• Noemi Rohner (Medizinische Praxisassistentin) erklärt den Medicomaten. Mit einem QR-Code können Patienten der Praxis rund um die Uhr Medikamente beziehen. · Bild: Doris Kuert

  • Von links: Andreas Baumann (Neurologe in Langenthal und Mitinitiant), Sebastian Stiebitz (leitender Arzt Vitasphère Gesundheitszentrum), Sabine Sterki, Noemi Rohner und Ibadete Dzemailji (drei der vier Medizinischen Praxisassistentinnen) und Fabian Gloor (Gemeindepräsident Oensingen). · Bild: Doris Kuert

  • Die Solothurner Regierungsrätin Susanne Schaffner anlässlich der Eröffnung des Vitaspère Gesunheitszentrums in Oensingen. · Bild: Doris Kuert

27.05.2022
Oberaargau

Hausarztpraxis mit schweizweit einzigartigem Angebot

Das gibt es in der Schweiz noch nirgends: Das

«Vitasphère Gesundheitszentrum», das am 1. Juni mitten in Oensingen eröffnet wird, ermöglicht Patientinnen und Patienten mit dem ersten in der Schweiz installierten «Medicomaten» den direkten Bezug von Medikamenten rund um die Uhr. Die neue, digitalisierte Hausarztpraxis für bis zu fünf Ärztinnen und Ärzte unter der Leitung von Sebastian Stiebitz schliesst zudem die drohende Lücke in der medizinischen Versorgung im Raum Oensingen.

 

Oberaargau/Solothurn · «Oensingen droht eine medizinische Unterversorgung.» Christian Rohrmann, langjähriger Arzt im Ärztezentrum Leuenfeld, wollte dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Angesichts der bereits erfolgten und noch bevorstehenden Schliessungen von Praxen, deren Ärzte das Pensionsalter erreicht haben, befürchtete er ein akutes Defizit, zumal Oensingen auch bevölkerungsmässig ein starkes Wachs­tum verzeichnet. Christian Rohrmann trat deshalb in Kontakt mit dem renommierten Langenthaler Neu­ro­logen Andreas Baumann, der sich schon wiederholt beim Aufbau von Arztpraxen engagiert hatte und nun auch für Oensingen Hand bot.

Gemeindepräsident erfreut
Oensingens Gemeindepräsident Fabian Gloor zeigte sich an der offiziellen Eröffnung vor rund 200 Gästen erfreut, dass eine Lösung gefunden werden konnte: «Die Tendenz zur medizinischen Unterversorgung unserer Region konnte nun gestoppt werden. Ein gut ausgebautes Gesundheitsangebot trägt einen wesentlichen Anteil bei zu unserer Lebensqualität.» Auch Regierungsrätin Susanne Schaffner unterstrich die Wichtigkeit der neuen Hausarztpraxis für die Region Oensingen: «Der Zugang zu den Gesundheitszentren muss fair sein, das heisst, alle sollen die gleiche Möglichkeit haben bei der medizinischen Grundversorgung.» Während in den Städten dies eher möglich sei, hätten es ländliche Regionen deutlich schwieriger. So auch Oensingen mit seinem grossen Einzugsgebiet, aber einer unterdurchschnittlichen Ärztedichte.

Mehr Zeit für Patienten  dank Digitalisierung
Am 1. Juni nimmt das neue «Vita-sphère Gesundheitszentrum» an der Solothurnstrasse 33a/b seinen Betrieb auf. Vorerst wird mit einem Arzt gestartet, längerfristig sollen es aber vier bis fünf Ärztinnen und Ärzte werden, die in den insgesamt acht Behandlungszimmern Patientinnen und Patienten betreuen können. Und diese erwartet eine Praxis, die mit einigen Besonderheiten und Neuerungen wie dem ersten in der Schweiz installierten «Medicomaten» den geänderten Bedürfnissen und Tagesrhythmen der Bevölkerung Rechnung trägt.
Das «Vitasphère Gesundheitszentrum» ist zudem eine digitalisierte Hausarztpraxis. Was aber heisst das konkret? Sitzen die Patientinnen und Patienten nur noch einem Computer oder Roboter gegenüber? «Mit Sicherheit nicht, im Gegenteil», lacht der sympathische 35-jährige Leitende Arzt Sebastian Stiebitz. Gleich vier Medizinische Praxisassistentinnen stehen bereit, um die Patientinnen und Patienten persönlich zu empfangen. Dank der Digitalisierung werden aber die administrativen Abläufe effizient verkürzt. Dies geschieht jedoch alles im Hintergrund. Der Patient selber merkt erst im Behandlungszimmer etwas davon. «Dank dieser Verschlankung der Abläufe können wir uns mehr Zeit nehmen für die Patienten und Patientinnen und ihre Anliegen.»
 
