• Die Carbon-Rahmen für die einzelnen Panels sehen fertig so aus.

  • Mit ihren umgebauten Speedpeds legen Daniel Jenni und Sibylle Felder mehr als 10 000 Kilometer innert 100 Tagen zurück. · Bilder: zvg/Chantal Bigler

  • Die fertigen Solarpanels sind je 2,5 Quadratmeter gross. · Bilder: zvg

  • Mit ihren umgebauten Speedpeds legen Daniel Jenni und Sibylle Felder mehr als 10 000 Kilometer innert 100 Tagen zurück. · Bilder: zvg/Chantal Bigler

  • Nähen der Stoffbekleidung.

10.06.2021
Emmental

Hochzeitsreise: Mit Solarvelos durch Europa

Daniel Jenni und Sibylle Felder sind frisch verheiratet. Ihre Idee für ihre Hochzeitsreise, die im letzten Herbst aufkam, konnten sie nun endlich Ende Mai antreten: Am 27. Mai startete das Ehepaar ihre Fahrt in Richtung Flitterwochen – und zwar nicht wie üblich mit dem Flugzeug und etwa mit dem Reiseziel Malediven. Nein, die beiden fuhren mit ihren selbstgebauten ­Solarpanel-Velos in Richtung Frankreich los, um mit ihrem Gefährt, welches mit Gepäck über 60 Kilogramm schwer ist, an Mitte Juni am ­ «Sun Trip» teilzunehmen. Das 10 000-Kilometer-Rennen führt sie querfeldein durch Europa – und das innerhalb von 100 Tagen.

Heimisbach · Daniel Jenni kennt die Freuden und Leiden des «Sun Trips» schon: «Dass es so ein Rennen mit Solarvelos gibt, habe ich 2017 erstmals gehört, und nur ein Jahr später nahm ich bereits begeistert am «Sun Trip», der in Lyon (Frankreich) startete und in Guangzhou (China) endete, teil», erzählt der 33-jährige Tüftler.
Damals sagte er zum «UE» (Bericht: 27. September 2018), dass ihm die Reise viel Freude bereitet habe, er die 13 500 Kilometer lange Reise aber kein zweites Mal machen würde. Und nun das: Er und seine 27-jährige Ehefrau Sibylle Felder nehmen als Hochzeitsreise gemeinsam am ersten europäischen «Sun Trip», der am 16. Juni in Brüssel startet und in Lyon nach 100 Tagen endet, teil. Und diese Idee kam ausgerechnet von seiner Frau, Sibylle Felder, die eigentlich nicht viel mit dem Velofahren am Hut hat. «Velofahren ist nicht meine absolute Leidenschaft», bestätigt sie, doch irgendwie fand die Luzernerin die Erzählungen ihres Ehemannes noch «lässig», fand die Strecke durch Europa irgendwie reizvoll und ihr gefiel der Gedanke, gemeinsam mit ihrem Mann ein grosses Abenteuer zu erleben.
So witzelte sie mit ihm darüber, dass er ja einen Seitenwagen an seinem Gefährt befestigen könne. «Wo sieht man mehr, als auf dem Velo?», sagt die gelernte Köchin und gibt zu: «Ich habe bei Daniel solange gestürmt, bis wir uns angemeldet haben.» Der war zuerst skeptisch und meinte, sie haben doch noch anderes zu tun, doch schliesslich lenkte er ein und sie planten gemeinsam ihre aufregende Hochzeitsreise, bei der sie insgesamt 28 Länder durchqueren werden.

Abenteuer mit Ecken und Kanten
Was einst als Witz gedacht war, wurde schon bald zur Realität, und die beiden steckten letztes Jahr im Herbst, als der Entscheid zur Teilnahme definitiv gefallen war, mitten in den Vorbereitungen. Sicher ist: «Diese Erfahrung wird unsere Beziehung festigen, fordern und unsere Kanten schleifen», bemerkt Daniel Jenni. Da er bereits einen «Sun Trip» hinter sich hat, profitierten sie stark von seiner Erfahrung: «Alles, was an Daniels Velo gut war, konnten wir wieder einbauen und dasselbe Prinzip anwenden», erzählt Sibylle Felder. Auch Daniel Jennis Erfahrung durch seine frühere Arbeit beim Elektrovelohersteller Speedped kam ihm zu Gute. «Das Grundvelo Speedped haben wir gehabt. Anhand von dem haben wir eine Dachkonstruktion aus Carbon gebaut, die die Solarpanels hält.» Insgesamt vier Monate lang haben die beiden jeden Tag etwa acht Stunden Zeit in den Umbau investiert.
Das umgebaute Gefährt wurde von Daniel Jenni und Sibylle Felder aus­serdem mit einer Gepäckbox, einer Stromversorgung fürs Handy und einem extra grossen Ständer, damit es nicht so schnell umfällt, ausgestattet.
Ausserdem schreibt das Rennreglement vor, dass ein Messinstrument eingebaut werden muss. Teilnehmen kann jeder, vom Bastler über den Sportler. Wichtig sei, dass das Hauptgefährt maximal drei Räder hat (ohne Anhänger). «Die Leute werden ausserdem wissen, wo wir uns gerade befinden», weist Jenni darauf hin, weil jeder Teilnehmende auch ein Livemap GPS Tracker erhalten wird. Es steckt nicht nur viel Arbeit in den beiden Solarvelos, sondern auch viel Geld. «Nur mit den Materialkosten zum Bauen liegen wir ohne Velo bei rund 4000 Franken pro Person», rechnet Jenni aus.

