• Pommes und panierte Schnitzel sollten nicht täglich zum Menü gehören. · Bild Walter Ryser

  • Ernährungsberaterin Madeleine Fuchs wies darauf hin, dass die Generation 65+ zu jener Personengruppe mit dem höchsten Zucker- und Fettkonsum zählt. «Im Alter sollte energieärmer, aber gleichzeitig nährstoffreicher gegessen werden.» · Bild Walter Ryser

08.11.2021
Oberaargau

Essen spielt im Alter eine wichtige Rolle

Welche Ernährung ist im Alter die Richtige? Mit dieser Frage beschäftigte sich das 19. Altersforum Oberaargau, weil rund 20 Prozent der älteren Leute, die sich in Spitalpflege befinden, Symptome von Mangelernährung aufweisen.

Oberaargau · Nicht ganz so viele Interessierte wie vor Corona fanden sich zum 19. Altersforum der Region Oberaargau in der Alten Mühle in Langenthal ein. Mit 30 anwesenden Personen war der Aufmarsch bescheiden, obwohl interessante Referate auf dem Programm standen, die sich mit aktuellen Themen befassten, die es heute in vielen Gemeinden und Institutionen im Zusammenhang mit Altersfragen zu lösen gilt.

Netzwerk oder Kooperation nutzen?
Dabei stellt sich für viele Gemeinden und Akteure als erstes die Frage, ob man sich bei der Bewältigung der Alters-Thematik lediglich auf das vorhandene Netzwerk stützen oder allenfalls Kooperationen mit anderen Beteiligten eingehen soll. Dr. Regula Ruflin von der Firma socialdesign ag in Bern leistete bei dieser Frage den Anwesenden Schützenhilfe. Sie erläuterte zu Beginn ihres Referates den Unterschied zwischen einem Netzwerk und einer Kooperation. Regula Ruflin wies darauf hin, dass Netzwerke über offene, unklare Grenzen und lose Strukturen verfügen würden. «Netzwerke sind ein Nährboden, sie schaffen Möglichkeiten», betonte die Referentin. Kooperationen dagegen hätten ein gemeinsames Ziel, klar definierte Partner, mit gegenseitigen Erwartungen. Eine Kooperation verfüge aber auch über eine gemeinsame Organisation, mit klaren Strukturen, Prozessen, Arbeitsweisen und Spielregeln. Die Partner würden aber eigenständig bleiben.
Beim Thema Alter gebe es viele Akteure, betonte Regula Ruflin und daher bestünden auch viele Möglichkeiten für Kooperationen. Sie machte die Anwesenden darauf aufmerksam, dass es vor dem Eingehen einer Kooperation vieles zu beachten und zu klären gebe. So müsse als erstes das gemeinsame Ziel festgelegt werden. Wichtig sei auch, allfällige Sorgen gleich zu Beginn transparent zu machen. Auch die Strukturen und die Arbeitsweise gelte es zu klären. So müsse festgelegt werden, wie gearbeitet werde, wer was mache oder wer wann entscheide. Weiter müsse der finanzielle Rahmen definiert werden. «Als ganz wichtig erachte ich, dass gemeinsam festgelegt wird, welche Kultur und Werte man leben und pflegen will.» Letztendlich müsse dann noch bestimmt werden, ob die eingegangene Kooperation rechtlich geregelt werden soll, mit einem einfachen Vertrag, einer Kooperationsvereinbarung oder einem Leistungsauftrag.

