• Rund 40 Kirschbäume nennen die Brüder Hansueli (auf der Leiter) und Andreas Sommer ihr Eigen. Vor zwei Jahren haben sie den Bauernbetrieb von ihren Eltern Hansruedi und Käthi Sommer übernommen. · Bild: Marion Heiniger

18.06.2020
Huttwil

Hinter der Kirsche steckt viel Arbeit

Sommerzeit ist Kirschenzeit. Es steckt eine Menge Arbeit dahinter, bis die süssen Früchte in den Läden zum Verkauf angeboten werden können. Dabei ist der Ertrag von vielen Faktoren abhängig. Doch nicht nur Frost oder Nässe können die Ernte gehörig vermiesen, sondern auch einige unliebsame Insekten. Für deren Bekämpfung braucht es aber viel Erfahrung.

Durch die aussergewöhnlich warmen Temperaturen anfangs Frühling, fingen die Kirschbäume bereits früh an zu blühen. Für die Obstbauern war dies nicht unbedingt ein Grund zur Freude. Denn anfangs April folgten mehrere Frostnächte.
In der Blütezeit und im Jungfruchtstadium sind Kirschen besonders anfällig auf kalte Temperaturen. «Während dem Frost anfangs April sind viele Blütenkelche erfroren, daraus kann keine Frucht mehr wachsen», bedauert der pensionierte Landwirt Hansruedi Sommer. Dadurch rechnet er in diesem Jahr nicht mit einer ertragsreichen Kirschernte.

Gespritzt wird mit Mass
Die Familie Sommer betreibt seit Generationen in Schweinbrunnen bei Schwarzenbach einen mittleren Bauernbetrieb. Vor zwei Jahren haben Hansruedi und Käthi Sommer ihren beiden Söhnen Hansueli und Andreas Sommer den Betrieb überschrieben. Doch untätig sind sie seither nicht geblieben. Hansruedi Sommer kümmert sich noch immer sehr gerne um die insgesamt über 170 Hochstamm-Obstbäume. Davon sind rund 45 Zwetschgen- und 40 Kirschbäume.
Bald sind die beliebten süssen Früchte reif und können geerntet werden. Doch bis dahin gibt es für die Familie noch viel zu tun. Genau genommen beginnt die Arbeit bei den Kirschbäumen bereits anfangs Jahr. Je nach Wetterlage, meist im Februar, müssen die stattlichen Bäume geschnitten werden. Mit der Kirschblüte im Frühling beginnt auch die Bekämpfung der Schädlinge.
Einer dieser Schädlinge ist die Sägewespe. Ein Insekt, dass ihr Unwesen zur Blütezeit in den Obstbäumen treibt. Die Sägewespe sticht den Kelch ab und legt ihre Eier in die Kelchblätter. Durch das Absterben des Kelchs kann die Frucht danach nicht mehr wachsen. Die Larven der Sägewespe entwickeln nach dem Ausschlüpfen einen mächtigen Appetit, was zu einem grossen Ernteausfall führen kann. Die Bekämpfung der Sägewespe erfolgt kurz nach der Blüte. Werden sie nicht bekämpft, verkriechen sich die Larven danach im Boden und verpuppen sich. «Wir spritzen mit Mass, so viel wie nötig, so wenig wie möglich», sagt Hansruedi Sommer. Diese Denkweise gilt auch für alle anderen Schädlinge, welche im Streuobstbau der Familie Sommer bekämpft werden müssen. Dabei nehmen sie Rücksicht auf nützliche Insekten wie beispielsweise Bienen und spritzen erst abends.