Mit Offenheit Vertrauen schaffen
Der Patient und sein Wohlbefinden, genau das ist es, was beim Team rund um Sebastian Stiebitz im Zentrum der Tätigkeit steht und auch stehen soll. Dementsprechend wurde auch viel Wert auf eine natürliche Atmosphäre bei der Einrichtung des «Vitasphère Gesundheitszentrums» gelegt. Viel Holz und behagliche, warme Farbtöne schaffen eine deutlich persönlichere Note, als eine steril in Weiss gehaltene Praxis. «Es ist mir enorm wichtig, den Patientinnen und Patienten mit Offenheit zu begegnen und eine Atmosphäre der Vertrautheit zu schaffen», macht Sebastian Stiebitz deutlich. «Die offene Kommunikation mit den Menschen bereitet mir viel Freude und ist auch etwas, das mir, so glaube ich, sehr liegt.» Für ihn ist es zentral, «für die Patienten und Patientinnen in schwierigen Lebenslagen da zu sein und sie so gut wie nur möglich zu unterstützen.»
Und dazu gehört für ihn auch die letzte Lebensphase, der Umgang mit dem Sterben und dem Tod. Während seiner Ausbildung in der Palliativ- und Altersmedizin durfte er wertvolle wie auch bereichernde Erfahrungen sammeln. «Dabei hat es mich sehr bewegt, mitanzusehen, wie Menschen manchmal zwischen Spitälern und dem Daheim hin- und wieder zurückverschoben wurden. Menschen, die man mit einem gewissen Engagement auch gut und gerne ambulant hätte behandeln können, so dass sie in ihrer vertrauten Umgebung den sonst schon schwierigen Alltag gelassener hätten verbringen können», lässt der zweifache Familienvater durchblicken. «Das hat mir persönlich auch wehgetan. Solche Situationen zu vermeiden, ist mir deshalb ein grosses Anliegen.»

Sprechzimmer mit separatem Eingang
Doch Wohlfühlatmosphäre ist der eine, die topmodern ausgestattete Einrichtung der andere entscheidende Faktor für viele Patientinnen und Patienten. Und auch diesem Bedürfnis wird das «Vitasphère Gesundheitszentrum» gerecht. Die neu erstellten grosszügigen Räumlichkeiten im Erdgeschoss sind rollstuhlgängig und verfügen über ein digitales Röntgen, einen Notfallraum mit der Möglichkeit für Kleineingriffe, zwei Infusionsplätze, Ultraschall und ein Praxislabor. Auch hier gilt die Maxime der kurzen Wege. So gibt es zwei Wartebereiche links und rechts vom Empfangs-Tresen, so dass die Patienten gleich bei den Behandlungszimmern Platz nehmen können. Labor und Notfallraum sind nahe beim Empfang. Neben den acht normalen Sprechzimmern gibt es noch einen zusätzlichen Behandlungsraum mit separatem Eingang. Dadurch kann verhindert werden, dass potentiell ansteckende Patienten mit anderen in Kontakt kommen. «Gerade in Zeiten von Corona hat sich gezeigt, wie wichtig das sein kann», erklärt Sebastian Stiebitz.

