• Lars Camichel im Dress der Berner-Auswahl am Bibi-Torriani-Cup im September 2023. · Bilder: Doris Camichel

26.09.2023
Sport

Eishockey ist sein Leben

Der 13-jährige Lars Camichel spielt Eishockey. Nicht nur so nebenbei, er spielt richtig gut Eishockey. Er gehört zu den 20 Besten im Kanton Bern mit Jahrgang 2010. Der Eriswiler spielt beim SC Langenthal in der U15-Elit-Mannschaft. Sein Traum: Die NHL. Dafür tut er alles. Seit Anfang Schuljahr ist er Mitglied im Förderprogramm «Talent» an der Schule Hofmatt in Huttwil. Das heisst für ihn Schule und ganz viel Training. Happige Tage mit wenig Freizeit. Doch für Camichel stimmt es so, denn Eishockey ist sein Leben.

Eishockey · Mit dreieinhalb Jahren hat das junge Talent mit dem Eishockeyspielen angefangen. «Ich habe einfach immer schon Freude am Eishockeyspiel gehabt», sagt Lars Camichel und zuckt schüchtern mit den Schultern auf die Frage warum. Seine Mutter Doris Camichel ergänzt lächelnd: «Obwohl er sich lange nur mit einem Bein vorantrieb, war er immer der Schnellste.» In der Altersstufe U13 schaffte er erstmals den Sprung in die Berner Auswahl. Die nächste Herausforderung wird die Ausscheidung für die Besten der U15 sein. Auch hier hofft Camichel, dass er wieder zu den Besten gehören wird. Dafür arbeitet er hart. Sehr hart. Der Eriswiler spielt als Center und linker Flügel mit der Nummer 17 auf dem Rücken (seine Glückszahl ist die 13). Als Stürmer gibt Lars Camichel immer Vollgas. «Ich bin schon konzentriert auf dem Eis», sagt er. Seine Mutter bestätigt dies: «Bei einem Match bemerkt er mich jeweils nicht, ist voll und ganz konzentriert und lässt sich nicht ablenken.»

Die Talent-Schule besuchen
Durch seine guten Leistungen und der Empfehlung seiner Trainer beim SC Langenthal konnte sich Lars Camichel für das Förderprogramm an der Schule anmelden und ist nun seit Anfang diesem Schuljahr einer von vier Hockeyspieler im Förderprogramm Talent, welches neu unter dem Label «Swiss Olympic Partner School» auftritt. In Huttwil sind in diesem Jahr insgesamt elf Talente aus den Bereichen Musik, Tanz und Sport ab der siebten bis zur neunten Klasse im Programm. Doch wie sieht so eine Förderschule aus? Was bedeutet dies für das junge Talent Lars Camichel? Eigentlich ist er ein ganz normaler Schüler, der mit den anderen Klassenkameradinnen und Kameraden in der Schulstube sitzt und brav lernt. Er hat einfach ein bisschen ein anderes Programm: Oft ist er nicht da oder kommt später. Nämlich dann, wenn er Training hat. Und das kommt ziemlich oft vor. Ganze zwölf Stunden haben die Talente gegenüber den «normalen» Schülerinnen und Schüler weniger Schule. Cool, oder? «Die Stunden werden in den Schulaufgabenstunden nachgeholt», antwortet Lars. Also nix da von weniger Schule. Nur eben zu anderen Zeiten, neben
und um das Training herum. Am Montagabend, Dienstagvormittag und -abend, Mittwochabend, Donnerstagvormittag sowie am Freitagabend ist Training – entweder in Huttwil oder Langenthal – angesagt. Ganze acht Stunden Training kommen so zusammen. An den Wochenenden finden meistens die Meisterschaftsspiele statt. Aktuell spielt er im U15-Elit-Team von Langenthal. Zwei seiner Teamkollegen sind die Huttwiler Tim Habisreutinger und Joël Flückiger.
Der Wochenplan ist straff und gleicht oder übertrifft sogar einen 100-Prozent-Job. Als Beispiel dient etwa der Dienstag: Start der Schule ist um 7.30 Uhr. Ab 10.15 Uhr findet das Training statt. Um 13.30 Uhr drückt Lars Camichel wieder die Schulbank bis um 16.05 Uhr. Nach einer knappen Stunde Erholung beginnt schon wieder das Training. Oft wird es nach 21.30 Uhr, bis der 13-Jährige zu Hause ist. «Ich setzte mich jeweils zu meinem Sohn an den Tisch, wenn er noch etwas isst, das ist mir sehr wichtig und eigentlich sind dies fast die einzigen kurzen Momente, die ich mit ihm alleine bin», erzählt Mutter Doris Camichel. Und schon muss Lars ab in die Federn, denn am nächsten Tag geht es im gleichen Rahmen weiter. Gab es auch schon Tage, an denen er keine Lust hatte? «Ja, das gab es auch schon. Aber ich gehe dann trotzdem ins Training», antwortet er. Freizeit bleibt bei so einem straffen Programm wirklich kaum mehr übrig. Wenn, dann noch am Mittwochnachmittag, an dem er gerne Freunde trifft. Aber auch Relaxen und Runterfahren, wie er sagt – etwa beim Gamen – seien ihm sehr wichtig, um für das Eishockey jederzeit fit zu sein. Hat die Mutter nicht manchmal Angst, dass es zu viel wird? «Am Anfang hatte ich schon Respekt und etwas Angst, ob er all dem gewachsen sei. Mittlerweile muss ich sagen, dass er es sehr gut und selbstständig macht. Ich muss nichts pushen, er macht wirklich alles selbst», sagt sie anerkennend.