Unliebsame Kirschfruchtfliegen
Kurz vor der Kirschernte müssen sie auch gegen die Kirschfruchtfliege zu Felde ziehen. Dafür den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, ist nicht einfach und braucht viel Erfahrung, die Hansruedi Sommer auch gerne an seine beiden Söhne weitergibt. «Man bekämpft sie, wenn die Kirsche von Gelb auf Rot wechselt, etwa drei Wochen vor der Ernte», erklärt der Landwirt. Da die Familie Sommer verschiedene Kirschsorten hat, welche zu unterschiedlichen Zeiten reif werden, erfolgt auch die Bekämpfung an unterschiedlichen Tagen. Die Kirschfruchtfliege ist ein Schädling, der den Obstbauern die Kirschernte gehörig vermiesen kann. Sie legt ihre Eier auf die unreifen Kirschen.
Wenn die Maden geschlüpft sind, fressen sie sich bis zum Kern vor. «Wenn jemand einmal eine Kirsche mit einer Made gegessen hat, der fasst so schnell keine mehr an», sagt Hansruedi Sommer und verzieht sein Gesicht. Ein weiterer Schädling ist die Kirschessigfliege, welche 2008 von Asien nach Europa eingeschleppt wurde und alle Weichobstsorten, Beeren und Trauben befällt. Das etwa drei Millimeter kleine Insekt ist besonders bei kühlen Temperaturen aktiv. Die Kirschessigfliege legt ihre Eier in die reife Frucht ab, die danach innert zwei bis drei Tagen verfault und einen Essiggeschmack hinterlässt. Die dabei entstehenden kleinen Einstiche sind von blossem Auge kaum sichtbar. Gegen die Kirschessigfliege wird kurz vor der Ernte gespritzt. «Zu diesem Zeitpunkt spritzen wir aber eigentlich nicht mehr gerne, wenn es aber sein muss, dann nur leicht und aussen um den Baum herum», sagt der bald 70-jährige Landwirt. Dabei wird ein Mittel verwendet, das speziell dafür zugelassen ist. «Ob ein Baum von der Kirschessigfliege befallen ist, merkt man erst, wenn man an der Kirsche drückt und dann aus den kleinen Löchern der Saft auf alle Seiten spritzt», erklärt Hansruedi Sommer.
Früchte, die von der Kirschessigfliege oder von der Kirschfruchtfliege befallen sind, sollten vom Baum geholt und vernichtet werden, damit sich die unwillkommenen Insekten nicht weiter ausbreiten können. Eine Arbeit, die unter diesen Umständen weder Freude bereitet noch Einnahmen generiert. Kein Insekt, sondern ein Pilz ist der Schorf. Er kann einen ganzen Baum beschädigen. Um diesen gesund zu erhalten, lässt sich auch hierbei der Einsatz von Spritzmitteln kaum vermeiden. Der Schorfpilz vermehrt sich bei lang anhaltendem Regen auf den Blättern und kann die Qualität der Früchte stark beeinträchtigen. «Bei den heutigen Kirschsorten reichen bereits 12 Stunden Nässe aus, damit sich der Schorf bilden kann», weiss Hansruedi Sommer.

Verkauf direkt ab Hof
Obwohl die Familie Sommer ihre Obstbäume so wenig wie möglich spritzen möchte, ist es dennoch für eine gute Ernte mit schönen Früchten notwendig. Der Alt-Landwirt spricht aus Erfahrung: «Früchte, deren Bäume nicht gepflegt werden, und dazu zählt auch das Spritzen, werden von den Konsumenten nicht gerne gekauft, da sie meist ‹Fehler› haben». Nach der Ernte werden die Kirschen in Schweinbrunnen auch direkt ab Hof verkauft. Die grossen Premium Kirschen sucht man bei der Familie Sommer noch vergebens.
«Unsere Kirschen sind etwas kleiner, sie haben dafür aber unterschiedliche Aromen. Das schätzt unsere Kundschaft», wissen die Sommers. Aber nicht nur direkt ab Hof, sondern auch im Hofladen eines befreundeten Bauern und in einem Laden in Huttwil werden ihre Kirschen zum Verkauf angeboten.
Zusätzlich wird ein beachtlicher Teil zu Kirschschnaps verarbeitet. Die Kunden selbst Kirschen pflücken zu lassen, davon sieht die Familie Sommer jedoch hauptsächlich aus Versicherungsgründen ab. Denn die Kirsch-ernte bei Hochstammbäumen ist gefährlich, da die Früchte nur über eine Leiter zu erreichen sind. «Vielfach endet die Pflücklust sowieso schon bei der dritten Sprosse infolge Höhenangst», scherzt Hansruedi Sommer.

Von Marion Heiniger