Referenzpraxis für innovative Firmen
Doch auch im medizinischen Bereich zeichnet sich das «Vitasphère Gesundheitszentrum» durch innovative Produkte und Einrichtungen aus. «Wir haben eine enge und gute Kooperation mit führenden Firmen der Medizinalbranche und werden für sie eine Referenzpraxis sein. Dadurch sind wir ein wichtiger Partner für die Firmen und profitieren von den neusten Innovationen. So gehören wir zu den ersten, die diese Produkte auch einsetzen können», erklärt Sebastian Stiebitz. Der «Medicomat» sei nur ein Beispiel dafür. Doch trotz der guten Beziehungen zu den Firmen ist das «Vitasphère Gesundheitszentrum» unabhängig «Unsere Hausarztpraxis ist komplett eigenständig ärztegeführt und gehört keinem Konzern an», betont Sebastian Stiebitz. Wichtig ist ihm und seinem Team der interdisziplinäre Austausch durch die enge Zusammenarbeit mit den Spezialärzten der Umgebung, aber auch mit den in unmittelbarer Nähe im Zentrum Leuenfeld Oensingen befindlichen Gesundheitsdienstleistern, wie etwa der Spitex Gäu, dem Psychiatrie-Zentrum Oen­singen, dem Augenzentrum Thal-Gäu, der Physiotherapie & Ergotherapie Leuenfeld und der Hebammenpraxis «Zentrum Bauchgefühl».
Darüber hinaus besteht eine enge Zusammenarbeit mit den Solothurner Spitälern, insbesondere dem Kantonsspital Olten, wo Sebastian Stiebitz einen Teil seiner Ausbildung absolvierte. «Bereits während der Planungs- und Realisationsphase des ‹Vitasphère Gesundheitszentrums› bestand ein reger Austausch mit der Spitaldirektorin Sandra Lambroia Groux und Lukas Zimmerli, dem Chefarzt der Inneren Medizin, damit die Vernetzung mit dem stationären Bereich reibungslos funktioniert», betont Sebastian Stiebitz. Und hier kommt der Nutzen der Digitalisierung voll zum Tragen. Die Patientendossiers und Röntgenbilder sind jederzeit verfügbar. Dadurch können für die Weiterbehandlung notwendige Informationen problemlos und schnell übermittelt werden. «Das ist das Zukunftsmodell und wir sehen uns für die nächsten 10 bis 15 Jahre gewappnet.»

Medikamentenbezug rund um die Uhr
Das «Vitasphère Gesundheitszentrum» wird den ersten «Medicomaten» in der Schweiz in Betrieb nehmen. Damit können Patienten und Patientinnen rund um die Uhr auch ausserhalb der Praxis-Öffnungszeiten Medikamente beziehen. Vom Prinzip her ist es fast so einfach, wie bei einem Getränkeautomaten, auch wenn die Technik, die dahintersteckt, hochkomplex ist und sich die Investition samt dem angeschlossenen ROWA-Medikamentenrobotersystem im sechsstelligen Bereich bewegt. Die Patienten können ihr Medikament telefonisch oder mittels E-Mail in der Hausarztpraxis anfordern. Nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erhält der Patient einen Türcode, um jederzeit durch die verschlossene Türe zum «Medicomaten» zu gelangen, und einen QR-Code, um das vorher vom Praxisteam gerüstete Medikament zu beziehen. Durch das «Vieraugenprinzip» wird vorgängig sichergestellt, dass der richtige Patient das korrekte Medikament erhält. Die Ausgabe erfolgt computergesteuert durch den Medikamentenroboter aus dem klimatisierten Medikamentenlager im Keller. Der «Medicomat» steht nur Patienten der behandelnden Praxis offen. top/PR

Ausbildungsplätze
Zukunftsausgerichtet ist die Hausarztpraxis aber auch im Ausbildungsbereich. Drei der vier Medizinischen Praxisassistentinnen sind befähigt, Lernende auszubilden. «In einem nächsten Schritt wollen wir ab 2023 auch Assistenzärztinnen und -ärzten die Möglichkeit anbieten können, bei uns Erfahrungen zu sammeln», blickt Sebastian Stiebitz in die nahe Zukunft.

Leitender Arzt Sebastian Stiebitz
Sebastian Stiebitz wurde am 27. März 1987 in Zwenkau (Deutschland) geboren und hat 2013 sein Humanmedizinstudium an der Universität Leipzig abgeschlossen. Seither ist er an verschiedenen Spitälern in der Schweiz tätig.
So war er Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik im Kantonsspital Olten (2015 bis 2018, davon je sechs Monate Geriatrie und Intensivstation), Assistenzarzt in der Psychiatrie an der Klinik Solothurn/Langendorf (2018/2019 Behandlungszentrum für Angst und Depressionserkrankungen und 2019/2020 für Alterspsychiatrie), Oberarzt Altersmedizin am Kantonsspital Olten und am Bürgerspital Solothurn und zuletzt seit 2021 als Oberarzt an der Universitären Altersmedizin Felix Platter in Basel.
Nach neun Jahren Tätigkeit an Spitälern fasste er den Entschluss, in die Hausarzttätigkeit zu wechseln. Durch Lukas Zimmerli, Chefarzt Innere Medizin am Kantonsspital Olten, ist der Kontakt zu Andreas Baumann entstanden.
Sebastian Stiebitz ist verheiratet und hat zwei Söhne. Seit 2019 wohnt er in Aarburg.

Von Thomas Peter/PR