Der Plan B
Aber auch die Schule ist wichtig, denn falls es mit der Profikarriere nicht klappen sollte, ist es wichtig, einen Plan B im Ärmel zu haben. Dessen ist sich Lars Camichel bewusst und auch die ganz klare Haltung seiner Mutter. «Lars darf seinen Traum leben, wir unterstützen ihn und stehen hinter ihm. Wirklich als Profi in der NHL zu spielen und sich damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist ein sehr harter und langer Weg, den nur wenige schaffen. Daher ist ein Plan B ein Muss», erklärt sie. Lars Camichel möchte nach der Schule gerne das KV absolvieren. «Es gibt viele Firmen, die eine sogenannte Sportlehre anbieten und unterstützen. Die Lehre wird in vier statt drei Jahren absolviert, sodass das Training weitergeführt werden kann», erklärt die Mutter. Der Weg des Eriswiler Talents wird sich zeigen. Wer weiss, vielleicht wird er ja auch entdeckt und kann nach der Schule in die NHL nach Amerika oder Kanada gehen …

Unterstützung durch ganze Familie
Viel von der Eishockey-Karriere von Lars Camichel ermöglicht seine Mutter. Sie investiert viel Zeit, ist die stetige Chauffeuse, die zwischen Wohnort, Schule und Eishalle pendelt. Auch die finanzielle Belastung ist spürbar. «Wir haben uns als Familie für den Weg, den  Lars eingeschlagen hat, entschieden. Wenn er Freude am Eishockey hat, dann freue ich mich auch. Denn ich bin der Meinung, Kinder sollen ihren Traum leben dürfen und dafür auch die nötige Unterstützung bekommen, ob es nun gut oder schlecht läuft. Ich akzeptiere seinen Weg und stehe jederzeit hinter ihm», sagt sie bestimmt. Das zeigt sich dann auch an den Wochenenden, wenn Doris Camichel und ihr Lebenspartner Simon Lanz in den Eisstadien stehen und die Matches von Lars Camichel besuchen. «Mein Partner unterstützt uns sehr, übernimmt auch Fahrten und kümmert sich liebevoll um meine beiden Jungs», sagt Doris Camichel sichtlich dankbar. Obwohl sich eigentlich alles um das Eishockey dreht und vieles an den Jüngsten in der Familie angepasst werden muss, achtet Doris Camichel sehr darauf, auch Mauro, dem zwei Jahre älteren Bruder von Lars, gerecht zu werden. «Ich nehme mir bewusst Zeit für Mauro, meistens dann, wenn Lars im Training ist», sagt sie. Auch Mauro Camichel spielte als Goalie viele Jahre Eishockey, pfiff danach als Schiedsrichter Spiele und entschied sich später für Unihockey. Heute hütet er bei der U16-Mannschaft des UHC Black Creek das Tor.
Camichels sind eine eingeschworene Gemeinschaft und haben einen sehr grossen Zusammenhalt. So ist es Doris Camichel sehr wichtig, dass alle Familienmitglieder wenigstens eine Mahlzeit pro Woche, meistens am Wochenende, zusammen einnehmen können und einfach ein bisschen Zeit zusammen verbringen können. Manchmal sogar beim gemeinsamen Hockeymatch-Verfolgen vor dem Fernseher. «Das wiederum ist nicht so einfach, denn Lars und ich sind Fans vom HC Davos, Simon und Mauro unterstützen den HC Lugano. So gibt es jeweils viele Diskussionen und Streitpunkte. Vier Personen, vier Meinungen. Zudem kommentiert Mauro die Spiele aus Sicht eines Schiedsrichters, was es für alle anderen nicht einfacher macht», erzählt sie lachend.

Nicht immer nur einfach
Es klingt harmonisch und einfach. Doch dies ist es nicht immer. Der Konkurrenzkampf im Nachwuchs-Eishockey ist gross. Der Weg zu einer Profikarriere hart und weit. Leider sei auch der Konkurrenzkampf zwischen den Eltern relativ gross, was Doris Camichel ein paar Mal schmerzlich erfahren musste. «Unterstützt eure Kinder für das, was sie sind und nicht für das, was sie machen», findet sie denn auch klare Worte dazu. Wo sieht sie ihren Sohn in ein paar Jahren? «Ich sehe ihn mit abgeschlossener Lehre in einer höheren Liga in der Schweiz spielen, ob es für die NHL reicht, weiss ich nicht. Es wird sich zeigen und er darf die Entscheidung für oder gegen das Eishockey immer selbst treffen. Ich wünsche ihm einfach, dass er gesund und unfallfrei bleiben darf.»

Von Marianne Ruch