• Mit geladenen Gästen und zahlreichen Langenthalerinnen und Langenthalern wurde die Preisverleihung gefeiert. · Bild: Leroy Ryser

01.07.2019
Langenthal

Eine Stadt feiert sich selbst

Die Stadt Langenthal hat vom Schweizer Heimatschutz den Wakkerpreis 2019 als fünfte Gemeinde im Kanton Bern erhalten. Einen ganzen Tag lang feierte die Stadt dieses Ereignis, mit Frühstücks-Matinee, diversen Führungen, einem offiziellen Festakt und einer Freinacht. «Langenthal zeigt, wie es geht», lobte Martin Killias, Präsident Schweizer Heimatschutz die Stadt für Ihr Engagement bei der Siedlungsentwicklung.

«Stell Dir vor, die Stadt Langenthal erhält den Wakkerpreis und keiner geht hin.» Dieses leicht abgeänderte Zitat dürfte dem einen oder andern in den Sinn gekommen sein, als er am Festtag der Wakkerpreisverleihung früh morgens in der Langenthaler Marktgasse zur angekündigten Matinee mit Beiträgen der Musikschule erschien. Bei prächtigstem Sommerwetter verlor sich eine Handvoll Personen im extra für den Anlass aufgestellten Festzelt vor dem «Choufhüsi». Dabei wies nicht bloss das Festzelt in der Marktgasse darauf hin, dass ein besonderer Tag bevorstand, sondern auch die zahlreich vor den Geschäften platzierten Blumentöpfe, mit denen die Detaillisten ihrer Stadt zur Verleihung des Wakkerpreises gratulierten. Bei Kaffee, Gipfeli und Musikbeiträgen erfolgte der Startschuss zu einem reichhaltigen Festprogramm, das mit einer Frei-nacht endete.
Was äusserst zaghaft begann, erhielt dann gegen Mittag vermehrt Schwung. An den diversen Führungen durch das Stadtzentrum (Kunsthaus, Schulzentrum Kreuzfeld, Wuhrplatz, Alte Mühle, Stadttheater), beim Bahnhof oder auf dem Porziareal beteiligte sich die Bevölkerung «wakker». Die Informationen und Einblicke, die man auf den diversen Führungen erhielt, liessen selbst alteingesessene Langenthaler staunen. So wurde einem beispielsweise während eines einstündigen Rundgangs durch das Porzi-Areal so richtig bewusst, dass es sich hier um ein äusserst geschichtsträchtiges Quartier handelt, das über riesige, für viele völlig unbekannte Gebäude und Räumlichkeiten verfügt, in denen zwischen 1906 und 1998 das Langenthaler Porzellan hergestellt wurde, das in seiner Blütezeit ein weltweit bekanntes Langenthaler Wahrzeichen war.

Porzi-Areal gehört zur DNA
«Das Areal stellt deshalb einen Teil unserer DNA dar», hält Stadtpräsident Reto Müller immer wieder fest. «Das Porzi-Areal gehört zu unserer Identität und es soll auch weiterhin Teil dieser Stadt bleiben», bekräftigt der «Stapi». Die Besucher der Porzi-Führungen konnten unschwer feststellen, dass bei etlichen Gebäuden dringender Handlungsbedarf besteht. Deshalb soll das Areal, in den nächsten Jahren entsprechend entwickelt werden, unter Berücksichtigung der geschichtsträchtigen Baukultur auf dem Areal, deren Charakter man erhalten will. Pläne liegen vor, stossen jedoch vorab beim Verein Porzi-Areal auf Gegenwehr (der «Unter-Emmentaler» berichtete), der um die Existenz der rund 70 ansässigen Firmen, Vereine und Institutionen fürchtet, die auf dem Areal ansässig sind und die verschiedenen Gebäude als Mieter zwischennutzen.

