• Die Pflege von Fledermäusen braucht viel Geduld. Diese kleine Zwergfledermaus wurde zuhause bei Olivier Fiechter wieder aufgepäppelt. · Bilder: zvg

  • Um den Menschen die Fledermäuse näher zu bringen, veranstaltet Olivier Fiechter zusammen mit seinen Vereinskolleginnen und -kollegen Exkursionen oder ist an Anlässen mit einem Informationsstand präsent.

  • Das Winterquartier der Fledermäuse bei Melchnau wurde zugeschüttet und durch die Mitglieder der ARGE wieder freigelegt.

  • Grosse Mausohren in ihrem Sommerquartier in einem Kirchturm.

  • Der Naturgarten in der Bündt in Roggwil ist frei zugänglich.

  • In den verlassenen Spechtbäumen lassen sich Fledermäuse gerne nieder.

07.02.2023
Oberaargau

Fledermäusen fehlt Nahrungsgrundlage

Seit 40 Jahren setzt sich der Oberaargauer Olivier Fiechter für die Erhaltung von Lebensräumen für Fledermäuse ein. Kein leichtes Unterfangen, denn zunehmend verschwinden das Nahrungsangebot und die Unterschlupfmöglichkeiten. Viel Zeit verbringt der Naturliebhaber auch mit der Pflege von verletzten oder aus dem Unterschlupf gefallenen Fledermäusen.

Über Fledermäuse kursieren viele Gerüchte. Die angeblich blutsaugenden Tiere sind vielen unbekannt, fremd und unheimlich. Kein Wunder, schliess­lich sind sie der wichtigste Bestandteil jeder Vampirgeschichte. Die meisten wissen jedoch kaum etwas über das nachtaktive Säugetier, das auch im Oberaargau zu Hause ist. In der Schweiz sind 30 Fledermausarten heimisch. Die Kleinsten sind die Zwerg- und Mückenfledermäuse, sie sind etwa so gross wie eine Streichholzschachtel. Die Grösste ist mit rund 40 Zentimetern Flügelspannweite der Grosse Abendsegler. Olivier Fiechter kümmert sich seit 40 Jahren um die Fledermäuse und um den Erhalt der Lebensräume sowie deren zunehmend schwindenden Nahrungsangebote. Der pensionierte Förster ist als Fachmann für Fledermausfragen Mitglied im Verein lebendiges Rottal und der ARGE Fledermausschutz «Smaragdgebiet Oberaargau». «Fledermäuse leben je nach Art in Spalten, unter Dachziegeln oder hinter Fensterläden. Manche leben in Spechthöhlenbäumen oder hängen an Balken in Dachstühlen, Kirchtürmen wie auch in Hohlräumen von Brücken», erklärt Olivier Fiechter. Insekten sind die Nah­rungsgrundlage der zierlichen Tierchen. Wasserfledermäuse beispielsweise erbeuten auf der Nahrungssuche in einer Nacht 3000 bis 4000 Mücken, das Grosse Mausohr hingegen sucht entlang des Waldbodens nach Käfern, die er vielfach nach deren Krabbelgeräuschen erbeutet.

Neues Winterquartier in Melchnau
Neben verschiedenen anderen Fledermausprojekten im Oberaargau realisiert die ARGE Fledermausschutz in Melchnau zurzeit ein Winterquartier für Fledermäuse. «Dort war früher ein grosses Winterquartier, das gegen 300 Fledermäusen Unterschlupf bot. Leider wurde dieses verschüttet und die Sandsteinmauer im Eingangsbereich ist eingefallen, so dass wir sie komplett erneuern müssen», erzählt der in Rogg­wil wohnhafte Fledermausfreund.
Die ARGE vermutet, dass die vielen Fledermäuse ursprünglich vom nahe gelegenen Kloster St. Urban kamen, wo damals eine grosse Wochenstubenkolonie lebte, doch ist deren Bestand heute stark eingebrochen. «In den 70er- und 80er-Jahren hatte man im Kloster die Grossen Mausohren mit Schaufeln und Besen hinausgeschlagen. «Heute hätte man sie gerne wieder. Doch das ist gar nicht mehr so einfach, denn unterdessen fehlt das Nahrungsangebot. Die grossen Fledermäuse fressen grosse Käferarten wie den Maikäfer, den Junikäfer oder den Hirschkäfer. Aber von denen haben wir kaum mehr.» Hauptschuld daran seien die immer noch ausgebrachten Pestizide in der Land- und Forstwirtschaft. «Des­halb sagen wir den Leuten immer, wenn sie in Blumenkisten Engerlinge finden, sollen sie sie uns bringen. Denn in der Regel sind das keine Larven der Maikäfer, sondern des Rosenkäfers und diese essen keine Wurzeln», klärt Olivier Fiechter auf.

