• Die Corona-Krise hat Auswirkungen auf alle unsere Lebensbereiche. Betroffen davon ist auch das kirchliche Leben, das in vielen Gemeinden praktisch zum Erliegen gekommen ist. Doch die Kirchgemeinden und Pfarrämter treten dem Coronavirus entschlossen entgegen, wie eine Umfrage des «Unter-Emmentalers» zeigt. Viele Kirchen stellen in diesen Tagen innovative Angebote und an die Situation angepasste seelsorgerische Dienstleistungen zur Verfügung (im Bild die reformierte Kirche Huttwil). Es zeigt sich aber auch, dass sich gerade die Kirchen schwer tun mit der Digitalisierung. Bei den regionalen Kirchgemeinden sind nur wenige Angebote in diesem Bereich verfügbar. Dafür setzt man vielerorts auf andere Kontaktmöglichkeiten, um die Kirchenmitglieder erreichen zu können. · Bild: Walter Ryser

30.03.2020
Oberaargau

Kirchen treten dem Coronavirus entgegen

Die Corona-Krise sorgt nicht nur für leere Strassen, auch das kirchliche Leben ist in vielen Gemeinden zum Erliegen gekommen. Doch die Kirchgemeinden und Pfarrämter treten dem Coronavirus entschlossen entgegen und stellen innovative Angebote und an die Situation angepasste seelsorgerische Dienstleistungen zur Verfügung.

Oberaargau · Domherr Alex L. Maier (Wangen a. A.) vom Pastoralraum Oberaargau bringt die aktuelle Lage der römisch-katholischen Kirchgemeinde Langenthal (bestehend aus den Pfarreien Langenthal, Wangen a. A., Herzogenbuchsee und Huttwil) auf den Punkt: «Wir befinden uns in einer Situation, die keiner von uns je erlebt hat.» Die Corona-Krise stelle auch die Kirchgemeinden und Pfarrämter vor neue und grosse Herausforderungen. Eucharistiefeiern würden in den Kirchen weiterhin stattfinden, aber ohne Besucher. Die Pfarreimitglieder seien hier in Gedanken mit ihrer Gemeinschaft verbunden. Auf digitale Gottesdienst-Angebote dagegen verzichte man vorerst, davon seien viele verfügbar.

Projekt «Huttu hilft»
Doch ältere Leuten haben gemäss Maier oft keinen Zugang zu solchen Angeboten. Mit Telefonaten, dem
Schreiben von Briefen und Karten versuche man, sie zu erreichen.
Rund 11 000 Gläubige umfasst die römisch-katholische Kirchgemeinde Langenthal. Diese könne man nicht alle erreichen. Deshalb werde man die Leute über verschiedene Medien-Kanäle darauf aufmerksam machen, dass sie die Pfarreien und Seelsorger jederzeit erreichen können, wenn sie entsprechende Bedürfnisse haben.
Jene, die Trost in der Kirche suchen, sollen die Verbundenheit der Kirche mit ihren Mitgliedern spüren, gibt der Domherr zu verstehen. «Kirchgänger werden ein sichtbares Zeichen vorfinden und an Ostern werden wir die Kirchen zusätzlich schmücken.» Auch an die jüngsten Mitglieder denke man in diesen Tagen und werde auf der Webseite des Pastoralraumes Oberaargau einen Wettbewerb zum Thema Ostern lancieren.
«Huttu hilft» lautet ein Hilfsprojekt, das die reformierte Kirchgemeinde Huttwil über ihre Internetseite lanciert hat. Hier können sich Menschen melden, die Hilfe in irgendeiner Form benötigen. Doch damit begnügt sich Pfarrer Peter Käser nicht. Man erstelle eine Liste mit Leuten, welche regelmässig die kirchlichen Angebote nutzen würden. «Bei diesen Leuten melde ich mich telefonisch und frage nach, wie es ihnen geht und ob sie etwas benötigen.» Käser sagt, dass sich die Situation in der Kirchgemeinde diesbezüglich entspannt präsentiere. «Viele ältere Leute sind durch die Familie oder Nachbarschaftshilfe sehr gut versorgt.»

