat es schon immer gegeben, doch dass diese auf einmal in gehäufter Form und in rascher Folge auftreten, ist neu für uns», sprach er die schwierige Lage mit dem Ukraine-Krieg, der drohenden Energiekrise, den Corona-Nachwehen sowie der Teuerung an. Es komme gerade viel zusammen, stellte er nachdenklich fest. Dies spüre man in der Gesellschaft, sagte der Regierungsstatthalter. «Ich habe das Gefühl, dass die Leute dünnhäutiger geworden sind.»

Baubewilligungen bereiten Sorgen
Costa gab zu verstehen, dass er dafür zwar Verständnis habe, zugleich aber auch ein wenig irritiert sei, «denn uns geht es nach wie vor sehr gut. Aber vielleicht müssen wir wieder lernen, mit gewissen Unsicherheiten zu leben», betonte er. Erschrocken sei er bei der Aufbereitung der Jahresbilanz über die Anzahl Todesfälle in der Region im letzten Jahr, sagte er. Mit 835 Todesfällen verzeichne man eine rekordhohe Anzahl. Costa vermutet einen Zusammenhang mit dem
Corona-Virus. Er wies darauf hin, dass man vor der Pandemie im Schnitt pro Jahr über 100 Todesfälle weniger registriert habe.
Leicht zurückgegangen sind dafür die Fälle Häuslicher Gewalt, von denen sich letztes Jahr deren 99 ereigneten (im Jahr zuvor 110). Dafür hätten Zwangsräumungen von Wohnungen in den letzten Jahren stark zugenommen (von 18 im Jahre 2019 auf 26 im letzten Jahr), erläuterte Stefan Costa weiter. Stark beschäftige die Verwaltungen aktuell auch die Digitalisierung. Zwar sei man hier gut auf Kurs, aber der Weg erweise sich oft als umständlich und holprig. Ein grosses Anliegen sei ihm letztes Jahr die Vereinigung Junger Gemeindepolitiker Oberaargau gewesen, die man versuche, weiterhin zu unterstützen. «Wir wollen junge Menschen motivieren, ein politisches Amt zu übernehmen.»
Sorgen bereitet ihm die Arbeitsbelastung im Bauwesen, einem Kerngeschäft des Regierungsstatthalteramtes. Die Anzahl an Baubewilligungen sei seit Jahren steigend, informierte Stefan Costa. Im letzten Jahr waren es mit 245 zwar leicht weniger als im Jahr zuvor (286), dazu kamen aber noch 105 unbearbeitete Gesuche aus dem Vorjahr. Ende Jahr konnte der Bestand an offenen Baubewilligungen auf 97 reduziert werden. Für den Regierungsstatthalter ist aber klar, dass die Baubewilligungs- und Baupolizeiverfahren auch künftig eine grosse Herausforderung für Gemeinden und den Kanton darstellen werden. Dies bedeute, dass die Arbeitsbelastung weiter steige und auf hohem Niveau verharren werde.
Hinderlich sei diesbezüglich vor allem die oftmals mangelnde Qualität der eingereichten Gesuche, erwähnte er. Dazu kämen vermehrt Einsprachen und die Gesuchsteller würden sich immer mehr durch Anwälte vertreten lassen, die nicht selten Fristverlängerungsgesuche einreichen würden. Die Komplexität der Verfahren führe zu einem erhöhten Koordinationsaufwand. Verschärft werde die ganze Thematik durch den herrschenden Fachkräftemangel, erläuterte Stefan Costa.

Huttwilerin wird Stellvertreterin
Erfreut gab er deshalb bekannt, dass es gelungen sei, nach dem Abgang von Christian Aebersold die Leitung der Rechtsabteilung im Regierungsstatthalteramt wieder zu besetzen. Diese Aufgabe wird auf den 1. April Flurina Donatsch übernehmen, die zugleich die Stellvertreterfunktion von Regierungsstatthalter Stefan Costa übernehmen wird. Die in Bern wohnhafte, aus Huttwil stammende, 30-jährige Rechts­anwältin arbeitet aktuell als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Rechtsabteilung des Regierungsstatthalteramtes Seeland. Aebersold war knapp zehn Jahre auf dem Regierungsstatthalteramt Oberaargau tätig und hat sich entschieden, sich beruflich neu auszurichten. Trotz der Anstellung von Flurina Donatsch bestehe weiterer Personalbedarf, erläuterte Stefan Costa und wies darauf hin, dass man noch eine Person als wissenschaftliche Mit­arbeitende mit 50 bis 70 Stellenprozenten suche, um die steigenden Anforderungen im rechtlichen Bereich bewältigen zu können.
Auf Ende Jahr sind im Verwaltungskreis Oberaargau insgesamt vier Gemeindepräsidenten und eine Gemeindepräsidentin von ihrem Amt zurückgetreten: Kurt Bläuenstein (Aarwangen), Ulrich Jäggi (Melchnau), Daniel Beck (Niederönz), Marianne Burkhard (Roggwil) und Stefan Herrmann (Rütschelen). Sie wurden durch folgende Personen ersetzt: Niklaus Lundsgaard-Hansen (Aarwangen), Regula Heimberg (Melchnau), Josef Lustenberger (Niederönz), Benjamin Kurt (Roggwil) und Fritz Leuenberger (Rütschelen).
Zum Schluss seines ersten Neujahrs­apéros unterhielt sich Regierungsstatthalter Stefan Costa mit der Madiswiler Grünen-Nationalrätin Christine Badertscher. Diese gewährte einen Einblick in ihre erste Amtszeit als nationale Parlamentarierin und ihre Kommissionstätigkeiten. Dabei machte sie klar, dass sie sich wünschen würde, dass Regierung und Verwaltung vermehrt Rücksicht auf landwirtschaftliche Anliegen nehmen oder diesen zumindest Gehör verschaffen würden.

Von Walter Ryser