• Huttwil und Langenthal belegen im neusten HIV-Rating einen Spitzenplatz. In beiden Orten (Bild Huttwil) werden aktuell Strassenbau-Projekte realisiert, die sich künftig positiv auf die beiden HIV-Ratingkriterien Verkehrsanbindung sowie Umgebung/Lebensqualität auswirken werden. · Bild: Walter Ryser

14.04.2020
Emmental

Jetzt ist auch Huttwil HIV-positiv

Huttwil ist beim neusten Gemeinderating des Handels- und Industrievereins des Kantons Bern (HIV) der grosse Gewinner. Nachdem die Huttwiler bei den letzten Bewertungen stets schlecht wegkamen, figurieren sie nun im aktuellen Rating neu in der Spitzengruppe. Die Freude darüber hält sich bei Gemeindepräsident Walter Rohrbach aber in Grenzen. Die Bewertung sei zwar erfreulich, dürfe aber nicht überbewertet werden, weil es auch noch eine andere Sichtweise auf die Gemeinde gebe.

Emmental/Oberaargau · 1998 entstand beim Handels- und Industrieverein (HIV) des Kantons Bern die Idee, die Standortqualität der bernischen Gemeinden zu analysieren und zu bewerten und ein Rating zu erstellen. Die Bewertung der Gemeinden basiert auf einem aufwändigen Benchmarking-Verfahren anhand folgender Kriterien: Steuern/Gebühren; Verkehrsanbindung; Bauen/Reglemente/Flächen; Weiche Standortfaktoren sowie Umgebung/Lebensqualität. Den Gemeinden sollen auf diese Weise Stärken und Schwächen aufgezeigt und Verbesserungspotenziale definiert werden.

Region Emmental/Oberaargau führend
Das HIV-Rating wird seit 1999 periodisch durchgeführt. Beim neusten, sechsten Rating wurden gegenüber früheren Ratings – nicht zuletzt auch auf Wunsch der teilnehmenden Gemeinden – einige, vor allem strukturelle Veränderungen vorgenommen.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass die bewerteten Gemeinden in der Region Emmental/Oberargau sehr gut abschneiden. Die durchschnittlich erreichten 159,56 Punkte liegen deutlich über dem Mittelwert des Gesamtratings (155,18 Punkte). Im kantonsweiten Vergleich der Ratingregionen übernimmt die Region Emmental/Oberaargau damit sogar die Führung.
Insbesondere punkten können das Emmental und der Oberaargau beispielsweise in den Faktorengruppen Bauen/Reglemente/Flächen, dank der guten Verfügbarkeit von Bauland, einem moderaten Preisniveau und weniger Verschärfung beim Höchstanteil nicht erneuerbarer Energien sowie in der Beurteilung von Umgebung/Lebensqualität, wo unter anderem auch die aussergewöhnlich guten Naherholungsmöglichkeiten ins Gewicht fallen. Auch in der Faktorengruppe Steuern/Gebühren schwingt die Region Emmental/Oberaargau im interregionalen Vergleich obenaus, jedoch auf einem nach wie vor hohen Belastungsniveau.
Aus der Sicht des HIV besteht auch in dieser Faktorengruppe weiterhin das grösste Verbesserungspotenzial.
Die Detailbetrachtung zeigt, dass sich im aktuellen Rating 21 von 25 teilnehmenden Gemeinden der Region Emmental/Oberaargau entweder in der Spitzengruppe oder der Gruppe 2 (Verfolger) klassieren, das entspricht einem Anteil von 84 Prozent.
Zudem klassiert sich keine Gemeinde schlechter als in der Gruppe 3, was bedeutet, dass auch die Gemeinden mit den tiefsten Punktzahlen in der Region Emmental/Oberaargau gesamtkantonal in punkto Standortattraktivität gut mithalten können.

