• Hängt die Feuerwehrjacke nach 26 Jahren an den Nagel: Heinrich Grossenbacher. · Bild: Marianne Ruch

  • Heinrich Grossenbcher war 26 Jahre im Deinst der Feuwerwehr. · Bild: Marianne Ruch

30.12.2022
Emmental

«Ich gebe eine Feuerwehr ab, die funktioniert»

Heinrich Grossenbacher half massgeblich mit, aus den drei Feuerwehren Affoltern, Sumiswald und Trachselwald die Regiofeuerwehr Sumiswald zu bilden. Ein langwieriger und nicht einfacher Prozess, der sich aber gelohnt habe, meint Heinrich Grossen­bacher. Als erster Kommandant der zusammengeschlossenen Feuerwehren tritt er nun zurück.

Region Sumiswald · 1997 trat Heinrich Grossenbacher in die Feuerwehr ein. Bildete sich stets weiter und wurde 2010 Kommandant der Feuerwehr Affoltern. Wie sonst in keinem anderen Kanton gab es in Bern sehr viele kleine Feuerwehren. Auf Anraten der GVB sollten Zusammenschlüsse stattfinden, um die Wehren zentraler und professioneller werden zu lassen. Da Sumiswald bereits den Stützpunkt von Affoltern bildete und die Zusammenarbeit schon sehr eng war, war es naheliegend, den Zusammenschluss mit Sumiswald und auch Trachselwald in Angriff zu nehmen. Die ersten Gespräche fanden 2003 statt. 2010 wurde eine Projektgruppe aus allen drei Gemeinden gebildet, bei der Heinrich Grossenbacher als Präsident amtete. Nach langem hin und her und zwischenzeitlichen Absagen und auch Abklärungen mit Lützelflüh und Rüegsau, fand schlussendlich der Zusammenschluss dann doch mit Sumis­wald und Trachselwald statt. 2014 entstand so die Regiofeuerwehr Sumis­wald mit vier Löschzügen.

Etwas Amtsmüde geworden
Es ergab sich so, dass Grossenbacher Kommandant wurde. Der bisherige Kommandant von Sumiswald wollte das Amt nicht ausführen und der Kom­mandant von Trachselwald schied altershalber aus dem Rennen. So sagte Heinrich Grossenbacher zu. «Ich sagte schon damals, dass ich es nur bis ins 2020 machen würde», erzählt er. Es wurden nun aber zwei Jahre mehr daraus, da der Nachfolger ausbildungstechnisch noch nicht soweit war. Jetzt aber, Ende 2022, tritt Heinrich Grossenbacher ab.
«Ich freue mich, denn ich bin langsam aber sicher amtsmüde geworden», sagt er offen und ehrlich. Mit der Zeit gehen einem die Ideen aus und es wurde schwieriger, mich selbst zu motivieren», fügt er hinzu. Zudem war ihm wichtig, sein Amt noch mit Freude und Motivation abgeben zu können. Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen. In all den Jahren arbeitete er stets zu 100 Prozent als Zimmermann-Polier. Sein Arbeitgeber, die Käser Holzbau AG im Weier, hatte immer Verständnis für sein Amt. «Obwohl mein Arbeitgeber nicht davon profitierte, im Gegenteil es gar Kosten verursachte, wenn ich plötzlich meine Arbeit verlassen musste, wurde ich stets unterstützt», sagt er dankbar.
Ich freue mich, die Verantwortung abzugeben und wieder mehr Zeit für mich zu haben. Und ich weiss, ich kann eine Feuerwehr übergeben, die funktioniert», sagt er überzeugt. In den bald neun Jahren Regiofeuerwehr Sumiswald konnten viele Erfahrungen gesammelt und bereits Umstrukturierungen vorgenommen werden. Dabei kam unter anderem heraus, dass das Amt des Kommandanten einer 50-Prozent-Stelle entspricht. «Ich war pro Woche sicher drei Mal für die Feuerwehr unterwegs», berichtet der 52-Jährige. Zur Veranschaulichung zeigt er den Jahresplan: Er ist stark gefüllt. Nebenbei half er, Kader und Offiziersübungen vorzubereiten und die Ernstfälle, rund einer pro Woche, kamen auch noch hinzu. Als Kommandant erlebte er rund 700 Einsätze und bestritt rund 30 Sitzungen pro Jahr. «Wir haben unser Leben um die Feuerwehr herum geplant.» So wollte er drei Mal mit seiner Frau Essen gehen – und jedes Mal musste er, vor dem Essen sitzend, ausrücken. «So haben wir es dann sein lassen und sind einfach zu Hause geblieben», erinnert er sich lachend. Seine Frau Sandra Grossen­bacher stand immer zu 100 Prozent hinter ihm und unterstützte ihn. «Wir müssen uns nun wieder finden, denn auch ich habe mein Leben gelebt. Nun freuen wir uns, wieder etwas mehr Zeit füreinander zu haben», sagt sie.

