• Dominik Hodel, Landschaftsgärtnerlehrling von der Blumeninsel Huttwil, gibt Martin Gerber aus Eriswil Tipps bei der Bedienung des Baggers.

  • Sanitärinstallateur Beat Minder aus Wyssachen konnte zwei Jugendliche für Schnupperlehren gewinnen. · Bilder: Thomas Peter

22.01.2020
Huttwil

Jetzt geht es wirklich los mit der Berufswahl

Während KV und Informatik weiterhin an oberster Stelle bei der Berufswahl von Jugendlichen stehen, haben es auch in der Region Huttwil Handwerkbetriebe nicht leicht, Nachwuchs zu finden. An der zweiten Berufs- und Ausstellungsmesse (BAM) im Oberstufenschulhaus Hofmatt versuchten 36 Betriebe mit 66 Lehrstellenangeboten die Gunst der gut 100 Schülerinnen und Schüler zu gewinnen. Aber auch die Jugendlichen waren heiss auf Schnupperangebote.

«Die Zeiten sind vorbei, als man sich aus vielen Bewerbungen einen Lehrling auswählen konnte.» Roger Schulze vom gleichnamigen Huttwiler Elektrofachgeschäft macht keinen Hehl aus der aktuell prekären Situation, Stifte für Handwerkerberufe wie Elektroinstallateur oder Montageelektriker zu finden. Viele würden schulisch weiter machen, ans Gymnasium gehen. «Im Moment ist es eher so, dass wir manchmal nur eine valable Bewerbung erhalten.» Und dann entscheide man sich eben für den einzigen Kandidaten. Doch Roger Schulze lässt nichts unversucht.
Deshalb hat er auch an der zweiten BAM, der Berufs- und Ausstellungsmesse, im Hofmattschulhaus teilgenommen. «Wir konnten drei Schnupperlehren abmachen. Das werte ich als sehr schönen Erfolg», ist Roger Schulze erfreut. Und Roger Schulze geht noch einen Schritt weiter. Er bittet Samuel Schmid (Berufswahlverantwortlicher der Oberstufenschule Hofmatt), einen Flyer für seine Lehrlingssuche im Schulhaus aufhängen zu dürfen. «Jederzeit, wirklich jederzeit», bietet dieser sofort Hand.

Schulterschluss bei Berufswahl
«Es gibt einige Betriebe in der Region, die gegenwärtig Schwierigkeiten haben, Lehrlinge zu finden», lässt Samuel Schmid durchblicken. Vor allem bei Berufen, bei denen «man sich dreckig macht». Im Gegensatz etwa zu KV und Informatik. Deshalb musste die Oberstufenschule Hofmatt die Gewerbebetriebe nicht lange fragen, ob sie auch an der zweiten BAM mitmachen würden. Im Gegenteil. «Viele sind sogar von sich aus auf uns zugekommen», erklärt dazu Schulleiter Pierre Zesiger, der von einem eigentlichen Schulterschluss zwischen dem Gewerbe der Region und der Schule spricht. Beide würden in der Berufswahl Hand in Hand am gleichen Strick ziehen. «Wir schätzen uns sehr glücklich, dass wir mit dem Gewerbeverein gemeinsam eine BAM anbieten können mit 36 Betrieben und 66 Lehrstellen aus einem sehr breiten Berufsspektrum.»
Somit ist die BAM nicht nur für die Gewerbebetriebe attraktiv, sondern auch für die Lehrstellensuchenden, «die hier mit den Berufen viel direkter in Berührung kommen als etwa durch eine Internetrecherche», so Samuel Schmid. Zudem würden die Jugendlichen sehen, was für Berufe man sozusagen vor der Haustüre erlernen könne und deswegen nicht zum Beispiel nach Bern gehen müsse. «Es ist einfach gut, wenn die Jugendlichen hier bleiben und eine Lehre in der Region machen», findet Samuel Schmid.