Rating dient als Prüfstein
Neu steht im aktuellen HIV-Gemeinderating der Region Emmental/Oberaargau Kirchberg an der Spitze. Die Gemeinde klassierte sich bereits vor vier Jahren auf einem Podestplatz (damals als Drittplatzierte) und schaffte nun den Sprung nach ganz vorne. Erstmals wurden beim aktuellen Rating die bestklassierten Gemeinden pro Faktorengruppe ausgezeichnet. Die entsprechenden Siegergemeinden sind: Kirchberg und Niederönz in der Faktorengruppe Steuern/Gebühren; Lyssach in der Faktorengruppe Verkehrsanbindung; Huttwil, zusammen mit Konolfingen, Oberburg und Wangen a. A. in der Faktorengruppe Bauen/Reglemente/Flächen, Langenthal in der Faktorengruppe weiche Standortfaktoren sowie Herzogenbuchsee in der Faktorengruppe Umgebung/Lebensqualität.
Auf Gesamtrang zwei im Rating findet man Langenthal. Stadtpräsident Reto Müller nimmt das Resultat mit Genugtuung zur Kenntnis, spricht aber auch davon, das Ergebnis mit einer gewissen Zurückhaltung zu betrachten. «Solche Ratings sind in der Regel auf gewisse Teilbereiche des Gemeindelebens fokussiert, beim HIV-Rating stehen vor allem die wirtschaftlichen Faktoren im Zentrum», bemerkte Müller dazu. Dennoch seien solche Ratings wertvoll, stellten sie doch für die Arbeit des Gemeinderates einen Prüfstein dar, der aufzeige, wo man sich gut positioniert habe und wo Verbesserungspotenzial bestehe. «Nicht unerwartet hat der HIV bei Langenthal Verbesserungspotenzial im Bereich der Verkehrserschliessung festgestellt», erwähnt der Langenthaler Stapi, der überzeugt ist, dass Langenthal in diesem Bereich bei den künftigen Ratings besser abschneiden wird. Er wies diesbezüglich auf die umfassenden Strassensanierungen in und um Langenthal hin, die zum Teil bereits begonnen haben oder mit der geplanten Umfahrung Aarwangen demnächst realisiert werden.

Huttwil neu in der Spitzengruppe
Neu in der Rating-Spitzengruppe vertreten ist die Gemeinde Huttwil (Rang 9), welche bei früheren Ratings oft einen schweren Stand hatte und schlecht bewertet wurde. Auch Walter Rohrbach dämpfte die Euphorie über das gute Resultat. Der Gemeindepräsident zeigte sich zwar erfreut, aber zugleich auch ein wenig ratlos darüber, was genau den Ausschlag für die gute Bewertung gab. «Klar, wir befinden uns mitten in einem Veränderungsprozess. Dieser hat jedoch erst begonnen und hat im Vergleich zum letzten Rating noch zu keinen markanten Verbesserungen in der Gemeinde geführt», erwähnte Rohrbach.
Man werde deshalb das Rating noch genauer analysieren. Dennoch nehme man das Ergebnis mit Freude und Genugtuung zur Kenntnis, im Bewusstsein, dass es auch eine andere Sichtweise auf die Entwicklung der Gemeinde gebe.
So seien beispielsweise die Studierenden der Fachhochschule Bern im Rahmen des Projekts «Städtliwerkstatt» bei gewissen Faktoren, die vom HIV als äusserst positiv bewertet worden seien, zum Schluss gekommen, dass sich diese für die künftige Entwicklung Huttwils als äusserst problematisch erweisen. «Wir sind uns deshalb bewusst, dass wir uns, was die künftige Entwicklung Huttwils angeht, auf einer Gratwanderung befinden», gab Gemeindepräsident Walter Rohrbach zu verstehen.
Ungetrübte Freude herrscht dagegen bei Fritz Kohler, Gemeindepräsident von Sumiswald, der sich mit seiner Gemeinde ebenfalls klar verbessern konnte und in der Gruppe 2 (Verfolger) Unterschlupf fand. «Dieses Rating ist uns nicht gleichgültig, es liefert uns wichtige Aufschlüsse, wo wir uns noch verbessern können», sagte Kohler, der betonte, dass es dem Gemeinderat ein grosses Anliegen sei, für das ortsansässige Gewerbe erstklassige Rahmenbedingungen zu schaffen, um möglichst viele Arbeitsplätze in der Gemeinde zu halten.
Deshalb schaue man bei diesem Rating genau hin und diskutiere im Gemeinderat über weitere Massnahmen für Verbesserungen in den einzelnen Teilbereichen. «Denn», so Fritz Kohler, «wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein.»

Von Walter Ryser