Aufwendige Pflege
Doch Olivier Fiechter, der seit 40 Jahren auch leidenschaftlicher Jäger ist, kümmert sich nicht nur um den Erhalt der Lebensräume, sondern er pflegt auch die kranken und verletzten Tiere bei sich zu Hause. Häufig sind es die noch flugunfähigen Jungtiere, die etwa so gross sind wie eine Fingerbeere, welche aus ihrem Unterschlupf gerutscht sind und auf dem Boden landeten, aber auch von Katzen verletzte Tiere finden bei Fiechters in Roggwil ein vorübergehendes Zuhause. «Die meisten Fledermäuse überleben den Angriff einer Katze nicht, denn wenn diese die Fledermaus beissen, dringen durch den Speichel viele Bakterien in den kleinen Körper, was meist ihr Todesurteil ist.» Verletzt die Katze hingegen nur die Flügel, besteht eine gute Chance, die Fledermaus wieder gesund zu pflegen.
Ebenso gute Chancen haben aus dem Unterschlupf gerutschte Jungtiere. «Wir versuchen als erstes, sie in der Nacht wieder in die Nähe des Unterschlupfs zu bringen, in der Hoffnung, die Mutter hört das Rufen ihres Kindes. Dazu legen wir das Baby an einer erhöhten Stelle mit einem Tuch auf eine Wärmflasche. Falls dieses Vorhaben nicht gelingt, müssen wir es von Hand aufziehen. Meist übernimmt das dann meine Frau», verrät Olivier Fiechter. Alle zwei Stunden muss mit einer kleinen Spritze eine Spezialmilch verabreicht werden. An erholsamen Schlaf ist dann kaum mehr zu denken. «Sie trinken nicht immer sofort, man muss deshalb sehr viel Geduld haben», erklärt Olivier Fiechter. Dabei tickt die Uhr. Trinkt das Fledermausbaby nicht innerhalb der nächsten 48 Stunden, kann es nicht mehr gerettet werden. Damit die Tiere nicht auskühlen, werden sie entweder auf Wärmflaschen gelegt oder in Säckchen am Körper getragen. Letztes Jahr im Sommer haben Olivier Fiechter und seine Vereinskollegen und -kolleginnen 34 Pflege-Fledermäuse betreut. Ein Jahr zuvor waren es sogar 97 Fledermäuse.

Tollwut und Hasenpest
Wichtig bei der Pflege der Fledermäuse ist das Tragen von Maske und Handschuhen. «Zwar übertragen unsere Fledermäuse keine Krankheiten, ausser sehr selten Tollwut, doch vorsichtig muss man dennoch sein, denn auch wir Menschen könnten die geschwächten Tiere mit einem Virus anstecken.» Doch besteht denn die Gefahr einer Tollwutübertragung überhaupt noch, wo diese Krankheit in der Schweiz doch ausgerottet werden konnte? «Das kommt zum Glück nur noch sehr selten vor. Letztes Jahr wurde die Tollwut bei einer Rauhautfledermaus in Biel festgestellt. Es wird vermutet, dass sie von Russland herkam und sich dort mit dem Virus angesteckt hatte. Man kann sich also nie sicher sein.» Das musste Olivier Fiechter letztes Jahr am eigenen Leib erfahren, als er von einer Zecke gebissen wurde. «Über fünf Monate hatte ich immer wieder hohes Fieber, mehrere Male war ich im Spital, doch niemand wusste, was die Ursache war», erzählt der passionierte Jäger. Als das Fieber über die 40-Grad-Marke stieg und nicht mehr sinken wollte, kam er ein weiteres Mal ins Spital. «Dieses Mal hatte ich Glück, der Chefarzt vermutete die Hasenpest. Da er aus Hamburg stammte, waren ihm die Symptome bekannt.» Sofort wurde die Medikation umgestellt und dem leidgeprüften Patienten ging es rasch besser. «Einen Tag nach der Medikamentenumstellung sagte mir der Chefarzt, dass ich Glück hatte, denn wahrscheinlich hätte ich keinen weiteren Tag mehr durchgehalten, da meine inneren Organe stark angeschwollen waren», zeigt sich Olivier Fiechter dankbar.

Alles muss stimmen
Die erste Begegnung mit einer Fledermaus hatte Olivier Fiechter, der in Pfeffingen (Baselland) aufgewachsen ist, im Wallis, als er sieben Jahre alt war. «Die Rhone hatte wenig Wasser und ich sah auf einem Stein eine Fledermaus sitzen. Ich lief durchs Wasser und nahm sie in meine Hände. Auf dem Rückweg rutschte ich aus, die Fledermaus, es war eine kleine Hufeisennase, erschrak und biss mich in den Finger», erinnert sich der Naturliebhaber lachend. Als Kind verbrachte er viel Zeit bei seinen Grosseltern im Emmental, wo viele Fledermäuse beim Eindunkeln ums Haus schwirrten. Schon während der Schulzeit baute er für sie Kästen. Doch heute weiss er, dass das Aufhängen von Fledermauskästen allein nicht ausreicht, um die bedrohte Tierart zu schützen. «Um die Fledermäuse wieder mehr anzusiedeln, muss alles stimmen, das Nahrungsangebot wie auch die Unterschlupfmöglichkeiten. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg.»

Von Marion Heiniger