Eigeninitiative wecken
Und die rund 100 Schüler aus Huttwil, Eriswil, Gondiswil und erstmals aus Rohrbach wissen an der BAM die Vielfalt zu schätzen.
So etwa die Eriswilerin Soraya Zuber. «Ich habe schon einige Schnupperlehren gemacht, bis jetzt aber noch nichts gefunden, das mir wirklich gefällt», zeigt sie sich weiterhin offen für alles. «Etwas mit Pflanzen, Staudengärtnerin, oder etwas im Gesundheitswesen könnte ich mir vorstellen.»
Aber auch ein Hauswirtschaftsbildungsjahr auf dem Lamahof Tschäppel hat an der BAM ihr Interesse geweckt. Bei ihrer Klassenkollegin Livia Wüthrich ist hingegen vor kurzem der Entscheid gefallen. «Ich will Köchin werden.» Die beiden Eriswilerinnen sind freiwillig aus eigenem Antrieb an die BAM gekommen, da sie als Neuntklässlerinnen noch auf der Suche nach der idealen Lehrstelle sind.
Hingegen gehört die Berufsmesse im Rahmen der schulischen Berufswahlvorbereitung sozusagen als Supplement zum Unterricht für die 8. Klasse. Bisher haben die Jugendlichen Betriebe besucht, Lehrmeister und Stifte zu Gesprächen eingeladen und gelernt, Bewerbungen zu schreiben. Und an der BAM haben sie Möglichkeit, einen Überblick über die verschiedenen Bereiche zu erhalten, erklärt Samuel Schmid. Dabei hatten die Schülerinnen und Schüler den definierten Auftrag, jeweils drei typische Tätigkeiten aus den unterschiedlichsten Berufssparten wie Handwerk- und Bausektor, Lebensmittelverarbeitung, Gesundheitswesen oder Dienstleistungen zu erfragen. «Ziel ist es letztlich, dass die Jugendlichen Eigeninitiative ergreifen und merken: Jetzt geht es wirklich los mit der Berufswahl», umschreibt es Samuel Schmid.

Erstmals Eltern eingeladen
Initiative hat der Martin Gerber an den Tag gelegt. «Ich habe heute viele Karten mit Adressen und Telefonnummern gesammelt, um schnuppern zu können.» Der Eriswiler hat aber ganz klare Vorstellungen, wohin es für ihn gehe soll: «Bauer, Metallbauer oder Strassenarbeiter.» Richtung körperliche Arbeit also. Auf einem anderen Hof hat der Bauernsohn schon geschnuppert.
Auch den Huttwiler Robin Vogt zieht es in einen handwerklichen Beruf. «Danke vielmals», schüttelt er Lukas Müller erfreut die Hand. Der Achtklässler hat mit dem Geschäftsführer der Rohrbacher Holzwerkstatt Schmocker GmbH eine Schreiner-Schnupperlehre abgemacht. «Jetzt muss sich Robin noch telefonisch melden, um den Termin definitiv zu vereinbaren», erklärt dessen Mutter Jacqueline.
Erstmals sind auch Eltern an die BAM eingeladen. «Robin hat uns gefragt, ob wir Interesse hätten, mitzukommen. Ich finde es sehr spannend. Die Lehrmeister sind hier sehr zuvorkommend», ist sie angetan.

Viele Schnupperanfragen
Aber auch die Lehrmeister äussern sich positiv. So etwa Sanitärinstallateur Beat Minder von Wyssachen: «Wir wollten uns hier unbedingt zeigen, da wir schon lange einen Lehrlingsmangel haben. Ich hätte nicht gedacht, dass das Interesse so gross ist. Wir haben auch zwei Schnupperanfragen erhalten, die wir nicht hätten, wenn wir nicht hier gewesen wären.» Ähnlich tönt es bei Simon Ingold, dessen Blumeninsel in Huttwil pro Jahr drei Lehrstellen anbietet. Die Floristin-Stelle war kein Problem. «Doch haben wir weder für Landschaftsgärtner noch für Zierpflanzengärtner Lehrlinge gefunden. Das ist uns noch nie passiert.» Hingegen hätten jetzt mehrere Jugendliche ihr Interesse für ein Schnuppern angemeldet. «Es besteht halt
die Tendenz, dass Handwerkerberufe nicht gefragt sind. Doch bin ich sicher, dass in zehn Jahren jene sehr gefragt sind und das grosse Geld machen, die nicht nur wissen, wie man einen Nagel zeichnet und berechnet, sondern auch wissen, wie man ihn einschlägt.»

Von Thomas Peter