• Das Manuskript für ihr letztes Werk ist geschrieben: Greti Leuenberger liest es unzählige Male durch, um Fehler zu korrigieren. · Bilder: Yanick Kurth

  • Greti Leuenberger liebt ihre Blumen und Pflanzen.

15.12.2023
Huttwil

Greti Leuenbergers letztes Werk

In diesen Tagen erscheint mit «Ching und Grossching» das letzte Buch der 90-jährigen Greti Leuenberger. In den letzten 15 Jahren hat die beliebte Autorin insgesamt fünf Werke veröffentlicht. Trotz vielen Hindernissen im Leben der Huttwilerin hat sie ihre

Lebensfreude bis heute nie verloren.

Eine faszinierende Ausstrahlung geht von dieser unglaublich starken Frau aus – Greti Leuenberger war stets eine Kämpferin. Sie liebt ihre Blumen und den Garten. In der Stube stehen mehr als ein Dutzend Orchideen. «Ich bin froh, wenn es draussen wieder wärmer wird und es im Garten überall beginnt zu blühen», sagt die 90-Jährige zum «Unter-Emmentaler».
Am 12. März konnte sie ihren 90. Geburtstag feiern. Das Geschenk dazu macht sich die rüstige Rentnerin gleich selbst: Sie gibt nämlich ihr fünftes und letztes Buch heraus. Vier Werke von ihr sind bereits erschienen. Darin erzählt Greti Leuenberger Geschichten aus ihrem Leben. Eigentlich wollte sie kein neues Buch mehr schreiben. Doch von ihren Leserinnen und Lesern bekam sie immer wieder genügend Motivation, es doch zu tun. «Das ist mein allerletztes Werk», erzählt sie.

Schwerer Start ins Leben
Greti Leuenberger hatte alles andere als einen einfachen Start ins Leben. Bei ihrer Geburt wog sie lediglich 1500 Gramm und war nur 35 cm gross. Damals gab es noch keine Inkubatoren und auch sonst waren die medizinischen Möglichkeiten rasch einmal ausgeschöpft. Die zuständige Hebamme sagte den Eltern damals, dass ihr Kind die erste Woche nicht überleben werde. Aus diesem Grund wurde ihr bei der Geburt der Name «Margrith» gegeben. Mein Vater meinte damals: «Wir taufen das Kind ‹Margrithli› (Gänseblümchen). Wenn man diese Blümchen abmäht, kommen sie immer wieder.» Und der Vater hatte recht. Von Anfang an war Greti Leuen­berger eine Kämpferin. Sie war das sechste von insgesamt acht Kindern, die ihre Eltern auf die Welt brachten. Gut ein Jahr, nachdem Greti Leuenber­ger zur Welt kam, wurden noch Zwillinge geboren. Einen Tag später starb ihre Mutter an einer Lungenembolie. Weil die Grossmutter, die ebenfalls bei ihnen wohnte, unmöglich für alle acht Grosskinder sorgen konnte, wurden vier an Pflegeeltern abgegeben. Eines davon war Greti. Von Ursenbach kam sie dann nach Wystäge in Kleindietwil.

Ausschnitt aus dem fünften und letzten Werk
In ihrem fünften und letzten Werk dürfen sich die Leserinnen und Leser wiederum auf viele spannende Geschichten von Greti Leuenberger freuen. Die Autorin verfasst die Geschichten stets in Mundart. So sind in ihrem neusten Werk etliche Kurzgeschichten über ihre Kinder und Grosskinder zu lesen. Hier ein kleiner Ausschnitt aus «Di nöi Wohnig»:
«S Meieli, üsers Öutischte, isch no nid ganz jährig gsi, wo mer vor Sonnegg a Nägeliwäg züglet hei. Leider isch aber zum Zügutermin di nöii Wohnig no nid bezugsbereit gsy. Jetz isch guete Rat tüür gsy! Was mache mir jetz? Der neu Nachmieter muess unbedingt i üsi Wohnig, u mir, wo häre müesse mir? Mi Maa isch z Huttu am Bahnhof aus Beamte stationiert gsy. So het er gwüsst, dass zur Zyt d Wohnig im aute Bahnhofgeböid läär isch, wüus im Früehlig am neue muess Platz mache. Zum Glück het mi Maa vo der Verwautig s Yverständnis übercho, dass mer die Wohnig für die nöchste drei Wintermonet dörfe benutze. So hei mir haut dä Abstächer über d Bahnhofwohnig müesse mache. Aber
was söus. Houptsach, mir hei wenigstens wieder es Dach überem Chopf! S Grossmüeti het aube i söttige Situatione gseit: «Ir Not frisst der Tüüfu Flöige».

Als Jugendliche viele Gedichte geschrieben
Ihre Kindheit bei den Pflegeeltern beschreibt Greti Leuenberger als gut. Die Pflegeeltern waren Gretis Gotte und Götti, bei denen sie eine schöne Kindheit erlebte. Sie hätten immer ein gutes Verhältnis zueinander gehabt. Die Pflegeeltern sorgten dafür, dass Greti den Kontakt zu ihrem Vater und ihren Geschwistern nie verlor. Mit dem damaligen Einverständnis ihres leiblichen Vaters durfte Greti Leuenberger ihre Pflegeeltern sogar Vater und Mutter nennen. In ihrer Schulzeit begann das zierliche Mädchen, Gedichte zu schreiben. Sie verschenkte diese oder las ihre Gedichte in der Klasse vor. Der Ruf nach mehr Gedichten kam anschliessend immer wieder.
In der KV-Lehre in Madiswil lernte sie ihren späteren Mann Alfred Leuen­berger kennen und lieben. Nach der Lehre arbeitete Greti Leuenberger während zwei Jahren bei der Firma Ringier in Zofingen als Korrespondentin. Die Liebe zu Alfred Leuenberger zog sie anschliessend nach Huttwil, wo sie zuerst in verschiedenen Wohnungen lebten und im Jahr 1959 das Haus an der Sonnhaldestrasse kauften. Zusammen zogen sie vier Kinder gross. Auch nach über 60 Jahren wohnt Greti Leu­enberger noch im selben Haus.
Elf Jahre lang arbeitete die Autorin in der Drogerie in Huttwil. Parallel dazu half sie im Bau-Geschäft ihrer Pflegeeltern im Büro aus. Im Jahr 2007 starb ihr Mann. Nach seinem Tod begann die Rentnerin, erlebte Geschichten auf Mundart zu schreiben. «Meine Kinder sagten mir immer, du hast so viel erlebt, schreib doch einmal die Geschichten auf.» Und das tat sie. Mal sind ihre Geschichten traurig, packend, aber auch lustig. Während die Gedichte bei ihr auf Hochdeutsch und Berndeutsch geschrieben sind, sind alle Bücher in Berndeutsch verfasst.

Mehrmals entging sie nur knapp dem Tod
Greti Leuenberger hatte einen steinigen Weg, die Kraft und Zuversicht hat sie deswegen nie verloren – immer ein Lächeln im Gesicht. Sie erzählt gerne aus ihrem bewegten Leben. Doch schon mehrfach ging sie nur knapp am Tod vorbei. Als junge Mutter hatte sie eine Hirnhautentzündung, die sie nur knapp überlebte. Eine Woche lang lag sie im Koma und erholte sich dennoch gut von der schweren Erkrankung. In späteren Jahren erlitt sie einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall und mehrere Lungenentzündungen. Von allem erholte sich die Kämpferin gut. Während der Pandemie hatte sie zweimal eine Corona-Infektion. Ihre Verläufe waren jeweils schwer. Davon erholte sie sich nur teilweise. Seit der ersten Infektion hat sie den Geruchs- und Geschmackssinn verloren. Auch die Müdigkeit sei stärker geworden. «Am Mittag sind meine Batterien leer», sagt Greti Leuenberger. «Ich bin froh für jeden Tag, den ich noch geniessen kann.» Und dafür tut sie auch etwas, hält sie sich doch mit regelmässigen Besuchen im Fitnesscenter fit.

S Läbe:
Ou wes Läbe nid gäng eifach isch, so ischs doch läbenswärt. Chummer und Sorge ghöre derzue, genau so, wi Fröid u Leid. Aber ou die sunnige Tage, wo s Härz erwärme tüe, ghöre zu jedem Läbe, damits erträglich wird. Drum gniess die schöne Tage, wo froh und heiter bisch. Versuech so lang wie müglich, se i dim Härze z ha.

(Gedicht von Greti Leuenberger aus dem Jahr 1951)

Von Yanick Kurth