Viel erlebt
In den 26 Jahren im Dienste der Feuerwehr hat Heinrich Grossenbacher viel erlebt. So bleibt ihm etwa der Brand des Restaurants Sonne im Weier in ewiger Erinnerung. «Das war mein erster Grosseinsatz als Kommandant in Affoltern. Wir sagten immer, da darf es nie brennen, das ist unsere Stammbeiz», erzählt er. Und doch geschah es. Ebenfalls erinnert er sich an Bauernhausbrände, bei denen man nicht wusste, ob noch jemand im Haus ist oder ob sich noch Tiere im Stall befanden. Diese Einsätze haben ihm immer am meisten zu schaffen gemacht. Verkehrsunfälle waren auch schwierig, weil man nie wusste, was einem erwartet. Und doch: «Da geht man einfach hin und macht sein Bestes, ohne gross zu überlegen. Man funktioniert einfach», erklärt Heinrich Grossen­ba­cher. Dafür seien sie ja alle ausgebildet worden und über die Jahre sammelt man viel Erfahrung.
Es gab aber auch einige Ereignisse, die ihn danach schlecht schlafen liessen und ihn verfolgten. Vor allem auch, weil er sich fragte, was er hätte besser machen können. «Es gibt leider auch Ereignisse, bei denen man keine Chan­ce hat, egal wie schnell und wie gut wir als Feuerwehr sind», sagt Gros­senbacher. Das gelte es einfach anzunehmen. Umso wichtiger waren jeweils die Gespräche unter den Feuerwehrleuten nach den Einsätzen. «Dadurch, dass wir darüber redeten, konnten wir das Geschehene am besten verarbeiten», erklärt der abtretende Kommandant. Unfälle, die sich während einer Übung oder einem Ernstfall innerhalb der Feuerwehr ereigneten, belasteten Heinrich Grossenbacher ebenfalls sehr. «Wir sind diejenigen, die retten sollen. Wenn es einen internen Unfall gibt, ist das in meinen Augen sehr tragisch», sagt er nachdenklich. Leider hat er in seiner Karriere den einen oder anderen Unfall miterleben müssen.
Nicht immer lief alles reibungslos und es gab auch Differenzen und unterschiedliche Ansichten in der Feuerwehr. Diese hat Heinrich Grossenba­cher immer persönlich und von Angesicht zu Angesicht gelöst. «Es war mir immer wichtig, mit den Betroffenen persönlich zu reden», sagt er bestimmt. Und so hat er einige, zum Teil auch unangenehme Gespräche geführt. «Ich bin überzeugt, dass dies der beste Weg war. Vieles konnte ich so besser verstehen und vielleicht auch meine Sichtweise erweitern. So manche Freundschaft hat sich aus solchen, anfänglich schwierigen Gesprächen, entwickelt.» Am meisten beeindruckte den Zimmermann, was man mit verschiedenen Menschen aus allen möglichen Fachrichtungen auch mit verschiedenen Ansichten alles erreichen könne. Bei den Einsätzen sei es egal gewesen, wer woher komme und mit welchem Hintergrund – da habe niemand gefragt. Man habe eine Kernaufgabe gehabt und jede und jeder gab das Beste. Es sei beeindruckend, welch grosses Potential in einer Milizfeuerwehr stecke. Ebenfalls sei die Zusammenarbeit mit den Behörden immer sehr unterstützend und wohlwollend gewesen.
Heinrich Grossenbacher ist sehr stolz auf das, was die Regiofeuerwehr Su­mis­wald erreichte. «Wir haben im Kader stets am gleichen Strick gezogen. Alleine hätte ich das alles nie geschafft. Wir waren stets ein Team. Es hat alle gebraucht und alle haben mitgeholfen. Der Erfolg ist allen zu verdanken», sagt er anerkennend gegenüber den rund 125 Frauen und Männer. Der abtretende Kommandant ist überzeugt, dass sein Nachfolger Thomas Steffen die Regiofeuerwehr Sumiswald gut weiterführen wird. «Er ist top ausgebildet und sehr motiviert.» Er wünsche sich für ihn, dass er die gleiche Unterstützung von den Behörden erhält, wie er. Vor allem aber, dass die Wehr unfallfrei bleibe.

