• Mehr Zeit für seine Zucht der Burgdorfer Pferde zu haben, war einer der Gründe von Marius Zollet, als Gemeindepräsident von Affoltern zu demissionieren. · Bild: Thomas Peter

11.12.2020
Emmental

«Ich wollte Ruhe in die Verwaltung bringen»

Nach 16 Jahren in den Diensten der Gemeinde Affoltern kehrt Marius Zollet der Politik den Rücken zu. Seine letzten vier Jahre als Gemeindepräsident waren hart und zeitraubend. Doch sein Ziel hat er erreicht. Nun tritt der 65-Jährige in den wohlverdienten Ruhestand und freut sich auf die gewonnene Zeit für seine Hobbys.

Affoltern · Weg und Wald prägte die 16-jährige politische Karriere von Marius Zollet. Als der damals 49-jährige Kältetechniker in Affoltern in die Politik einstieg, nahm er in der Kommission Weg und Wald Einsitz. Acht Jahre brachte er sich dort mit seinem Wissen ein. Dann demissionierte der Präsident und Marius Zollet rutschte nach, zog in den Gemeinderat ein und übernahm das Kommissionspräsidium.

Ordnung in die Unruhe gebracht
Als er vor vier Jahren zum Gemein­depräsidenten gewählt wurde, nahm er «sein» Ressort gleich mit. Zu der Zeit herrschte in der Verwaltung eine grosse Unruhe. Innerhalb weniger Monate mussten mehrere Stellenwechsel bewältigt werden. «Von meinen Rats­kollegen wollte damals niemand das Präsidentenamt übernehmen und einem frischen Gemeinderat konnte man eine angeschlagene Verwaltung nicht mit guten Gewissen übergeben», erklärt Marius Zollet seine damalige Entscheidung. Sein Ziel: Wieder Ruhe in die Verwaltung zu bringen. Gesagt, getan. Die Verwaltung wurde komplett ausgewechselt. «Das war ich aber nicht allein, der Gemeinderat ist ein gutes Team und wir haben diese Hürde zusammen gemeistert», gibt sich Zollet bescheiden und versucht sich zu erinnern, wie es zum Kollaps kam.

«Geldsegen» löste Projektlawine aus
Das Problem auf der Verwaltung sei schleichend entstanden, erzählt er. Affoltern war, bevor die Onyx Aktien ausbezahlt wurden, eine eher finanzschwache Gemeinde. Viele Projekte mussten aufgrund fehlender Gelder auf die Warteliste gestellt werden. Als dann der dringend benötigte Geldsegen kam, sollten ebendiese Projekte endlich in Angriff genommen werden. Die dadurch entstandene Mehrarbeit konnte das bestehende Verwaltungsteam nicht mehr allein bewältigen. Es war nicht mehr möglich, die Arbeiten zeitgerecht zu erledigen. Auch führte der grosse Druck auf die Verwaltungsangestellten zu Fehlern.
Gleichzeitig musste in dieser ohnehin schon schwierigen Zeit das neue Rechnungsmodell HRM2 eingeführt werden, was nochmals zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutete. Man habe die Missstände auf der Verwaltung schlichtweg zu spät bemerkt, gesteht Marius Zollet. Unterdessen ist auf der Verwaltung Ruhe eingekehrt. Der Gemeindepräsident hat sein Ziel erreicht. Sogar die letzte Lücke bei der Bauverwaltung konnte im Dezember geschlossen werden. Marius Zollet ist froh, dass er nun seinem Nachfolger eine gut funktionierende Verwaltung übergeben kann. Wer dies sein wird, entscheiden die Stimmberechtigten. Gewählt wird der neue Gemeinde­präsident aufgrund der Corona-Pandemie am 20. Dezember an der Urne.

Aufgewachsen in Kanton Freiburg
Aufgewachsen ist Marius Zollet in Wünnewil im Kanton Freiburg. Seit zwanzig Jahren schon lebt er in Affoltern. Ebenso lange arbeitete er als Landwirt auf einem gepachteten Bauernhof in Ersigen. Als die Familie dort fort musste, machte sie sich auf die Suche nach einem anderen Bauernhof und wurde in Affoltern fündig. Kurze Zeit arbeitete Marius Zollet als Buschauffeur in Burgdorf. Eine Arbeit, die ihm jedoch nicht sonderlich zusagte. Der gelernte Kältetechniker hatte Glück und konnte kurz darauf wieder zu seinem ehemaligen Arbeitgeber zurück. «Das war eine schöne Arbeit, ich konnte die Kälteanlagen mit dem Lastwagen in der ganzen Schweiz ausliefern und montieren», schwärmt Zollet. Dieses Jahr feierte der vierfache Familienvater seinen 65. Geburtstag. Seine Pensionierung ist einer der Gründe, weshalb er sich entschied, das Amt als Gemeindepräsident niederzulegen. Aber auch die im Umfang zunehmenden Vorgaben des Kantons, welche die Gemeinden zu erfüllen haben, ohne intervenieren zu können, waren für Marius Zollet unbefriedigend. «Gut ein Drittel vom Steuereinkommen muss für den sozialen Bereich aufgewendet werden, ein weiterer Drittel fliesst in die Bildung. Alles Kosten, die der Kanton bestimmt. Da bleibt nicht mehr viel Geld für Handlungen in der Gemeinde übrig», bedauert Marius Zollet. Ein weiterer Grund, aus dem Gemeinderat auszutreten, ist ein zeitaufwendiges Hobby, dem Marius Zollet frönt.

Mehr Zeit für Hobbys
Seit einigen Jahren züchtet er Burgdorfer Pferde. Eine alte Schweizer Pferderasse, die während des ersten Weltkrieges in Burgdorf gezüchtet wurde. Ende der 60er-Jahre sind die mittel- bis schweren Arbeitspferde ausgestorben. Seit 2008 wurde die Rasse neu belebt. Marius Zollet möchte die neu gewonnene Zeit auch für Reisen nutzen und mit seiner Frau und dem Wohnwagen Nord- und Osteuropa entdecken. In der Schweiz gäbe es ebenfalls noch viele schöne Orte, die er noch nicht gesehen habe, sagt der rüstige Rentner.
Doch seine Reisepläne muss Marius Zollet vorerst aufschieben, zumindest solange der Coronavirus noch sein Unwesen treibt. Bis dahin unternimmt er Spritztouren mit seinem kürzlich erworbenen Quad oder ist beim Holzen im Wald anzutreffen.

Von Marion Heiniger