Mangelernährung ist im Alter ein Problem
Damit wurde beim Altersforum Oberaargau ein erster wertvoller Input gesetzt und den Anwesenden ein Gedankenanstoss mit auf den Weg gegeben. Der nächste folgte von Madeleine Fuchs-Kümin von der Ernährungsberatung Oberaargau, die seit 1999 besteht und in Langenthal beheimatet ist. Sie nahm sich dem Thema Ernährung im Alter an, unter dem Motto: Vom Mangel im Überfluss. Sie wies eingangs darauf hin, dass laut einer Studie rund 20 Prozent der älteren Personen, die sich in Spitalpflege befinden, Symptome von Mangelernährung aufweisen würden. Das sei erstaunlich, angesichts der Tatsache, dass wir im Bereich der Ernährung alles zur Verfügung hätten, was nötig sei. «Es ist deshalb wichtig, zu schauen, wie wir älter werden, weil es darum geht, auch im Alter eine möglichst hohe Lebensqualität zu haben», betonte die Ernährungsberaterin.
Ganz wichtig sei, sich immer wieder bewusst zu werden, dass wir nicht bloss Nährstoffe zu uns nehmen würden, sondern dass wir Lebensmittel essen. «Ernährung ist nämlich stets mit vielen schönen Erinnerungen und guten Gefühlen verbunden», bemerkte Madeleine Fuchs. Genuss sei ein wichtiges Thema bei der Ernährung, man müsse aber darauf achten, dass auch das Mass stimme. Gerade hier seien die älteren Personen gefordert, sagte Madeleine Fuchs und wies darauf hin, dass die Generation 65+ zu jener Personengruppe mit dem höchsten Zucker- und Fettkonsum zählt. Dagegen würde diese Generation aber auch den niedrigsten Fleisch- und Kohlehydratkonsum verzeichnen. Wichtig sei, dass man auch im Alter darauf achte, genug Flüssigkeit zu sich zu nehmen, nicht zuletzt deshalb, weil im Alter das Durstgefühl nachlasse.
«Im Alter sollte energieärmer, aber gleichzeitig nährstoffreicher gegessen werden. Das stellt für viele Personen eine echte Herausforderung dar», gab die Referentin zu verstehen. Dabei gehe es um den Erhalt der Muskelmasse, denn wenn diese schwinde, steige die Gefahr von Stürzen. «Stürze wiederum führen oft dazu, dass sich eine Lebenssituation komplett verändert», betonte die Ernährungsberaterin. Mit ein paar praktischen Tipps, wie nährstoffreiche Mahlzeiten aussehen können und wie viele Mahlzeiten im Alter während eines Tages sinnvoll sind, schloss Madeleine Fuchs ihre Ausführungen.

Alter betrifft alle Politikbereiche
Esther Zürcher vom Generalsekretariat der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion gewährte abschliessend Einblicke in die aktuelle Altersplanung. Bei ihrer Arbeit habe sie rasch gemerkt, wie das Thema Alter von vielen Gemeinden, aber auch in der gesamten Gesellschaft stark vernachlässigt werde. «Wir brauchen dringend eine gemeinsame Sprache in diesem Bereich», sagte sie. Sie erwähnte deshalb die Strategie Gesundheit 2030 des Bundes und wies auch auf den kantonalen Richtplan hin, der sich speziell mit Altersfragen beschäftigt. Hier sei explizit festgehalten, dass hindernisfreie private und öffentliche Räume sowie stationäre, teilstationäre und ambulante Angebote für ältere  pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderungen in ausreichender Anzahl wohnorts- und zentrumsnah zur Verfügung gestellt werden sollen.
Für Esther Zürcher ist das Alter als Querschnittsthema zu betrachten, welches sämtliche Politikbereiche betrifft. Die Lebenssituation älterer Menschen verändert sich genauso wie gesellschaftliche Entwicklungen. Diese Entwicklungen würden beeinflusst durch die längere Lebenserwartung, die Zunahme von gesunden Lebensjahren und die veränderten Mehr-Generationenbeziehungen. Diese Veränderungen müssten in alterspolitischen Planungen berücksichtigt werden. «Wir sind als Gesellschaft gefordert, uns beim Thema Alter neue Gedanken zu machen, um Altersfragen für die Zukunft gemeinsam beantworten zu können», forderte sie die Anwesenden auf, sich in ihren Gemeinden und Institutionen intensiv mit dieser Thematik zu beschäftigen.

Von Walter Ryser