• Der Hürdenlauf ist zur Spezialdisziplin des vielseitigen Huttwiler Leichtathleten Micha Rutschmann geworden. · Bilder: athletix.ch/Jörg Oegerli

15.02.2021
Sport

«Ich laufe über die Hürden, weil es Spass macht»

Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Micha Rutschmann, Leichtathlet aus Huttwil – Der 20-jährige Huttwiler Micha Rutschmann hat sich zum Hürdenlauf-Spezialisten entwickelt. Ständig verbessert er seine Bestzeiten auf den Hürdendistanzen 110 m und 60 m. Vor der Hallen-SM vom Sonntag unterhielt sich der «UE»-Sport mit dem Talent.

Leichtathletik · Am Sonntag starten Sie in Magglingen zu Ihrer zweiten Hallen-SM bei der Elite. Nervös?
Nein. Ich habe nichts zu verlieren.

Über 60 m Hürden  stehen sämtliche sieben Gegner mit besseren persönlichen Bestmarken da als Sie. Ein Medaillengewinn dürfte damit praktisch unmöglich sein?
Wegen Covid-19 sind an der SM nur die «Swiss Starters» und die «Swiss Starters Future» zugelassen. Das Niveau ist dadurch extrem hoch. Ich bin froh, überhaupt dabei sein zu dürfen. Die drei besten der gemeldeten Hürdenläufer sind unschlagbar, wenn sie keinen Fehler machen. Doch im Hürdenlaufen ist schnell etwas passiert – und deshalb immer alles möglich.

Der Schweizer Zehnkampf-Shootingstar Simon Ehammer vom TV Teufen tritt über die Hürden als Favorit an. Wird er den Titel holen?
Ich denke, dass er es diesmal packen wird. Brahian Peña von der GG Bern dürfte ihn aber stark fordern.

Was haben Sie sich für ein SM-Ziel gesetzt?
Ich möchte eine persönliche neue Bestzeit laufen.

Wie die bisherigen Hallenmeetings, welche Sie bestritten haben, wird auch die Hallen-SM ohne Zuschauer stattfinden. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Es ist schon speziell, wenn man nichts hört. Zuschauer geben dem Wettkampf den besonderen Rahmen. Für mich persönlich ist es allerdings gar nicht schlecht so. Es nimmt den Druck. Ohne Zuschauer kann ich befreiter laufen.

Wie stark beeinflusst das Corona­virus Ihr Leben?
Mein Trainingsalltag hat sich überhaupt nicht verändert. In der Berufsschule muss ich eine Maske tragen, woran ich mich längst gewöhnt habe. Da ich auch vor der Pandemie kaum im Ausgang war, trifft mich diese Krise nicht fest. Das Coronavirus stellt allerdings eine Gefahr dar. Ich respektiere und befolge die Weisungen des Bundesrats.

Sind Sie bereits positiv getestet worden?
Ich bin weder erkrankt noch habe ich schon Quarantäne-Tage hinter mir. Allerdings habe ich auch fast alle sozialen Kontakte heruntergefahren. Ich gehe kein Risiko ein.

Blieb auch Ihr Umfeld verschont?
Tatsächlich, ja. Ich bin dankbar dafür.  

Die Leichtathletik ist Ihr grosses Steckenpferd. Wie kam es dazu?
Ich habe, wie so viele andere auch, während der Schulzeit die Jugendriege besucht. In diesen polysportlichen Trainings machte mir die Leichtathletik am meisten Freude. Um trainings- und leistungstechnisch einen Schritt nach vorne zu machen, entschloss ich mich in der 7. Klasse, mich der Leichtathletikvereinigung Langenthal anzuschliessen.

Dieser sind Sie bis heute treu geblieben.
Ganz genau, denn ich sehe keinen Grund für einen Wechsel. Es ist von Huttwil aus die nächstgelegene
Möglichkeit, um meinen Sport auf Leistungsniveau ausüben zu können. Mein Trainer-Duo Andrea und Marc Hammel sind sehr engagiert und fördern mich. Sie sind auch offen für Neues. So besuche ich jeden Mittwoch und Freitag in Magglingen die Spezialtrainings von Swiss Athletics, die vom ehemaligen Hürdenläufer und jetzigen Nationaltrainer Raphael Monachon geleitet werden.

Wieviele Trainings absolvieren Sie wöchentlich?
Ich bin sechsmal die Woche im Trainingseinsatz.

Wie bringen Sie dieses grosse Trainingspensum mit Ihrer Ausbildung unter einen Hut?
Nach Abschluss meiner Lehre zum Polymechaniker im vergangenen Sommer habe ich mich entschieden, noch die einjährige BMS zu absolvieren. Darum passt es super: tagsüber bin ich in der Schule und jeden Abend im Training. Zeit für andere Sachen bleibt da natürlich keine mehr, denn lernen sollte ich ja auch noch ein bisschen.

