• Der Öffentliche Verkehr soll weiter ausgebaut und das Zufussgehen und das Velofahren gefördert werden. Dadurch und durch zahlreiche weitere Massnahmen möchte die Stadt Langenthal einen Beitrag zu den Klimaschutzbemühungen leisten. · Bild: Aare Seeland mobil

  • Der motorisierte Individualverkehr soll bis 2040 reduziert werden. · Symbolbild: pixabay

  • In Langenthal liegt das grösste Potenzial für die Einsparung von Treibhausgasemissionen beim Heizungsersatz und der energetischen Sanierung der Bauten. · Symbolbild: pixabay

  • Aus Klimakarten geht hervor, wo derzeit die Hitzeinseln der Stadt liegen. Gebiete im Dennli und im Stadtzentrum schneiden diesbezüglich schlecht ab. · Screenshot: Geoportal Kanton Bern

07.03.2024
Langenthal

Klimaschutz: Den Fokus richtig legen

Naturnahe Gartengestaltung, nachhaltiges Konsumverhalten, Hitzeschutz: Die Ziele der Klima- und Mobilitätsstrategie 2040 (KMS2040) sind breit gefächert, zahlreich und behandeln teilweise Nebenschauplätze. Dabei geht aus dem knapp 50-seitigen Dokument sehr klar hervor, wo in Langenthal der grösste Hebel bezüglich Klimaschutz liegen würde: Bei der Abkehr von Gas und Öl sowie bei der Reduktion des motorisierten Individual­verkehrs. Noch bis am 31. März können Bürgerinnen und Bürger zur KMS2040 Stellung nehmen und mitwirken – diesmal sogar online.

2019 emittierte die Stadt Langenthal  75 700 Tonnen Treibhausgase. Das sind 4,7 Tonnen CO2 pro Einwohnerin und Einwohner und Jahr. Ein Wert, der leicht unter dem Schweizer Durchschnitt liegt. Rund 44 Prozent der Treibhausgasemissionen entstehen durch die Produktion von Komfortwärme (Raumwärme und Warmwasser), weitere 25 Prozent durch die Wärmegewinnung in Industrie und Gewerbe (Komfort- und Prozesswärme). Somit sind rund zwei Drittel aller Emissionen in Langenthal auf die Wärmegewinnung, insbesondere für Komfortwärme, zurückzuführen. Der Grossteil der Emissionen (rund 51 Prozent der Gesamtemissionen) entsteht durch die Verbrennung von Gas,
17 Prozent durch die Verbrennung von Öl. Die Emissionen des Stromverbrauchs fallen mit zwei Prozent nur wenig ins Gewicht. Ein weiterer grosser Emittent hingegen ist der Verkehr mit 29 Prozent, wobei diese Emissionen mehrheitlich beim motorisierten Individualverkehr anfallen. Die Emissionen aus der Landwirtschaft sind in Langenthal vernachlässigbar.

Heizungsersatz und Sanierungen
Aus den obigen Zahlen und Ausführungen, die der Klima- und Mobilitätsstrategie 2040 der Stadt Langenthal entnommen werden können, geht klar hervor, wo in Langenthal die grössten Potenziale in Sachen Klimaschutz liegen. Erstens: Nicht mehr mit Gas und Öl heizen und produzieren. Zweitens: Statt Autofahren das Velo und den ÖV nutzen oder zu Fuss gehen. So hält es die Stadt auch in ihrem knapp 50-seitigen Strategiepapier fest: «Aus der Treibhausgasbilanz wird ersichtlich, dass das grösste Potenzial für die Einsparung von Treibhausgasemissionen für die Stadt Langenthal beim Heizungsersatz und der energetischen Sanierung der Bauten liegt. Weitere grosse Einsparungen sind möglich durch die Dekarbonisierung der Verkehrsmittel sowie die Förderung des öffentlichen Verkehrs und des Fuss- und Veloverkehrs.»
Es ist also hinlänglich bekannt, mit welchen Mitteln Langenthal einen Beitrag zu den internationalen, nationalen und kantonalen Bemühungen zum Klimaschutz leisten kann und welche Massnahmen nötig sind, um sich in Langenthal den Folgen des Klimawandels anzupassen. Ansetzen muss man vor allem bei der Raumplanung und bei den Bauten sowie bei der Mobilität und beim Verkehr. Diese Themen bilden jedoch nur zwei von insgesamt sechs Teilbereichen der KMS2040 der Stadt Langenthal. Weitere Teilbereiche sind «Grünräume und Wasserwirtschaft», «Gesundheit und Wohlbefinden», «Finanzen und Vorsorge» sowie «Partizipation und Kommunikation» – Teilbereiche also, die teilweise weniger offensichtlich sind und die mit dem Klimaschutz auf den ersten Blick vielleicht wenig bis gar nichts zu tun haben. Die Stadt will sie in ihrer Strategie dennoch behandelt wissen: Die gesundheits-, finanz- und kommunikationsorientierten Teilbereiche würden die Sensibilität und die Wirkung der Aktivitäten erhöhen und gehörten zu einer integrierten Betrachtungsweise dazu, wird im Dokument ausgeführt und argumentiert.
Inwieweit diese sehr umfassende und breitgefächerte Herangehensweise sinnvoll ist, wird sich zeigen. Die Gefahr, dass man sich im Detail verliert und den Fokus falsch setzt, ist jedenfalls nicht restlos von der Hand zu weisen. In der KMS2024 wird jedoch auch davon gesprochen, dass die Bereiche mit dem grössten Handlungsbedarf («Raumplanung und Bauten» / «Verkehr und Mobilität») prioritär zu behandeln seien –, eine gewisse Sensi­bilisierung scheint also vorhanden zu sein.

Zwei Hauptziele für Bevölkerung
Zum Inhalt: Jeder der sechs Teilbereiche richtet sich nach einem strategischen Leitsatz. «Langenthal fördert und fordert eine hohe Energieeffizienz und erneuerbare Energien sowie eine klimaangepasste Stadtentwicklung», lautet beispielsweise der strategische Leitsatz des Teilbereichs «Raumplanung und Bauten». Pro Teilbereich gibt es zwei bis fünf Handlungsfelder (total 19) mit je ein bis drei messbaren Zielen sowie bis 15 Massnahmen pro Handlungsfeld, was unter dem Strich rund 125 Massnahmen ergibt. Über allem schwebt die Vision («Langenthal ist klimaneutral und gewährleistet ein gutes Stadtklima») sowie vier Hauptziele, wobei vor allem die ersten beiden Hauptziele für die breite Bevölkerung relevant sind, denn diese betreffen effektiv die Stadt Langenthal; die Ziele drei und vier betreffen hingegen «nur» die Stadtverwaltung und sind etwas ambitionierter gefasst als die Ziele für die Bevölkerung (siehe Infobox). Dies, weil die städtischen Behörden mit gutem Beispiel vorangehen wollen.

Kosten im Millionenbereich
Der Klimaschutz und die Klimaanpassungen, und somit die Umsetzung der Klima- und Mobilitätsstrategie 2040, verursachen der Stadt Langenthal Kosten – sowohl finanzieller als auch personeller Art. Die Kosten für die Stadt Langenthal bewegen sich, gemäss ersten Grobkostenschätzungen und in Anlehnung an Klimastrategien anderer Städte, für den vorgesehenen Zeitraum im zweistelligen Millionenbereich. Dazu kommen, wenn die Stadt das Netto-Null-Ziel auf dem ganzen Stadtgebiet erreichen möchte, Investitionen von Privaten von rund 500 Millionen Franken. «Es ist zu beachten, dass diese Ausgaben nicht als zusätzliche Kosten zu betrachten sind, denn beispielsweise auch ein Heizungsersatz von Gas zu Gas oder von Öl zu Gas ist mit Aufwendungen verbunden», halten die Autoren fest. Solche unabhängig von der KMS2040 anfallenden Aufwendungen seien nicht abgezogen worden.
«Auch wenn diese Aufwendungen auf den ersten Blick sehr hoch scheinen, ist davon auszugehen, dass diese trotzdem tiefer ausfallen als die Folgekosten bei Untätigkeit, die aufgrund von häufigeren und intensiveren Extremwetterereignissen und gesundheitlichen Auswirkungen von Hitzesommern entstehen werden», sind sich die Verfasser sicher. Heutiges Nichthandeln würde den Handlungsspielraum reduzieren und würde später höhere Kosten sowohl im Bereich der Klimaanpassung als auch der Emissionsminderung verursachen, wird weiter ausgeführt.
Gesamthaft, das heisst für die Klimaziele über das gesamte Stadtgebiet und die Ziele der Stadtverwaltung, wird die Stadt Investitionen in der Höhe von rund 52 Millionen Franken tätigen (22 Millionen für das ganze Stadtgebiet und 30 Millionen für die Ziele der Stadtverwaltung). Die Mehrheit dieser Aufwendungen würde nicht wegen der Klima- und Mobilitätsstrategie 2040 anfallen, wird betont. Rund 40 Prozent der Aufwendungen seien bereits im Investitionsplan verankert, heisst es beispielsweise. Lediglich 19 Prozent der dargelegten Aufwendungen würden für Massnahmen anfallen, die im Rahmen der Klima- und Mobilitätsstrategie 2040 zusätzlich erforderlich seien. Rechnen darf die Stadt in diesem Zusammenhang ausserdem mit potenziellen Subventionen durch Bund und Kanton sowie mit eventuellen Förderbeiträgen von Stiftungen und der­gleichen.

Digitale Mitwirkung möglich
Ihre Klima- und Mobilitätsstrategie hat die Stadt Langenthal Ende Februar anlässlich einer mässig – aber nicht schlecht – besuchten Infoveranstaltung der Bevölkerung vorgestellt und dabei abermals zur Mitwirkung und Stellungnahme bis am 31. März 2024 aufgerufen. Erstmals können Ein­gaben auch online und papierlos gemacht werden, und zwar über
die digitale E-Mitwirkungs-Plattform mitwirken.langenthal.ch.
Nach der öffentlichen Mitwirkung soll die KMS2024 im zweiten Quartal 2024 überarbeitet sowie ein Mitwirkungsbericht erstellt werden. Eine Beratung und Genehmigung der KMS2024 in den zuständigen Kommissionen sowie im Gemeinderat ist für das dritte Quartal 2024 vorgesehen.

Von Patrick Jordi