• Die beiden Gruppen der Erwachsenenbläserklasse vereint. · Bild: Kevin Kläntschi

  • Das Leitungsteam der Erwachsenenbläserklasse: Kevin Kläntschi (links) Sabina Weyer­mann und Michael Marending. · Bilder: prkl

  • Elvira Grütter

  • Jens Weimar

  • Monique Schätzle

  • Patrick Tresch

12.12.2023
Oberaargau

Erwachsene lernen und musizieren gemeinsam

Im Erwachsenenalter ein Blasinstrument kennenlernen oder eines wieder hervornehmen, das man vielleicht vor langer Zeit

einmal gespielt hat: Die Erwachsenenbläserklasse des Klangwerk Mittelland ermöglicht diesen Traum mit gemeinsamem

wöchentlichem Musizieren.

Fokus · Dienstagabend nach acht Uhr. Aus dem Gebäude der Musikschule in Lan­genthal klingt Musik. Feine Flötentöne mischen sich mit den tiefen einer Tuba. Klarinetten und Saxophone setzen ein, dann Trompeten, Euphonium und Posaune. Rund 25 Männer und Frauen im Alter zwischen dreissig und fünfundsiebzig Jahren haben sich in zwei Gruppen zum gemeinsamen Musizieren gefunden. Sie sind Mitglieder der Erwachsenenbläserklasse.

Ein einzigartiges Musikprojekt im Kanton Bern
Hinter dem Projekt «Erwachsenenbläserklasse» stehen drei professionelle Musikbegeisterte: Kevin Kläntschi, Sabina Weyermann und Michael Marending. Kevin Kläntschi, Oberstufen- und Musiklehrer, Saxophonist und Mitglied des Oberaargauischen Musikverbandes, kannte aus Erfahrung das Problem für Erwachsene, das Spielen eines Blasinstrumentes zu erlernen oder Gelerntes aufzufrischen. Es gab kein entsprechendes Gefäss dafür. Der Einzelunterricht an der Musikschule behagt nicht allen. Die Blasmusiken bieten nur Kurse für Jugendliche an. Kevin Kläntschi kam zum Schluss, dass eine Erwachsenenbläserklasse mit je einer Anfänger- und einer Fortgeschrittenen-Formation diese Zielgruppe erreichen könnte. Gemeinsam mit Sabina We­yer­mann, Leiterin der Oberaargaui­schen Musikschule, Musikpädagogin und Musikerin, entwarf er ein entsprechendes Konzept. Jede erwachsene Person soll die Möglichkeit haben, im gemeinsamen Musizieren Fähigkeiten als Bläserin oder Bläser zu erwerben oder zu vertiefen. Nach entsprechenden Informationsabenden stand fest, dass das für den Kanton Bern einzigartige Projekt Erwachsenenbläserklasse auf Interesse stiess, einerseits bei den Blasmusiken, andererseits bei Erwachsenen, die sich den Traum vom Musizieren erfüllen wollen. Nach kurzer Zeit kamen in beiden Gruppen so viele Musikbegeisterte zusammen, dass daraus eine grosse Erwachsenenbläserklasse entstand. Zu Kevin Kläntschi, der die Anfängergruppe leitet, und Sabina Weyermann stiess Michael Marending dazu. Der Klarinettist, Musikpädagoge und Mitglied der Leitung der Oberaargauischen Musikschule übernahm die Fortgeschrittenengruppe.

Die Trägerschaft
Die Erwachsenenbläserklasse wird vom Klangwerk Mittelland getragen. Sa­bina Weyermann ist Mitglied der Geschäftsleitung. Die GmbH mit Sitz an der Turnhallenstrasse 22 in Langen­thal besteht mehrheitlich aus Anteilen des Fördervereins der Oberaargaui­schen Musikschule «pro musica». Hauptaufgabe des Klangwerk Mittelland ist die Förderung von Erwachsenen im Bereich Musik. Für wen die Hürde zum Einzelunterricht zu hoch ist, der hat nun Gelegenheit, sich in der Erwachsenenbläserklasse ohne Druck musikalisch zu entwickeln. «Gemeinsam Musizieren verbindet die Menschen und motiviert», ist Sabina Weyermann überzeugt. Und sie kündigt an, dass ab Sommersemester 2024 eine Streicherklasse mit demselben Ziel angeboten wird.

Elvira Grütter aus Thörigen ist seit dem Beginn der Proben im August Mitglied der Anfängergruppe und spielt Altsaxophon. Einerseits liebt sie dieses Instrument von der Pop- und Rockmusik her, andererseits wurde sie durch ihren Sohn motiviert, der früher dieses Instrument in verschiedenen Formationen gespielt hatte. Sie besucht nebenbei keinen Musikunterricht, bringt sich jedoch die Technik mit youTube-Videos selbst bei. Ein konkretes Ziel, wie sie eines Tages das Erlernte umsetzen möchte, hat sie nicht. «Ich spiele für mich selbst.» Aber sie plant, die vorgesehenen zwei Jahre in der Erwachsenenbläserklasse zu bleiben. Denn sie schätzt das gemeinsame Musizieren und die fröhliche Atmosphäre, die bei den Proben herrscht.

Jens Weimar aus Madiswil hat sich das Euphonium seines angenehmen und warmen Klanges wegen ausgewählt. Es erinnert ihn an seine eigene Stimmlage, den Bariton. Die Harmonie-Blasmusik hat ihn immer schon fasziniert. Aus diesem Grund wollte er ein Blasinstrument spielen lernen. Auf die Erwachsenenbläserklasse aufmerksam wurde er durch einen Aushang in der Oberaargauischen Musikschule. Er besucht derzeit keinen Musikunterricht, ist aber als Sänger bei den Rütscheler Singlüt mit Musik seit Langem vertraut. Zudem hat er sich vorgenommen, regelmässig zu üben. Was ihn an den Proben fasziniert, ist der gemeinsam erzeugte schöne Klang. Und er freut sich, eines Tages mit den Fortgeschrittenen zu musizieren.

Monique Schätzle aus Langenthal spielt bei den Fortgeschrittenen die Querflöte. Bereits im Kindergarten hatte sie Blockflöten-Unterricht. Ihr Traum war aber schon damals, eines Tages auf einer Querflöte zu spielen. Es folgten zuerst viele Jahre Klavierunterricht. Doch das einsame Spielen im stillen Kämmerchen befriedigte sie nicht. Um gemeinsam mit anderen Menschen zu musizieren, trat sie einem Chor bei. Heute ist sie Mitglied des Konzertchors Oberaargau.1996 erfüllte sie sich ihren Kindheitstraum und nahm Querflöten-Unterricht bei der bekannten Flötistin und Musikpädagogin Kathrin Oplatka. Sie hofft, nach den zwei Jahren in der Erwachsenenbläserklasse eine neue Möglichkeit des gemeinsamen Musizierens zu finden.

Patrick Tresch aus Oberbipp hat die Trompete gewählt. An diesem Instrument gefällt ihm besonders, dass ihm im Ensemble oder Orchester meist die Melodie zukommt. Acht Jahre hatte er in seiner Jugendzeit Unterricht gehabt, dann folgte eine lange Pause. Dass er wieder zur Trompete griff, hat mit seiner Partnerin zu tun, die Saxophon spielt und mit der er gerne gemeinsam musiziert. Er suchte zudem ein passendes Ensemble, um das Gelernte wieder zu aktivieren. Dabei stiess er auf das Inserat, das die Gründung der Erwachsenenbläserklasse ankündigte, und trat der Fortgeschrittenengruppe bei. Nach Abschluss der zwei Jahre plant er, einen Platz in einer Big Band oder einer Jazz-Formation zu finden.

Von Prisca Rotzler-Köhli