Zu zweit ist man weniger alleine
Die beiden sehen die Reise, die von Ende Mai bis Anfang September dauert, ziemlich gelassen: «Mental haben wir uns nicht gross darauf vorbereitet – denn ich weiss ja, was mich erwartet», so Jenni. «Man muss dieses Abenteuer einfach so annehmen, wie es kommt. Eben ein wenig blauäugig sein und seine eigenen Erfahrungen sammeln», ergänzt Sibylle Felder. «Ich freue mich, diese Reise gemeinsam mit meiner Frau zu erleben und es wird bestimmt auch Situationen geben, in denen wir uns nerven. Die Frage ist dann: Wie gehen wir damit um?», schmunzelt Jenni. Auch Sibylle Felder bestätigt: «Ich denke, körperlich und auch psychisch an seine Grenzen zu kommen, ist sicher nicht immer lustig, aber ich bin mir sicher, es gibt einem viel zurück und man sollte versuchen, aus jeder Situation das Beste zu machen.» So auch beim Wetter: «Was passieren könnte, und was sicherlich nicht zu verhindern ist, dass das Velo bei zu starkem Wind vom Ständer fällt», so Jenni. Die Folgen davon wären, dass der Rahmen, welcher das Solarpanel trägt, repariert werden müsste – und das kostet Zeit und Nerven. Doch dafür ist im Notfall gesorgt: Mit im Gepäck kommen nebst Campingausrüstung und wenig Kleidern nämlich auch Ersatzteile für die Solarpanelvelos mit. Zudem Speichen, ein Pneuflickset, Bremsbeläge und gewisse elektronische Komponenten (Motorsteuerung).
Auch nicht fehlen dürfen Nähzeug, Leim oder Stoff. «Mit Schlafsack, Mätteli, Gaskocher und Reparaturmaterial kommen wir locker auf 15 Kilogramm zusätzliches Gewicht», sagt Jenni. So liegt das Gesamtgewicht des Gefährts mit Gepäck bei 65 Kilogramm. Ganz schön schwer, wenn man bedenkt, das hundert Tage lang mit sich zu «tragen». Pro Tag wollen die beiden etwa 200 bis 300 Kilometer schaffen, dies entspricht etwa sechs bis acht Stunden. Bei voller Geschwindigkeit können sie mit dem Akku bis zu 70 Kilometer weit fahren.

In hundert Tagen durch 28 Länder
«Wir freuen uns auf die Begegnungen mit den Menschen und auf die verschiedenen Landschaften», sagt das Ehepaar. Obschon ihnen wohl nicht viel Zeit bleiben wird, um Dinge anzuschauen, haben sie Orte, die sie unbedingt sehen möchten. «Uns reizt es, die Balkanländer abzufahren. Aber schauen wir mal, wo wir am Ende genau durchfahren und welche Umwege wir gehen werden. Mazedonien möchte ich aber gerne sehen», erzählt Sibylle Felder. Bei Jenni ist Odessa (Ukraine) der Ort, den er unbedingt durchfahren möchte.
Der «Sun Trip Europe» führt sie durch 28 Länder, umfasst 10 000 Kilometer Strecke und hat fünf Checkpoints, (Porto, Lyon, Brüssel, Riga, Constanta, Passo Stelvio und Pico di veleta) die zu durchqueren sind. Am 27. Mai sind die beiden bereits in Heimisbach in Richtung Lausanne losgefahren, wo sie schliesslich mit zwei kleineren Reparaturen in Tagesetappen Lyon am 29. Mai erreichten.
Der Start des Rennens war offiziell am 15. Juni in Brüssel geplant, wurde aber aufgrund des Besuchs von Biden um einen Tag verschoben. Seit dem 1. Juni befindet sich das Ehepaar auf dem «Sun Trip Frankreich Prolog», welcher auch offen für E-Bikes ohne Solar ist. Etappenweise gelangen sie so nach Brüssel, wo sie schliesslich am 12. Juni ankommen werden. «Das Gefährlichste ist jeweils der Verkehr», weiss Jenni.
Auch Sibylle Felder hat schon entsprechende Erfahrungen gemacht, jedoch würden die Autofahrer jeweils vorsichtig überholen, weil das Gefährt breit sei und ein Dach habe. «Unser Umfeld ist gespannt darauf, zu sehen, was wir machen», sagt Jenni.
Aus diesem Grund aktualisiert er seine Webseite www.solarvelo.ch mit regelmässigen News der Reise. Die Menschen, die ihnen auf ihren Fahrten begegnen, seien immer sehr erfreut: «Sie halten die Daumen hoch, fotografieren oder winken uns oder halten sogar an, um sich das Ganze näher anzuschauen.» Klar ist: Diese Hochzeitsreise wird es kein zweites Mal geben, denn Daniel Jenni und Sibylle Felder sehen das Ganze als eine einmalige Sache.

Von Chantal Bigler