Verbesserungspotenzial
Die Wehr ist sehr gut aufgestellt und schlagkräftig. «Verbesserungspotenzial besteht aber immer. Bei der Infrastruktur haben wir noch Nachholbedarf. Etwa getrennte Toiletten fehlen noch. Auch haben wir Fahrzeuge, die 35-jährig sind. Das ist nicht mehr zeitgemäss.» Die weitere Planung sieht auch vor, die Wehr zu verkleinern. «Heute sind wir rund 125 Feuerwehrfrauen und -männer. Das Ziel sind etwa 100 Personen. Dafür aber Personen, die gut erreichbar und im Notfall anwesend sind.» Denn eine grosse Anzahl an Personen nütze nichts, wenn diese nicht verfügbar seien.
«Über alles gesehen, war es eine strenge, aber geniale und coole Zeit», sagt Heinrich Grossenbacher. So hat er ein weinendes und ein lachendes Auge: «Das Unverhoffte, bei dem man von einer auf die andere Sekunde reagieren und eine Lösung finden muss, wird mir fehlen. Ebenfalls die Kameraden werden mir fehlen, denn wir hatten ein tolles Team im Kader und der ganzen Mannschaft», sagt Heinrich Gros­sen­bacher doch etwas wehmütig.
Der ruhige und sympathische Kommandant wurde an der Gemeindeversammlung in Sumiswald von Fritz Kohler ebenfalls geehrt und verabschiedet: «Heinrich Grossenbacher hat die Regiofeuerwehr geprägt und war für mich der Inbegriff der Feuerwehr», sagte damals Fritz Kohler. Der anschliessende, kaum enden wollende Applaus für Heinrich Grossenbacher hatte diesen sehr überrascht. Das hätte er so nicht erwartet gehabt, meint Grossenbacher.

Zeit haben
Nun will Heinrich Grossenbacher endlich das Haus, das er zusammen mit seiner Frau vor zwölf Jahren gebaut hat, fertigstellen. Dafür reichte die Zeit neben dem 100 Prozent Pensum und der Feuerwehr nicht mehr. «Ich freue mich, nicht mehr in der dauernden Spannung zwischen Familie, Feuerwehr und Arbeit sein zu müssen und darauf zu hoffen, dass nirgends etwas passiert», sagt er. Das einzige Hobby, das er über all die Jahre bewahrt hat, sind seine Bienen, welche er bereits seit 30 Jahren hegt und pflegt. Gerne möchte er seine fünf Völker wieder etwas aufstocken. Und weitere Hobbies werden folgen, welche genau, wird sich zeigen. Lachend fügt er hinzu: «Ich habe schon viele Angebote für kleine Ämter bekommen – bis jetzt habe ich aber alle abgelehnt.»

Von Marianne Ruch