• Ein weiteres Traditionsgeschäft, das Nähcenter Germann, hier an der Luzernstrasse in Huttwil, wird geschlossen. · Bild: Yanick Kurth

21.11.2023
Huttwil

«Es braucht uns nicht mehr»

In Huttwil und Langenthal verschwindet ein weiteres und prominentes Traditionsgeschäft: Es trifft das Bernina-Nähcenter Germann, welches per Ende Januar 2024 aus wirtschaftlichen Gründen seine Türen endgültig schliessen muss.

Nach jahrelangem Kampf mit sinkenden Umsatzzahlen gibt das Bernina-Nähcenter Germann per Ende Januar 2024 auf. An der Luzernstrasse in Hutt­wil und an der Aarwangenstrasse in Lan­genthal gibt es somit bald keine Nähmaschinen mehr zu kaufen. Das traditionsreiche Bernina-Nähcenter Germann schliesst aus wirtschaftlichen Gründen nach fast 53 Jahren und in zweiter Generation seine Geschäfte. An den zwei Standorten ist der Räumungsverkauf bereits in vollem Gange. «Ausverkauf» heisst es in Grossbuchstaben an den Schaufenstern. Be­tritt man die Läden, sind überall Rabatte angeschrieben. Derzeit gibt es 20 Prozent Rabatt auf modische Stoffe, Bänder und Knöpfe, ab Dezember 2023 sind es dann 40 Prozent und im Januar 2024 satte 60 Prozent. Seit über fünf Jahrzehnten sind die Geschäfte eine Anlaufstelle für alle, die gerne nähen und stricken. Doch Ende Januar 2024 ist Schluss. Von der Schliessung betroffen sind sechs Angestellte. «Wir helfen den Mitarbeitenden, neue Arbeitsstellen zu finden», sagt Thomas Germann, Geschäftsführer des Unternehmens zum «Unter-Emmentaler».

Die Rechnung geht nicht mehr auf
Die Teuerungen in den letzten Jahren haben stark dazu geführt, dass die Leute sparen. Der Kauf der neuen Nähmaschine wird nach hinten verschoben und ist mehr und mehr zum Luxusprodukt geworden. Weiter gingen in den Geschäften auch die Frequenzen der Kundinnen und Kunden stetig zurück. «Es braucht uns nicht mehr. Hinzu kommt, dass die Margen auf unseren Produkten immer kleiner werden, die Fixkosten jedoch steigen», sagt Thomas Germann gegenüber dieser Zeitung. Mit den grossen Online-Händlern kann das kleine Geschäft zudem preislich nicht mithalten. Weiter habe das Online-Shopping die Lage in den letzten Jahren deutlich erschwert. «Unsere Rechnung ging nicht mehr auf – es ist für uns als Einzelfirma inzwischen eher fünf nach zwölf als fünf vor zwölf.» So blieb dem erfahrenen Geschäftsmann keine andere Möglichkeit als die endgültige Schliessung. «Der Entscheid ist keinesfalls leicht gewesen, dennoch habe man diesen nicht abwenden können», so Thomas Germann weiter, der den Betrieb seit 25 Jahren in zweiter Generation führt und im Jahr 1998 von seinem Vater übernommen hat.

Stammkundschaft ist abgewandert
Bei Geschäftsbeginn vor fünf Jahrzehnten hatten die Leute noch alle eigene Nähmaschinen zuhause und so wurden täglich Waren in den Nähcentern eingekauft. Genäht wird hingegen heute meistens nur noch als Hobby. Zu der Stammkundschaft zählten vor allem Damen- und Herrenschneiderinnen und -schneider. Die Preise waren hoch, das Material in guter Qualität und die Kundschaft zahlfreudig. «Stammkunden wie etwa Guggenmusiken wandern vermehrt zu unseren Lieferanten ab. Die Damen- und Herrenschneiderinnen -und -schneider zählen mittlerweile zu einer aussterbenden Spezies.» «Als ich mit meiner Frau im Jahr 1998 das Geschäft übernommen habe, hat sich das Kaufverhalten bereits stark verändert», führt Thomas Germann weiter aus. Doch damals liefen die Geschäfte noch. Weiter wurden auch die Qualitätsansprüche anders: Ein Mantel muss heute nur noch eine Saison halten – früher waren es zehn Jahre.

Gutscheine verfallen Ende Januar 2024
Die Geschäftsinhaber und das kompetente Team werden bis zur Schliessung aber noch vollumfänglich für ihre Kundinnen und Kunden da sein. Die Winter-Monate sind im Nähcenter Germann tendenziell die stärksten. Auch die Fasnacht liegt den Unternehmern am Herzen, und so wollen sie den Fasnächtlern noch ein letztes Mal die Gelegenheit bieten, coole Accessoires zu kreieren. Gutscheine können noch bis Ende Januar 2024 eingelöst werden, danach verfallen sie. Was mit den freiwerdenden Räumlichkeiten in Huttwil und Langenthal in Zukunft geschehen wird, ist derzeit noch unklar. Die zwei Liegenschaften, in denen sich die Nähcenter befinden, sind aber nicht im Besitz der Unternehmer.

Von Yanick Kurth