Gedenk-Gottesdienst für Verstorbene?
Dennoch müsse man die aktuellen Angebote und Programme laufend anpassen, bemerkt Käser. Dies geschehe in wöchentlichen Corona-Sitzungen, bei denen aktuelle Themen behandelt würden wie beispielsweise Beerdigungen. Dass diese momentan nur im engsten Familienkreis stattfinden dürfen, ohne Abschiedsfeier, stelle für viele Angehörige ein grosses Problem dar. Deshalb sei im Pfarreiteam die Idee entstanden, dass man nach der Corona-Krise allenfalls einen gemeinsamen Gedenk-Gottesdienst für alle während dieser Zeit Verstorbenen rea-lisieren könnte.
Kein konkretes Ersatz-Projekt bestehe dagegen im Bereich der Gottesdienste. Peter Käser ist der Meinung, dass es nicht Sinn mache, wenn nun jede Kirchgemeinde ein eigenes, digitales Gottesdienst-Programm auf die Beine stelle. Zudem gebe es diesbezüglich bereits viele und gute Angebote. «Es geht auch darum, die Kräfte zu bündeln und die Ressourcen zu schonen, denn diese Krise könnte noch länger andauern und dann sind die Seelsorger vielleicht noch anderweitig gefordert», erläutert er.

Kahlschlag verhindern
Ein digitales Angebot stellt dagegen die Kirchgemeinde Ursenbach (bestehend aus den Gemeinden Ursenbach und Oeschenbach) zur Verfügung, wie Pfarrer Durs Locher berichtet. «Beerdigungen sind in unserer Gemeinde traditionell sehr gut besucht, weil der Zusammenhalt in unserem Dorf nach wie vor sehr ausgeprägt ist. Dass die Dorfbevölkerung aktuell nicht an den Beerdigungen teilnehmen kann, schmerzt die Leute», berichtet er. Deshalb nehme er die Beerdigung auf einem Tonträger auf und stelle diesen anschliessend auf die Webseite der Kirchgemeinde. Auch die Gottesdienste sind mittlerweile auf diese Weise für die Gemeinde zugänglich. Weiter hat die Kirchgemeinde ein Hilfsangebot lanciert. Erfreut ist Durs Locher, dass sich dafür auch fünf Konfirmanden zur Verfügung stellen, die bereit sind, Hilfe bei Bedürftigen zu leisten.
Durch die Coroana-Krise werde das gesamte kirchliche Angebot auf den Kopf gestellt, bemerkt der Ursenbacher Pfarrer. «Es ist jetzt wichtig, dass wir reagieren und dafür sorgen, dass im kirchlichen Angebot kein Kahlschlag stattfindet.» Er selber werde sich telefonisch bei Pfarreimitgliedern melden und nach deren Befinden erkundigen. Damit wolle er eine totale Isolation gewisser Bevölkerungsgruppen verhindern. Er spüre bereits jetzt, dass dieses Angebot geschätzt werde, gab Durs Locher zu verstehen.

Pfimi-Gottesdienst auf  YouTube
Von einer schwierigen Situation spricht auch Pfarrer Achim Wollmershäuser von der Kirchgemeinde Melch-nau (bestehend aus den Gemeinden Gondiswil, Reisiswil, Bannwil und Melchnau), der ebenfalls telefonisch den Kontakt zur Dorfbevölkerung sucht. Auf der Webseite habe man diverse Links aufgeschaltet, die auf kirchliche Online-Angebote hinweisen würden. Er glaubt zudem, dass die seelsorgerische Tätigkeit längerfristig an Bedeutung gewinne, weil Vereinsamungen drohen.
Hier rücken für Wollmershäuser auch Altersheime in den Fokus, weil deren Bewohner keine Besuche mehr empfangen dürfen. «Diese Leute dürften um einen seelsorgerischen Kontakt froh sein», ist er überzeugt.

Im digitalen Zeitalter angekommen
Komplett im digitalen Zeitalter angekommen ist dagegen die Freikirche Pfimi in Herzogenbuchsee. Sie besteht seit 91 Jahren und ist Teil der Schweizerischen Pfingstmission. Pastor Rafael von Arx erwähnt, dass man eine WhatsApp-Gruppe gegründet habe, an die sämtliche Mitglieder der Freikirche angeschlossen seien.
Über diesen Weg lasse er den Mitgliedern kurze Botschaften und Andachten zukommen. Dieses Angebot werde von den Mitgliedern sehr geschätzt, erwähnt der Pastor.
Bereits vor zwei Jahren habe er zudem begonnen, Gottesdienste per Video aufzuzeichnen und über einen YouTube-Kanal auszustrahlen. Mit Beginn der Coroana-Krise sei man noch etwas mutiger geworden. So habe man das Angebot weiter ausgebaut, betont Rafael von Arx. Mittlerweile werden sämtliche Gottesdienste am Samstag aufgezeichnet und am Sonntagmorgen zur üblichen Gottesdienst-Zeit über YouTube verbreitet, wo die Gottesdienste auch später noch abgeruft und angeschaut werden können.

Von Walter Ryser