• Die langjährige Mitarbeiterin Greti Leuenberger, umgeben von Peter Hirschi (Inhaber und Geschäftsführer Lanz-Anliker AG) und Madeleine Bracher (Geschäftsleitung). · Bild: zvg

17.05.2021
Oberaargau

«Ich habe einfach meinen Job gemacht»

41 Jahre lang arbeitete Greti Leuenberger beim Rohrbacher Textilunternehmen Lanz-Anliker AG. Jetzt ist die gelernte Dekorationsnäherin in Pension gegangen. Sie hat den wachsenden Betrieb stark geprägt. Entsprechend viel Wissen und grosses Engagement haben mit ihr nun die Firma verlassen.

Rohrbach · Als Greti Leuenberger erstmals Hand anlegte in der mittlerweile 102-jährigen Firma, ging sie noch zur Schule. Die Sattlerei gehörte damals Hans Lanz. Dessen Frau, Marie Lanz, war Gretis Gotte. Die jungen, geschickten Finger des Gotte-Kindes waren im kleinen Betrieb willkommen. «Ich flickte Schulsäcke, Pferdesättel …», blickt die nun Pensionierte im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler» zurück. Doch dies sei nicht unbedingt der Grund gewesen, dass sie nach der Schule die Lehre als Dekorations-Näherin absolviert habe, meint sie. Die Schulfächer hätten es ihr nicht eben angetan: «Ich wollte etwas mit den Händen machen, um mein Brot zu verdienen.» Nach der Ausbildung blieb sie noch wenige Jahre im Lehrbetrieb, dann fragte der Onkel, ob sie nicht wieder in die Firma Lanz zurückkommen möchte.
Es sollte der Anfang einer jahrzehntelangen Laufbahn im selben Betrieb werden. Nur ganz zu Beginn habe sie hin und wieder mit etwas anderem geliebäugelt, erzählt sie. Später nicht mehr. «Öppis isch überau, u i bi ufe Verdienscht aagwise gsi u ha regumässige Lohn u interessanti Arbeit nid wöue uf ds Spiu setze.» Als Bauerntochter habe sie früh gelernt, Arbeiten pflichtbewusst zu erledigen.

Immer wieder neue Tätigkeitsfelder
Im Laufe der 1990er-Jahre expandierte das Unternehmen, zog von der Rohrbacher Käsereistrasse weg und hatte seinen Standort nun auf der Allmend. Ja, interessant sei es stets gewesen, erzählt Greti Leuenberger. Ständig habe sich das Unternehmen auf zusätzliche neue Tätigkeitsfelder spezialisiert, denn die Sattlereiaufträge für das Militär gingen merklich zurück, und auch der  Turnsportartikelbereich – damals ein weiterer Produktionszweig der Firma – wurde von ausländischen Anbietern verdrängt.
In Rohrbach wurden nun auch Filter hergestellt, später für das Partnerunternehmen Wiroma AG Röntgen- und Strahlenschutzartikel. 2016 übernahm die Lanz-Anliker AG diesen Bereich von der Wiroma AG.
Ein starker Ruck ging 1996, nach dem tragischen Hinschied des damaligen Firmeninhabers Ueli Lanz, durch die Firma. Damals nahm der heutige Firmeninhaber, Peter Hirschi, als Geschäftsführer das Geschick des Unternehmens an die Hand. Mit den Jahren ergaben sich immer wieder neue Wirkungsfelder, insbesondere in den sechs Linien Filtration (rund 45 % des Umsatzes), Sattlerei (rund 25 % des Umsatzes), Medizin, Reitsport, Verkehrsmittelinterieurs und Militär. Der Personalbestand von einst rund 30 Mitarbeitenden ist mittlerweile auf über 70 aufgestockt worden (der «Unter-Emmentaler» berichtete).
Mit wachem Interesse arbeitete sich Greti Leuenberger immer wieder in die neuen Bereiche der Firma ein. Längst war sie zur Abteilungsleiterin Näherei avanciert. Seit wann sie eine leitende Stellung innehat, weiss sie allerdings nicht mehr. «Es waren viele Jahre.» Aber das tue nichts zur Sache, meint sie bescheiden: «Ich habe einfach meinen Job gemacht.»

«Einfach» ist nicht immer einfach
Das Wort «einfach» fällt mehrmals im Gespräch. Aber so einfach war es
gewiss nicht immer. Wie oft Greti Leuenberger das Zugseil gezogen hat, wie oft sie Überstunden in Kauf nahm, damit ein Auftrag fertig wurde, wie viel Koordinationsfähigkeit, Wissen und Überblick ihre Tätigkeit erforderte, erzählte nicht sie selbst, sondern Peter Hirschi, bis vor kurzem ihr Vorgesetzter. Als er bemerkt habe, dass sie oft noch Arbeit mitnahm und diese über die Wochenenden erledigte, habe er ihr eine topmoderne Nähmaschine für zuhause geschenkt. «Angestellte wie Greti Leuenberger gibt es heute kaum noch», stellt er anerkennend fest.150-prozentig hatte sie sich mehr als 40 Jahre für «ihren» Betrieb eingesetzt. Längere Ferien hatte sie nie, krank und deshalb arbeitsabwesend war sie selten.

Ein offener Wunsch: Ein Labrador
Doch pünktlich auf das Erreichen des Pensionsalters hin war Schluss: Greti Leuenberger macht keine halben Sachen – nicht während ihrem Arbeitsleben, nun aber auch nicht im Ruhestand. Sie hat den Strich unter das Berufsleben gezogen, hilft ihrer Schwester beim Hüten der kleinen Grosskinder und geniesst die freie Zeit. Ein Plan, auf welchen sie sich seit langem freut, ist allerdings noch nicht aufgegangen: Sie wünscht sich sehnlichst einen jungen Labrador-Hund, «mit dem ich weite Spaziergänge machen möchte, um den ich mich kümmern kann.» Doch im Moment sei es fast unmöglich, einen solchen zu erhalten. «Die Zuchten sind auf viele Monate hinaus ausgebucht.» Wegen Corona und dem damit verbundenen Homeoffice hätten zahlreiche Menschen entschieden, sich einen Hund anzuschaffen. So wartet Greti Leuen­berger eben, bis es soweit ist. Dass sie Dinge reifen lassen kann und die Geduld aufbringt, sich so ganz einer für sie bestimmten Sache zu widmen, hat sie jahrzehntelang bewiesen.

Von Liselotte Jost-Zürcher