• Laufsportler Paul Gfeller vor seinem Heimet im herrlich gelegenen Weiler Ober Stauden oberhalb Sumiswald. · Bilder: Stefan Leuenberger

  • Paul Gfeller vor seinem Trophäenschrank. In drei Jahrzehnten hat er unzählige Erfolge feiern können.

02.04.2020
Sport

Laufen und Leben, wo die Welt noch in Ordnung ist

Paul Gfeller, Laufsportler aus Sumiswald – «Da ist die Welt noch in Ordnung», ist eine vielbemühte Aussage. Im Falle des Sumiswalder Laufsportlers Paul Gfeller trifft sie aber perfekt zu. Der 58-Jährige ist seit über drei Jahrzehnten einer der regionalen Spitzenläufer, der trotz Erfolgen für Bescheiden- und Einfachheit steht. Hoch oben in Ober Stauden nahe der Schonegg liegt sein Heimetli inmitten der Natur. Der Landwirt und zweifache Familienvater lebt dort ohne Fernseher und Handy. Und irgendwie auch ohne die Coronavirus-Krise.

Laufsport · Dort, wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen, dort lebt Paul Gfeller mit seiner Familie in einem Bauernhaus. Schlicht – aber harmonisch und zufrieden. Hoch oben im zur Gemeinde Sumiswald gehörenden Weiler Ober Stauden. Zwischen den Ortschaften Weier, Sumiswald und Wasen gelegen. Mit herrlichem Fernblick auf die Bergwelt. «Natürlich haben wir Respekt vor dem Coronavirus. Aber keine Angst.»

Die Krise hat auch positive Seiten
Die Coronavirus-Krise trifft Paul Gfeller nicht so hart wie andere Leute. Sein 38 Hektaren grosser Landwirtschaftsbetrieb läuft. Er betreibt einen Bio-Milchbetrieb mit 40 Kühen und liefert 200 000 Liter pro Jahr. «Die Krise bewirkt, dass die Leute die heimische Landwirtschaft wieder mehr schätzen. Die geschlossenen Grenzen sorgen dafür, dass wieder vermehrt heimisches Schaffen gekauft wird», erklärt Paul Gfeller. Für die gebeutelte Landwirtschaft habe die Krise nicht nur schlechte Seiten. «Arbeit gibt es für mich auch während der Coronavirus-Zeit mehr als genug. Das Vieh muss umsorgt werden und die Felder bestellt werden. Zuletzt gab es für mich aber vor allem Holzerarbeit zu erledigen.» Dort, wo Paul Gfeller zusammen mit seinem Sohn Mario, mit dem er eine Generationengemeinschaft beschlossen hat, arbeitet, gibt es keine Ansteckungsgefahr, weil praktisch keine Personenkontakte stattfinden. Und wenn, hält Gfeller die Vorschriften ein.

Jassen wichtiger als Handy und PC
Das Leben von Paul Gfeller nimmt auch während der Coronavirus-Zeit fast den gewohnten Verlauf. Arbeit, Sport und Familie sind Gfellers Eckpfeiler. «Schon vor der Krise habe ich tagsüber hart gearbeitet und trainiert und abends die Familien-Geselligkeit beim Jassen oder anderen Spielen genossen. Daran hat sich nichts geändert.» Die Jassabende mit Ehefrau, Sohn und Tochter haben einen hohen Stellenwert. «Die Männer gewinnen etwas öfters», schmunzelt Gfeller, der in den kalten Monaten auch erfolgreich an Saujasset mitmacht. Paul Gfeller lebt generell anders als die meisten Leute. Er verfügt über kein Handy. Bei Gfellers gibt es keinen Fernseher. Und wie steht es mit einem Computer? «Wir haben einen, weil ihn meine Tochter aus beruflichen Gründen braucht. Ich habe mich aber noch keine Sekunde davor gesetzt. Es wäre für mich die Höchststrafe», lacht Gfeller.

Laufen in der Natur elementar
Am meisten bemerkt Paul Gfeller die Coronavirus-Krise in seiner liebsten Beschäftigung, dem Sport. «Die wöchentlichen Softball-Hallentennis-Kurse, die ich im Forum Sumiswald leite, finden aktuell nicht statt.» Auch seine geliebten Wettkämpfe im Laufsport kann Paul Gfeller momentan nicht bestreiten. Alles ist derzeit abgesagt. «Dies ist aufgrund der Situation völlig verständlich. Ich verzichte aus Rück- und Vorsicht sogar auf die Teilnahme an Laufgruppen-Trainings», erklärt Gfeller. Am eigenen Training gibt es aber nichts zu rütteln. «Ich trainiere meist täglich. Vielfach laufend, zuletzt vermehrt auch auf dem Velo, um mein lädiertes Knie zu entlasten. Dadurch bleibe ich fit und hole mir die nötige Power für die tägliche Arbeit. Und natürlich hoffe ich, dass ab Herbst noch ein paar Wettkämpfe durchgeführt werden können.» Für den Naturburschen ist die Bewegung an der frischen Luft elementar. Er läuft, wann immer er Lust dazu hat – und es die Arbeit erlaubt. Über einen Trainingsplan verfügt er nicht. Die Emmentaler Höger und Chrächen sind sein persönliches Laufparadies. Er kennt jede Ecke. «Die Leute bewegen sich während der Krise viel zu wenig. Dies wird in einigen Monaten zu ganz anderen Gesundheitsproblemen führen», warnt der Bewegungsmensch Gfeller, «wenn nicht körperlich dann psychisch.»