Eine Stadt, die sich einmischt
Nichts desto trotz erhielt Langenthal den Wakkerpreis nicht zuletzt aufgrund der umsichtigen und werterhaltenden Planung beim Porzi-Areal, was bei der offiziellen Preisübergabe mehrfach gewürdigt wurde. «Man trägt in dieser Stadt Sorge zu Bestehendem, ist offen für Neues und Stolz auf das Erreichte», lobte beispielsweise Dorothée Schindler, abtretende Präsidentin Berner Heimatschutz. Daniela Saxer, Präsidentin Kommission Wakkerpreis sprach den neuen Trend beim Bauen an, mit der Siedlungsentwicklung nach innen. Damit würden sich viele Gemeinden schwertun, weil dies anspruchsvoll und herausfordernd sei. «Langenthal ist jedoch eine Gemeinde, die bereit ist, diesen Weg zu gehen. Sie ist eine Stadt, die sich einmischt, wenn es um die Entwicklung sensibler Gebiete geht und auch die Menschen an diesem Prozess beteiligt und mit ihnen in eine Diskussion tritt. Das zeigt, dass in dieser Stadt die Baukultur einen hohen Stellenwert geniesst.»

Langenthal zeigt, wie es geht
Martin Killias, Präsident Schweizer Heimatschutz sagte, dass er in den letzten Monaten oft in Langenthal gewesen sei und immer wieder die schönen Bauten im Stadtzentrum bewundert habe. «Der Ort verfügt über ein reiches und stolzes Erbe.» Auch die Langenthaler hätten kein Patentrezept für die künftige städtebauliche Entwicklung, «aber hier ist ein grosser Wille spürbar, die Siedlungsentwicklung anzugehen. Langenthal zeigt, wie es geht», lobte Killias und übergab den Wakkerpreis feierlich Stadtpräsident Reto Müller. Dieser enthüllte anschliessend eine Tafel, die an das besondere Ereignis im Jahr 2019 erinnert und beim «Choufhüsi» angebracht wird. Die Verleihung des Wakkerpreises drücke aus, dass Langenthal für den Kanton Bern Vorbildcharakter habe, zeigte sich die Berner Regierungsrätin Evi Allemann erfreut, dass mit der Oberaargauer Gemeinde bereits die fünfte Wakkerpreis-Auszeichnung in den Kanton Bern geht, seit der Preis 1972 erstmals verliehen wurde. «Es ist ein Preis für die Anerkennung der gelebten Sorgfalt mit der Baukultur. In Langenthal ist man sich seiner Geschichte bewusst und lebt dennoch nicht in der Vergangenheit, die Stadt betreibt eine vorausschauende Entwicklung», lobte die Regierungsrätin.
Zuletzt hatte Stadtpräsident Reto Müller die Ehre, den Preis und die vielen lobenden Worte zu verdanken. Er gab zu verstehen, dass er in den letzten Wochen immer wieder gefragt worden sei, warum denn ausgerechnet Langenthal den Wakkerpreis erhalte. «Mehrere Leute haben in den letzten Jahrzehnten und bis heute dazu beigetragen, das kulturelle und bauhistorische Vermächtnis zu pflegen und weiter zu entwickeln», entgegnete er. Mit dem Preis könne man nun definitiv sagen, dass sich die Bemühungen und Anstrengungen der Behörden und aller beteiligten Privaten bis hin zu den Stimmbürgern gelohnt hätten.
Als Schlüssel zum Erfolg nannte Müller einen tragfähigen Dialog aller Beteiligten. «In Langenthal wurde immer wieder ausgehandelt, wie und mit welchen Massnahmen man zum besten Ergebnis kommt. Dabei werde abgewogen, ob sich ein Eingriff rechtfertigen lasse oder nicht. «Nur so kann man sich erklären, dass Langenthal trotz zahlreicher Neubauten über mehrere Generationen insgesamt nicht an städtebaulicher Attraktivität verloren hat», hielt Müller fest. Spätestens jetzt sollte jedem klar sein, weshalb Langenthal seit heute eine stolze Wakkerpreis-Trägerin sei, stellte der Stadtpräsident abschlies-send mit grosser Genugtuung fest.

Von Walter Ryser