• Vor 35 Jahren ist Therese Trofino Lanz mit ihrem Ehemann nach Italien ausgewandert. Die Familie lebt seither mit Hund und Katze auf einem Hügel in Ortona nur zwei Kilometer vom Meer entfernt. · Bilder: zvg

  • Vor 35 Jahren ist Therese Trofino Lanz mit ihrem Ehemann nach Italien ausgewandert. Die Familie lebt seither mit Hund und Katze auf einem Hügel in Ortona nur zwei Kilometer vom Meer entfernt. · Bilder: zvg

  • Die schönen Spaziergänge am Meer gehören zu den Lieblingsbeschäftigungen von Therese Trofino Lanz.

  • Die schönen Spaziergänge am Meer gehören zu den Lieblingsbeschäftigungen von Therese Trofino Lanz.

05.08.2021
Oberaargau

In den Abruzzen die neue Heimat gefunden

Die Schweizerin Therese Trofino Lanz und ihr italienischer Mann haben vor 35 Jahren den Entscheid gefasst, die Schweiz wegen seiner Schwiegermutter zu verlassen und nach Italien auszuwandern. Die beiden wagten den Schritt in ein neues Leben, ohne zu wissen, was dabei herauskommt. Für Therese war die Herausforderung gross, denn sie stürzte sich ohne Sprachkenntnisse in das italienische Abenteuer.

Der UE geht um die Welt · «Meine Schwiegermutter lebte damals in de 80er-Jahren alleine im Haus meines Mannes», erzählt Therese Trofino Lanz. Obwohl alle ihre Kinder in der Schweiz leben, konnte sich die Schwiegermutter nie an das Leben in der Schweiz gewöhnen und auch die Sprache fiel ihr schwer. «Nach zwei Wochen Urlaub wollte sie bereits wieder zurück nach Italien», schildert Therese Trofino Lanz die frühere Situation.
Den Entscheid, nach Italien auszuwandern, hat das Ehepaar schliesslich 1986 nach ihrer Heirat in der Schweiz gefasst. Sie zogen im März ihrer Schwiegermutter zu Liebe nach Italien und sind bis heute dort geblieben.

«Wir stürzten uns in ein Abenteuer»
Wenn die Trofinos zurückblicken, wissen sie, dass dies ein grosser Schritt in ein neues Abenteuer war. «Wir beide liessen viel zurück: So unsere gute Arbeitsstelle und auch ein Stück Heimat.» Doch ganz verloren war dieses Stück Heimat nie: «Ich lese den ‹Unter-Emmentaler›, weil mich diese Zeitung über das Geschehen aus meiner Region informiert», sagt Trofino Lanz begeistert. Dabei lese sie fast alles, von den Kolumnen, über Gratulationen und Todesanzeigen, aber auch die Berichte von Hannes Luginbühl (Präsident Gewerbeverein), der Mann ihrer Nichte, und die Geschichten aus der Umgebung gehören bei ihr ins Leseprogramm. «Ich habe meine Kindheit in Gondiswil verbracht, und diese Beziehung zu meiner Heimat bleibt bestehen», erzählt sie und schwärmt weiter: «Die schöne Schweiz, sie bleibt mir für immer in Erinnerung.» Mindestens einmal im Jahr kommt sie mit ihrem Mann zurück in ihre Heimat und verbringt ihre Zeit mit Familienangehörigen und Freunden. «Im Juli sind es coronabedingt nun zwei Jahre her, als wir das letzte Mal in der Schweiz waren», bedauert sie.

Eingesperrt in der Gemeinde
«Wir erlebten die Coronazeit zwar ziemlich gut, da wir auf dem Lande wohnen und pensioniert sind», erzählt Therese Trofino Lanz. Dennoch waren sie sehr eingeschränkt und konnten nur für notwendige Dinge wie Einkaufen, Arztbesuche oder andere wichtige Termine, die eine Bewilligung erforderten, ihre Gemeinde verlassen. «Zum Glück ist es in der ganzen Region Abruzzo nun ruhiger geworden und wir sind wieder freier», freut sich die Pensionärin.
Diese Freiheiten geniesst das Ehepaar mit ihrer Tochter, die in Ortona mit ihnen auf einem Hügel lebt, sehr. «Ich habe hier eine neue Heimat gefunden», gibt die 67-Jährige zu verstehen. Nur zwei Kilometer trennen sie übrigens vom Meer. Sie geniessen einen schönen Freistrand und leben im Grünen mit einem grossen Garten und haben Hund und Katze.

«Ich habe mich total angepasst»
Nach dem Tod ihrer Schwiegermutter hat Therese Trofino Lanz 16 Jahre in einem kleinen Familienbetrieb als Konfektionsschneiderin gearbeitet. «Ich wurde gut aufgenommen», erinnert sie sich. «Im Vergleich zu der Schweiz braucht es hier manchmal etwas mehr Geduld, weil die Bürokratie eben anders funktioniert», weiss Trofino Lanz ganz genau.
Dennoch habe sie sich total angepasst, was vielleicht, wie sie selbst sagt, an ihrem offenen Charakter liegt. «Am Anfang hatte ich mit der Sprache natürlich Probleme und aufgrund meines Dialekts gab es des Öfteren etwas zu lachen. Aber die Italiener sind da ja sehr hilfsbereit», lacht sie.

Wie aus dem Bilderbuch
Der Wegzug aus der Schweiz hat das Bild, das Therese Trofino Lanz von der Schweiz hat, nicht verändert. «Ich sehe unser Land nicht mit anderen Augen und habe nach wie vor das Gefühl, wenn ich aus dem Gotthard fahre, dass alles so gepflegt ist und jedes Plätzchen aussieht wie aus einem Bilderbuch.» In Italien sei eben alles ein wenig wilder. Nicht aber der Umgang mit dem Abfall in ihrer Region: «Jeden Tag wird der Müll vor unserem Haus abgeholt», schwärmt sie.
Ob Italien oder die Schweiz, die Auswanderin weiss von beiden Ländern zu schwärmen und zu berichten. Dennoch sei ein Umzug zurück in die Schweiz für sie aufgrund zu hoher Kosten ausgeschlossen und sie könne sich ein Leben dort nicht mehr vorstellen. «Es geht uns hier in Ortona gut, wir fühlen uns wohl und sind hier zuhause.» Was der Schweizerin eben dann doch fehlt, sind die «guete Emmentaler Meringue vom Tannenbad». «Die Italiener sind von der Schweiz beeindruckt», weiss sie und genauso beeindruckt ist sie von Italien und will das neue Leben dort nicht mehr aufgeben. «Ein Ehepaar aus dem Aargau lebt seit 2001 im Haus direkt neben uns», erzählt Therese Trofino Lanz weiter. Italien und die Schweiz bleiben somit weiterhin eng miteinander verbunden.

Von Chantal Bigler