• Patrick Schenk langt kräftig hin. Hier anlässlich des «Emmentalischen» 2019 gegen den Bolliger Willy Graber. · Bild: Stefan Leuenberger/Key.

18.02.2021
Sport

«Es ist wie eine Sucht, die ich nicht stillen darf»

Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Patrick Schenk, Schwingklub Sumiswald – Ganz besonders hart trifft die Pandemie den Schweizer Nationalsport Schwingen. Der «UE»-Sport unterhielt sich mit dem zweifachen «Eidgenossen» Patrick Schenk (26) vom Schwingklub Sumiswald über die schwierige Situation.

Schwingen · Ziemlich genau vor einem Jahr, am 22. Februar 2020, bestritten Sie am Hallenschwinget in Büren Ihren letzten Ernstkampf. Sie dürften gute Erinnerungen daran haben.
In der Tat. Ich war seit neun Jahren der erste Nicht-Seeländer, der dieses Fest gewinnen konnte. Weil der Schlussgang zwischen Remo Käser und Florian Gnägi gestellt ausging, konnte ich den Festsieg erben.

Seither ist wegen Covid-19 Funkstille. Wie sehr vermissen Sie den Sägemehl-Kampf Mann gegen Mann?
Ich vermisse meinen Sport extrem. Ich befand mich in ausgezeichneter Form, als der Stecker gezogen wurde. Es ist enorm schwierig. Nach so langer Zeit ohne Ernstkampf juckt es mich dermassen. Alle Wettkampfsportler können mich verstehen. Die Situation ist sehr bitter.

Sind Sie böse darüber, dass die Topsportler fast aller Sportarten im Einsatz stehen, während der Schwingsport komplett ruht?
Ich habe keinen Grund dazu, böse zu sein. Ich bin aber etwas traurig und irgendwie auch ein bisschen eifersüchtig. Ich würde so gerne auch wieder meinen Sport ausüben. Allerdings ist mir  völlig bewusst, dass unser Kontaktsport, bei dem sich Schwinger aus allen Landesteilen ganz nahe kommen, unter den herrschenden Umständen nicht möglich ist.  

In den letzten Wochen hat der Eidgenössische Schwingerverband an einer Möglichkeit gearbeitet, dass der Schwingsport, zumindest für einen Teil der Schwinger, bald wieder ausführbar sein wird. Dazu nötig wäre eine Teilöffnung des Amateurstatus der Schwinger hin zum Profibetrieb gewesen. Diese kam nicht zustande. Der Schwingsport bleibt damit vorläufig zu 100 Prozent Breitensport.
Die ganze Situation ist schwierig. Ich bin hin- und hergerissen. Fakt ist,dass wir keine Profis sind, obwohl einige Schwinger einen immensen Trainingsaufwand betreiben, denn die Schwinger gehen einer Arbeit nach. Den Ansatz, nur einen Teil der Schwinger trainieren zu lassen, ist auch heikel. Die Schwinger sollen alle gleich behandelt werden. Handkehrum: Die Spitzenschwinger, welche täglich hart trainieren und soviel Aufwand betreiben, üben den Sport ein bisschen anders aus als Schwinger, die einmal wöchentlich in den Schwingkeller gehen. Für mich ist es schlimm, dass ich meine grosse Passion schon so lange nicht ausüben darf. Es ist wie eine Sucht, die ich nicht stillen darf.

Mit dem Beibehalten des Breitensport-Status steht jedoch fest: Der Schwingsport wird im Moment nicht geöffnet.
Das stimmt leider. Es braucht die Lockerungen des Bundesrats, um zum Schwingtraining zurückkehren zu können.

Bereits wurden erste Schwingfeste von 2021 abgesagt oder verschoben. Was glauben Sie: Ist heuer überhaupt etwas möglich im Schwingsport?
Alles, was ich tun kann, ist hart zu trainieren, um bereit zu sein, wenn es los geht. Natürlich sehne ich die Wiederkehr herbei, ja ich brenne dafür. Ich muss einfach positiv denken – auch wenn ein Ende der Pandemie derzeit nicht absehbar ist.  

An welchem Schwingfest haben Sie Ihre Wettkampfrückkehr geplant?
Die gewohnte Saisonplanung war aufgrund der speziellen Situation unmöglich. Ich werde aber raschmöglichst nach Wiederbeginn antreten, egal, um welches Fest es sich handeln wird.

Wann haben Sie zuletzt ein Schwingkeller-Training in Ihrem Verein, dem Schwingklub Sumiswald, absolviert?
Das fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Im Spätsommer war es. Es folgten vor dem kompletten Schwingsport-Stopp noch einige wenige Trainings im Oktober.  

Wie haben Sie sich während dieser langen Phase ohne Schwingtrainings fit gehalten?
Mit vielen Kraftraum-Einheiten. Als die Turnhallen und Fitnessstudios alle geschlossen wurden, haben wir Schwinger uns in Kirchberg einen eigenen Trainingsraum eingerichtet. Ich hatte das Glück, dass ich zusätzlich auch in Magglingen anlässlich des Spitzensport-WK’s Krafttrainings absolvieren konnte. Ich bin zuletzt auch öfters laufen gegangen. Sobald der Frühling kommt, gehört auch das Biken wieder zu meinem Training. Ich betreibe einen grossen Aufwand, um in Form zu bleiben. Gleichzeitig nutzte ich die mehr gewordene Freizeit für meine Bachelor-Arbeit.

Nicht alle Schwingsportler dürften motiviert sein, ausserhalb des Sägemehls hart zu trainieren. Wenn der Schwingsport wieder möglich ist, dürfte es darum mehrere Monate dauern, bis die meisten Schwinger körperlich und zweikampftechnisch für Wettkämpfe bereit sind.
Es gibt eine Regel. Die Schwinger müssen vier Wochen Trainingszeit haben, bevor Wettkämpfe stattfinden. Dies wird bei der Rückkehr berücksichtigt. Jeder Schwinger steht in der Selbstverantwortung. Wer den ganzen Lockdown über die Beine hochlagerte, wird es schwer haben, frühzeitig wettkampftauglich ins Sägemehl zu steigen.

Droht deshalb eine Verletztenflut?
Nein, das glaube ich nicht. Wer nicht parat ist, wird mit der Rückkehr warten. Möglich ist, dass Schwinger, die gut trainiert haben, überlegener auftreten. Aber dies wäre ja nur verdient. Was es wegen der langen Pause etwas mehr geben könnte, sind Schürfungen und Blasen.

Einerseits müssen sich die Schwinger im Sägemehl seriös auf Ernstkämpfe vorbereiten können, anderseits sollten raschmöglichst Feste stattfinden, da sonst die Jungschwinger dem Sport den Rücken zukehren und in stattfindende Sportarten wechseln.
Die ganz starken Jungschwinger werden bleiben. Aber bei der grossen Masse, die es auch im Schwingsport einfach braucht, besteht diese Gefahr ganz klar. Und dies wäre für die Zukunft unserer Sportart ganz schlecht.

Haben Sie während der langen Pause nie darüber nachgedacht, mit dem Schwingen aufzuhören?
Ganz sicher nicht. Es ist meine grosse Leidenschaft.

Sie verdienen Ihr Geld nicht mit dem Sport, sondern sind ausgebildeter Zimmermann. Trotzdem möchten Sie im Schwingen mit Sponsoren etwas Geld generieren. Ist dies momentan überhaupt möglich?
Ich darf mich glücklich fühlen. Trotz der Pandemie, die an der Wirtschaft zerrt, und der schwingfestlosen Zeit unterstützen mich meine Sponsoren zu 100 Prozent. Dafür bin ich unglaublich dankbar. Ich kann dadurch alle Trainingskosten begleichen und so den Schwingsport selbsttragend ausüben. Ich bemühe mich stets, den Sponsoren auch etwas zurückzugeben.

Ein Blick zurück: Als Siebenjähriger sind Sie erstmals in die Schwinghosen gestiegen. Erinnern Sie sich?
Eigentlich hätte ich Eishockey spielen sollen. Doch mein Grossvater war Schwinger. Ich wollte dies auch probieren und besuchte eine Schnupperlektion beim Schwingklub Sumiswald. Seither bin ich Feuer und Flamme für den Sport und auch den Klub.

Sie waren ein erfolgreicher Jungschwinger. Sie hielten das Niveau auch bei den Aktiven. In der Saison 2011 holten Sie Ihre ersten beiden Kränze. Bis heute sind es 34 Kränze. Zudem sind Sie zweifacher eidgenössischer Kranzgewinner (Estavayer 2016 und Zug 2019). Ihr persönliches Highlight?
Ganz klar das Eidgenössische Schwingfest in Zug. Diesen Wettkampf konnte ich auf konstant hohem Niveau absolvieren.

Und welches war Ihr bisher schönster Zweikampf?
Die schwingerisch schönsten Gänge, die alles beinhalten und bei denen ich am Ende sagen kann, dass es einfach «geil» war, erlebe ich im Training. Die Ernstkämpfe sind oft taktisch, womit die Schönheiten des Schwingsports – die mir so Freude bereiten – etwas auf der Strecke bleiben.  

Glauben Sie daran, einmal Schwingerkönig werden zu können?
Ich unterscheide zwischen höheren Zielen, die ich immer mit vollem Einsatz anstrebe, sowie Träumen wie jenem, einmal Schwingerkönig zu werden. Viele Jahre meiner Karriere habe ich davon geträumt, einmal den eidgenössischen Kranz zu gewinnen ...

In Ihrer Jugendzeit sagten Sie in einem «UE»-Interview, dass Sie auf das Biertrinken und das Rauchen verzichten, um im Schwingen besser zu sein.
Dies trifft immer noch zu. Okay, wenn ein Fest vorbei ist, gönne ich mir ein Bierchen. Dies ist aber die Ausnahme. Während der Schwingfestsaison trinke ich keinen Alkohol. Geraucht habe ich nie. Dafür ist mir der Sport zu wichtig.
Ich achte auch auf die Ernährung.

Und zuletzt – es ist leider zu einem Dauerthema geworden – die Frage betreffend Covid-19. Sind Sie und Ihr Umfeld bisher verschont geblieben?
In meinem gesamten Umfeld ist niemand an Corona erkrankt. Ich bin allerdings auch vorsichtig und bringe der Pandemie den nötigen Respekt entgegen.

Kurz gefragt

Bester Schwinger ever: Jörg Abderhalden, keine Frage.

Gerade so gut wie Schwingen: Es gibt nichts Ebenbürtiges.

Glückszahl: 47. Es gibt aber keine Begründung wieso.

Verletzungen: Die Saison 2012 musste ich verletzungsbedingt vorzeitig beenden, weil ich den Meniskus und das Innenband am linken Knie operieren musste.

Freundin: Ich bin schon über zwei Jahre lang Single. Irgendwann werde ich diesen Zustand wieder ändern. Doch der Sport steht im Zentrum.

Facebook: Habe ich. Ab und zu poste ich etwas.

Instagram: Darauf bin ich viel aktiver als auf Facebook.

WhatsApp: Für mich der Nummer 1-Nachrichtendienst. Alles läuft bei mir darüber.
 
Kreuzworträtsel: Mache ich gerne.

Süssigkeiten: Ich habe viel weniger Lust darauf als früher. Falls doch, dann mag ich Schokolade oder Gummibonbons.

Jahreszeit: Sommer = Schwingsaison.

Instrument: Ich spiele elektrische Gitarre. Während dem Lockdown hatte ich wieder etwas mehr Zeit dafür.

Gartenarbeit: Eigentlich mache ich diese nicht ungern. Doch an meinem Wohnort in Koppigen habe ich keinen Garten.

Putzen: Wenn es nötig ist, tue ich es. Ich mache es aber überhaupt nicht gerne.