Unvergessliche Erfolge
Paul Gfeller ist einer der erfolgreichsten Laufsportler der Region. Als Achtklässler nahm er am Sumiswalder Cross erstmals an einem Wettkampf teil – und gewann. Der damalige Lehrer und spätere Geschäftsführer des Sumiswalder Forums, Heinz Brönnimann, animierte und begleitete ihn schliesslich an weitere Wettkämpfe. Nach Schulende war aber Schluss mit dem Laufsport. «Die Arbeit war wichtiger als der Sport», sagt Gfeller. Das Comeback gab er als 25-Jähriger. Ausschlaggebend war Paul Blaser, der seinen Wohnort auf die Schonegg verlegte. «Mit ihm habe ich wieder zu trainieren begonnen. Er hat mir, besonders taktisch, unglaublich viel beigebracht.» Später stiess Peter Jörg aus Affoltern zu dieser fruchtenden Trainingsgruppe dazu. Paul Gfeller konnte durch seinen Ehrgeiz, dem gesunden Lebenswandel und seinem Trainingsfleiss rasch Fortschritte und damit auch Erfolge erzielen. 1987 gewann er den Zürcher Silvesterlauf in einem Feld von 1500 Mitmachenden. «Crossläufe liegen mir besonders», findet Gfeller. Diese finden während den Wintermonaten statt, wo Landwirt Gfeller eher Zeit hat, an Wettkämpfen teilzunehmen. Unzählige dieser Überfeldrennen hat er gewonnen, mitunter ist er achtfacher Cross-Schweizermeister seiner Alterskategorie. Das Mitglied des Laufvereins 95 Burgdorf glänzte über die Jahre mit Konstanz. So hat Paul Gfeller bis heute alle 17 Gornergrat Zermatt-Marathons sowie alle 16 Vogellisi-Bergläufe in Adelboden-Silleren gefinisht. Das Lieblingsrennen ist allerdings der Gondo-Event, ein Zweitages-Doppelmarathon im Wallis. Seine erfolgreichste Saison erlebte die Frohnatur 2008. In dieser Saison gewann Gfeller 18 Wettkämpfe. Nicht selten fehlte der Sumiswalder an den Rangverkündigungen. Dies, weil er oft unmittelbar nach dem Zieleinlauf nach Hause reiste, um die Melkarbeit zu verrichten …

Zweimal Waffenlauf-Schweizermeister
1986 machte er Bekanntschaft mit seiner zweiten ganz grossen Liebe neben seiner Ehefrau Margrit – dem Waffenlauf. Der «Freiburger», Gfellers Waffenlaufpremiere, wurde aber zum Fiasko. «Ich ging das Rennen viel zu schnell an und brach dann komplett ein. Ich schwor, erst zurückzukehren, wenn ich gerüstet dafür bin.» Gesagt getan. Gfeller kehrte zurück. Und ist heute einer der erfolgreichsten Waffenläufer der Geschichte. Er hat bisher 255 Wettkämpfe in der Armeekleidung und mit der Packung am Rücken absolviert. 2008 und 2009 konnte sich der für seinen Biss bekannte Sportler sogar als Waffenlauf-Schweizermeister feiern lassen. Insgesamt feierte er neun Tagessiege. Immer am Ende des Jahres werden die erfolgreichsten Waffenläufer der Saison geehrt. Paul Gfeller hält den Rekord. Bereits 31 Mal wurde er an diesem feierlichen Ende der Waffenlaufsaison geehrt.    

Die besondere Abmachung
In all den Jahren gab es auch Rückschläge. So richtig in den Hintergrund trat für Paul Gfeller der Laufsport im Jahr 2015, als sein Sohn Mario am Vogellisi-Berglauf einen Zusammenbruch erlitt und in Lebensgefahr schwebte. Die Monate danach gestalteten sich schwierig. Heute ist Mario Gfeller komplett genesen und fordert seinen Vater an den Wettkämpfen heraus. Paul Gfeller hat seinem Filius eine Motivationsspritze verpasst: Beim ersten Laufsieg über seinen Vater erhält Mario einen Geldbetrag. Dieser reduziert sich allerdings jedes Jahr. «Bald bin ich fällig. Mario macht gros-se Fortschritte», freut sich der stolze Vater mit der bescheidenen Lebensweise und dem grossen sportlichen Palmarès.  

Von Stefan Leuenberger