Wie kam es, dass Sie sich auf die Disziplin Hürdenlauf spezialisiert haben?
Meine Trainerin Andrea Hammel hat einmal gesagt, ich solle doch im Training die Hürden probieren. Dies klappte auf Anhieb hervorragend. Und auch der erste Wettkampf wurde gleich ein Erfolg. Schnell zeigte sich, dass mir das Hürdenlaufen am meisten liegt. Immer wie mehr spezialisierte ich mich deshalb auf diese Disziplin.

Huttwil brachte einige starke Hürdenläufer hervor. Zuletzt war es der mit 43 Jahren viel zu früh verstorbene Bäckermeister Urs Lienhart, der mitunter 1988 Junioren-Schweizermeister über 110 Meter Hürden wurde. Haben Sie von ihm gehört?
Bedauerlicherweise habe ich ihn nie getroffen. Mein Vater hat mir aber über Urs Lienhart und seine Erfolge berichtet. Urs Lienhart ist der Vater meines ehemaligen Schulkollegen Damian.   

Ihre Bestzeiten liegen bei 14,73 Sekunden (110 m Hürden) und 8,20 Sekunden (60 m Hürden/Halle). Die Schweizerrekorde liegen bei 13,29 Sekunden und 7,56 Sekunden. Was ist bei Ihnen noch möglich?
Meine Sprintzeiten sind noch nicht gut. Da gibt es noch grosses Potenzial. Wenn ich mich im Sprint verbessere, werde ich auch schneller über die Hürden sein. Ich denke, dass ein Schweizerrekord für mich ausser Reichweite liegt. Ich könnte mir aber vorstellen, ein guter 14,00-Sekunden-Hürdenläufer zu werden.

Sie sind ein vielseitiger Leichtathlet. Mit 11,25 Sekunden über 100 m, 1,90 m im Hochsprung oder 6,47 m im Weitsprung hätten Sie auch in anderen Disziplinen grosses Potenzial.
Diese rückten halt in den Hintergrund, weil ich im Hürdenlaufen talentierter bin. Ausserdem bereitet mir die Hürden- disziplin mit Abstand am meisten Spass.

Sie haben in den Nachwuchskategorien bisher fünf Medaillen an Schweizermeisterschaften gewonnen. Welches ist das für Sie bisher wertvollste Edelmetall?
Ganz klar die U23-Bronzemedaille vom letzten Jahr. Ich habe sie in einem absoluten Spitzenfeld gewonnen. Ausnahmetalente wie Jason Joseph und Simon Ehammer waren in diesem Rennen in Frauenfeld meine Konkurrenten.

Nun starten Sie bei der Elite. Es wird schwieriger, SM-Medaillen zu gewinnen.
Definitiv. Doch wenn ich meine persönliche Bestzeit ständig verbessern kann, komme ich den Medaillen automatisch näher.

Wie sehen Ihre Ziele 2021 aus?
Falls sie stattfinden kann, ist die U23-Europameisterschaft im norwegischen Bergen im Juli mein Hauptziel. Dazu die SM der Aktiven, die im Juni in meinem Heimstadion in Langenthal geplant ist.

Haben Sie schon einmal von einem Start an Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen geträumt?
Natürlich. Und davon zu träumen, ist immer erlaubt.

Kurz gefragt

Bester Leichtathlet ever: Der britische Hürdenläufer Colin Jackson. Mein Vorbild ist allerdings der Schweizer Hürdenläufer Jason Joseph.

Gerade so gut wie Leichtathletik: Ein gemütlicher Sonntag.

Glückszahl: Habe ich keine.

Verletzungen: Im Mai 2017 habe ich mir beim Weitsprungtraining die Innenbänder am linken Sprunggelenk gerissen
und musste sieben Monate auf Wettkämpfe verzichten. Dies ist aber glücklicherweise meine einzige schwere Verletzung bisher.

Freundin: Die Kugelstösserin Vanessa Fust ist meine Partnerin. Dies bringt im sportlichen Bereich viel Verständnis. Ich bin sehr froh, sie zu haben. Sie ist auch für mich da, wenn es mir nicht gut läuft. Wir haben es schön zusammen.

Facebook: Habe ich, allerdings nur für Infos.

Instagram: Habe ich auch. Und hier poste ich ab und zu sogar etwas.  

WhatsApp: Unverzichtbar. Alle Informationen sowie Trainings- und Terminvereinbarungen laufen bei mir über diese App.
 
Kreuzworträtsel:
Mag ich. Mache ich ab und zu.

Süssigkeiten: In der Offseason gerne ab und zu. Am liebsten eine saure Zunge.

Jahreszeit: Sommer, definitiv.

Instrument: Ich habe während meiner Schulzeit Schlagzeug gespielt.

Gartenarbeit: Ich helfe ab und zu mit – wenn es sein muss.

Putzen: Auch hier helfe ich ab und zu mit. Gehört aber nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen.