• Ein Mann mit viel Herzblut, der nicht gerne nur halbe Sachen macht: Deshalb hat sich alt Nationalrat Hans Grunder dazu entschieden, 35 seiner Zuchtpferde an einer Hofauktion zu versteigern und sich auf den Pferdesport zu fokussieren. · Bild: Karin Rohrer

31.08.2020
Emmental

Hans Grunder sattelt auf Sportpferde um

«Wir haben entschieden, den Betriebszweig Zucht und Aufzucht mit einer würdigen Hofauktion stark zu reduzieren.» Schlicht und unaufgeregt künden Hans und Sandra Grunder auf das Ende ihrer über 20-jährigen Pferdezuchtgeschichte an. Eine Geschichte, in der viel Herzblut steckt. Am vergangenen Wochenende wurden in Rüegsauschachen 35 Pferde zur Auktion angeboten.

Rüegsauschachen · Vor mehr als 20 Jahren begann die Erfolgsgeschichte der Familie Grunder, welche die Schweizer Warmblutszene stark geprägt hat. Nun wird ein nächstes Kapitel aufgeschlagen: 35 Pferde, vom Fohlen über die Zuchtstute bis zum fünfjährigen Sportpferd, alle aus eigenem Zuchtbestand, wurden am vergangenen Wochenende an der Hofauktion zum Verkauf angeboten. Geboten werden konnte vor Ort oder neu auch live über das Internet, was in der Schweiz ein Novum darstellt.

Von Pferden fasziniert
Hans Grunder ist auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen und erbte von seinen Vater, der bei der Kavallerie seinen Dienst leistete, die Faszination für Pferde. So zog bereits nach dem Studium das erste eigene Pferd in den Stall von Hans Grunder. Ehefrau Sandra Bauen Grunder teilte die Leidenschaft des Rösselers und die gemeinsamen fünf Kinder Simon, Rahel, Dominik, Laura und Gianna lernten auf den zwei Schweizer Warmblutpferden «Alex» und «Romeo» reiten: «Diese zwei Pferde haben uns mehr als 25 Jahre lang begleitet und der ganzen Familie unglaublich viel gegeben.»
Der Wunsch nach Pferdenachwuchs entstand und Familie Grunder erstand an der Suisse Elite Auktion zwei Fohlen. Später brauchten sie jemanden für das Anreiten der Pferde und fanden in Melanie Hofmann und Pascal Bettschen zwei Trainer, welche Grunders Interesse an der deutschen Zucht weckte.

Unkonventionell und bodenständig
«Bei einer Reise in die Lüneburger Heide im Jahr 2001 nahmen wir zwei spezielle Souvenirs mit nach Hause, nämlich die beiden Hannoveraner Zuchthengste ‹GB Escondido› und ‹GB Konvally›, welche die Hengststation Grunder begründeten. Mit der gleichzeitigen Erweiterung des Stalles in der Schlossmatt in Rüegsauschachen bedeutete dies unseren Einstieg in die Pferdezucht», erinnert sich der 64-Jährige, der sich als einen Menschen beschreibt, der schon immer unkonventionelle Wege gegangen ist, in der Politik wie auch im Geschäftsleben. Seit der Gründung der damaligen Einzelfirma im Jahre 1987 durch Hans Grunder entwickelte sich die Grunder Ingenieure AG kontinuierlich und beschäftigt heute rund 100 Mitarbeiter. «Eigentlich wollte ich Landwirt lernen. Aber ich bin eben auch etwas der Technik-Freak, den Mathematik interessiert», so der innovative Geschäftsmann, welcher verschiedene politische Ämter ausführte und von 2007 bis 2019 Nationalrat war.
Hans Grunder betont, dass die Hengsthaltung ursprünglich nicht geplant war, sich aber zu einem Meilenstein entwickelte, da die Hengste erfolgreich im Sport und in der Zucht eingesetzt wurden. Auch «GB Riccione» sorgte für hochstehenden Nachwuchs und deckte im ersten Jahr über 100 Stuten. Eindrücklich, wie an der Prämienzuchtstutenschau ein Ring voller «Riccione»-Nachkommen zu bewundern war. Nicht zu vergessen, der selber aufgezogene Springhengst «GB Scendix», der zweimal nacheinander bei der Weltmeisterschaft der Springpferde in Lanaken mit dem Weltmeistertitel «Sire of the World» ausgezeichnet wurde. Familie Grunder entwickelte sich als Exklusiv-Vertriebspartner des Niedersächsischen Landgestüt Celle zum grössten Hengstanbieter in der Schweiz. «Ich bin sehr selbstkritisch und selektioniere streng. So wurden alle Hengste, die ich in der Schweiz zur Körung gebracht habe, auch zur Zucht zugelassen. Letztes Jahr wurde zudem mein selbst gezüchteter Hengst ‹GB Feliziano› in Westfalen gekört».

Zucht ist eine Herzenssache
Als junger Rösseler erklärte Hans Grunder noch, dass Füchse nicht in seinen Stall kämen. «Aber die ersten zwei Zuchtstuten waren fuchsfarben, die Vollschwestern ‹GB Diamanta› und ‹GB Donna Nira›, welche zu unseren Stammstuten avancierten, deren Nachwuchs etliche Siege und Platzierungen an Championaten holte», erzählt Hans Grunder, für den die Pferdezucht aus viel Bauchgefühl besteht. «In der Zucht gibt eins und eins nicht immer zwei, es ist keine exakte Wissenschaft und oftmals müssen Entscheidungen getroffen werde, die nicht immer auf Fakten basieren. Für mich ist jede Fohlengeburt wieder ein Erlebnis, das mit grosser Spannung erwartet wird.» Weit über hundert Fohlen kamen bei Familie Grunder zur Welt und von ihren Hengsten sind es sicherlich über 1000. Viele Zuchtstuten der Familie Grunder siegten an Feldtests und holten sich den Titel als Prämienzuchtstute. Und gerade in der Dressur gehen unzählige Erfolge und Schweizermeister-Titel auf das Konto von Nachkommen der Grunder-Zucht.

Standortbestimmung war nötig
Familie Grunder macht keine halben Sachen und hat nun entschieden, den Betriebszweig Zucht und Aufzucht mit der Hofauktion stark zu reduzieren, sich künftig Richtung Pferdesport zu orientieren. Die 20-jährige Tochter Laura Maria ist Mitglied des Swiss Olympic Kaders der jungen Reiterinnen in der Disziplin Dressur. Die 19-jährige Gianna Cristina gewann letztes Jahr die Jahreswertung Swiss Team Trophy bei den Junioren in der Disziplin Springen.
«Eine Standortbestimmung stand an und es kristallisierte sich heraus, dass die Idee, die Zucht vermehrt nach Deutschland zu verlegen, nicht sinnvoll schien. Die ganze Aufzucht ist in Hasle-Dorf stationiert, wo Überbauungen geplant sind. So haben wir uns entschieden, die Zucht nur noch im kleinen Rahmen weiterzuverfolgen», erklärt Hans Grunder die weiteren Beweggründe für die Auktion. Er wünscht sich nichts mehr, als dass seine Nachwuchspferde wie auch die Zuchtstuten in kompetente und liebevolle Hände gelangen, denn er ist nicht ein Pferdehändler, sondern ein Züchter mit viel Herzblut für seine Pferde.

Von Karin Rohrer