• Beim Sieg gegen Finnland konnte die 19-jährige Huttwilerin Lara Christen ihr erstes Tor an Olympischen Spielen bejubeln. · Bild: Keystone

11.02.2022
Oberaargau

«Es ist mega cool, ein Tor zu schiessen»

Die Frauen-Eishockeynati der Schweiz spielt an den Olympischen Spielen im Viertelfinal gegen Russland. In der Gruppenphase feierte das Team von Colin Muller einen historischen 3:2-Sieg über Finnland. Dabei erzielte die 19-jährige Huttwiler Verteidigerin Lara Christen an ihren ersten Spielen ein Tor. Im Interview berichtet sie über ihre Erlebnisse im fernen China.

 

Winterolympiade · Lara Christen, wie gefällt es Ihnen im Olympischen Quartier?
Ich fühle mich wohl hier. Es gibt viele Sachen zu sehen. Ausserdem treffe ich immer wieder Athletinnen und Athleten von anderen Nationen. Allerdings sind alle vorsichtig und eher distanziert, weil sich niemand mit dem Coronavirus infizieren möchte und so ein Olympia-Out drohen würde.

Werden Sie gut behandelt?
Die im Olympiadorf arbeitenden Chinesen tragen zwar alle diese Ganzkörper-Schutzanzüge – sie sehen darin wirklich aus wie Marsmenschen –, sind aber sehr freundlich und zuvorkommend.  

Wie sind Sie mit dem Essen zufrieden?
Da habe ich in der Tat mehr erwartet. Es gibt ein Buffet, an welchem immer die gleichen Gerichte wählbar sind. Pasta, Reis oder Kartoffeln – und alles schmeckt, ohne jemanden beleidigen zu wollen, nicht wirklich gut.  

Wie vertreiben Sie sich die Zeit, wenn Sie nicht gerade mit Eishockey zu tun haben?
Im Olympischen Dorf kann ich mich – natürlich stets mit Maske – immer frei bewegen. Und da gibt es ganz viel zu sehen. Es gibt auch eine Shopping-Mall, wo ich mir Souvenirs kaufen kann. Dann gehe ich natürlich andere Sportarten schauen und unterstütze die Schweizer Vertreter bestmöglich. Bleibe ich im Zimmer, habe ich genügend Hausaufgaben für die Schule zu erledigen.

Zum Eishockey: Wie steht es mit der Eisqualität?
Es ist in der Eishalle sehr warm, weshalb das Eis eher ein bisschen weich ist. Ich würde die Qualität aber trotzdem als tipptopp bezeichnen.  

Beim grandiosen 3:2-Sieg über Finnland – der letzte Sieg gegen diese Nation datierte von 2012 – schossen Sie das 1:0. Was bedeutet Ihnen dieser Treffer?
Es spielt nie eine Rolle, wer die Tore erzielt, Hauptsache, die Schweiz gewinnt. Aber natürlich ist es mega cool, an meinen ersten Olympischen Spielen als Verteidigerin einen Treffer erzielen zu können.

Haben Sie den Puck im Zimmer?
Leider habe ich den Puck nicht erhalten.

Sie gewinnen in der Schweiz an Popularität. Das Schweizer Fernsehen spricht während den Direktübertragungen oft sehr lobend von Ihnen. Studiomoderator Sascha Ruefer erwähnte Sie als eine junge aufstrebende Spielerin aus «Huttu». Was bedeutet Ihnen diese Aufmerksamkeit?
Es ist schön, wenn dies so ist. Damit dies möglich ist, brauche ich viel Eiszeit. Und die gibt mir Trainer Colin Muller. Dies wiederum zeigt mir, dass er mir vertraut und auf mich setzt. Ich kann damit auch etwas Werbung für das Fraueneishockey in der Schweiz machen. Wenn dies ein kleines Mädchen hört, überlegt es sich vielleicht, das Eishockey auch einmal auszuprobieren. Eine grössere Breite würde dem Fraueneishockey in der Schweiz gut tun.

Haben Sie nach Ihren starken Leistungen auch von Trainer Colin Muller ein positives Feedback erhalten?
Das habe ich, ja. Doch nach den hohen Niederlagen gegen Kanada, Russland und USA war es nicht angebracht, zuviel zu loben. Täglich pflegen wir den Austausch. Und ich bin Colin auch über Kritik dankbar. Davon kann ich lernen und besser werden.

Wie sieht es sportlich aus? Kanada und USA liegen ausser Reichweite, oder?
Diese beiden Nationen sind für uns in der Tat unantastbar. Es war für mich aber trotzdem ein Highlight, gegen diese zwei Topnationen spielen zu dürfen.

Wer ist Kronfavorit für den Olympiatitel?
Für mich ist dies ganz klar Kanada.

Ist Russland oder Finnland stärker einzustufen?
Sie spielen beide auf einem hohen Niveau. Trotzdem haben wir im August an der WM gezeigt, dass wir Russland schlagen können, und nun an den Olympischen Spielen besiegten wir Finnland. Dies zeigt uns, dass wir beide Teams schlagen können, wenn bei uns alles optimal läuft. Im Viertelfinal bekommen wir es nun noch einmal mit Russland zu tun.

Was folgt nach einem eventuellen Sieg gegen Russland im Viertelfinal morgen Samstag (ab 5.10 Uhr), für den die Schweiz – so will es der Modus – schon vor dem Turnierstart qualifiziert waren?
Dann wartet die Herkulesaufgabe gegen Kanada oder USA. Egal gegen welchen Gegner – es wird brutal schwierig. Doch es ist immer noch Sport. Jedes K.o.-Spiel muss zuerst gespielt werden. Stehen wir hinten gut und kriegen vorne einige Abschlussgelegenheiten – wer weiss ...

Was ist in diesem Turnier möglich für die Schweiz?
Die Bronzemedaille ist das klare Ziel. Ich werde alles dafür geben, damit wir dies mit einem starken Kollektiv erreichen können. Gegen Finnland haben wir gezeigt, was möglich ist, wenn alle am gleichen Seil ziehen.

Resultate: Vorrunde, Gruppe A: Kanada – Russland – Schweiz 5:2; Schweiz 12:1; Schweiz – USA 0:8; Schweiz – Finnland 3:2. – Schlussrangliste: 1. Kanada, 12; 2. USA, 9; 3. Finnland, 3 (10:19); 4. Russland, 3 (6:18); 5. Schweiz, 3 (6:27). – Viertelfinal: Schweiz – Russland, Samstag, 12. Februar, 5.10 Uhr.

Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Lara Christen, Eishockeyspielerin aus Huttwil