• Käthi Moser ist dankbar, dass sie so viele Jahre an der Schule in Gondiswil unterrichten durfte. · Bild: Marion Heiniger

30.06.2020
Oberaargau

«Lehrerin ist der schönste Beruf der Welt»

Käthi Moser ist Lehrerin mit Leib und Seele. Vor 44 Jahren kam sie als junge Unterstufenlehrerin an die Schule Gondiswil und ist ihr bis heute treu geblieben. Dabei war es für sie immer das Wichtigste, den Kindern einen guten Start ins Schuljahr zu ermöglichen. Vor 18 Jahren übernahm sie zusätzlich das Amt als Schulleiterin. Nun steht ihre Pensionierung bevor, und sie schaut auf eine sehr schöne und unvergessliche Zeit ihres Lebens zurück.

Gondiswil · In den 44 Jahren, in denen Käthi Moser an der Schule in Gondiswil unterrichtete, hat sich einiges verändert. Aber eines blieb immer gleich und wird auch immer gleichbleiben: «Kinder sind Kinder geblieben. Die Erstklässler sind heute vor dem ersten Schultag so nervös, wie sie es auch früher waren, die Eltern ebenso», erzählt sie. Jedes Jahr war es ihr aufs Neue wichtig, den jungen Schülerinnen und Schülern einen unbeschwerten und positiven Schulstart zu ermöglichen.
Käthi Moser erzählt mit grosse Leidenschaft über ihren Tätigkeit als Lehrerin der Unterstufe. Aber eigentlich war dieser Beruf gar nicht ihre erste Wahl, als sie sich in der Sekundarschule Kleindietwil für eine Ausbildung entscheiden musste. «Ich wollte Kinderkrankenschwester werden, die Anmeldeformulare hatte ich bereits ausgefüllt», erinnert sie sich Doch ihr damaliger Klassenlehrer überredete sie, zuerst die Aufnahmeprüfung zum Lehrerseminar zu machen und danach weiterzuschauen. Diesen Rat hat sie befolgt, die Aufnahmeprüfung bestanden und das Seminar im April 1976 abgeschlossen. Eine Entscheidung, die sie bis heute nie bereut hat.
Eine Anstellung fand sie direkt nach der Ausbildung aber keine. «Damals herrschte ein grosser Lehrer-Überfluss. Von unserer 24er-Klasse fanden gerade einmal zwei eine Anstellung», erzählt Käthi Moser. So nutzte sie die Zeit, um sich auf der Blockflöte weiterzubilden und arbeitete, um Geld zu verdienen, als Schwesternhilfe im Spital Sumiswald. Schon an ihrem zweiten Arbeitstag wurde ein Lehrer ins Krankenhaus eingeliefert. Tags darauf konnte sie bereits dessen Stellvertretung einnehmen. Eine weitere Stellvertretungsstelle folgte. In der Zwischenzeit hat sie sich immer wieder auf eine Festanstellung als Lehrerin beworben. Im Herbst 1976 hatte sie endlich Erfolg. Am 1. Oktober wurde sie vom Gemeinderat Gondiswil als Klassenlehrerin an die 1./2. Klasse gewählt. Noch im gleichen Monat zog sie von Madiswil nach Gondiswil um.

Keine Fingernägelkontrolle
Käthi Moser sitzt in «ihrer Schulstube», die sie im Oktober 1976 mit klopfendem Herzen das erste Mal betreten hat und schwelgt in Erinnerungen. 24 Schülerinnen und Schüler der ersten und zweiten Klasse warteten damals gespannt auf ihre neue Lehrerin. Gleich zu Anfang legte ihre Vorgängerin ihr ans Herz, dass sie jeden Montag kontrollieren müsse, ob alle Kinder ein sauberes Taschentuch bei sich tragen und ob alle Fingernägel geputzt seien. Eine Weisung, an die sich Käthi Moser aber nie gehalten hat.
Der Einstieg als junge Lehrerin war hart. «Man wurde ins kalte Wasser geworfen, Unterstützung durch Heilpädagogen gab es damals noch nicht», erzählt sie. Unterstützt wurde sie stattdessen vom damaligen Schulkommissionspräsidenten Gottlieb Schär. «Er hatte immer ein offenes Ohr für mich», sagt Käthi Moser dankbar für diese wichtige Hilfe.

Babypause
Als 1982 ihr erster Sohn auf die Welt kam, verringerte sie ihr Pensum, und zwei Jahre später, vor der Geburt ihres zweiten Sohnes, gab sie die Arbeit als Lehrerin ganz auf und machte eine dreijährige Familienpause. Mit einer Lektion Blockflötenunterricht stieg sie danach wieder in das Berufsleben ein. Allmählich wurde ihr Pensum immer grösser. «Ich wurde auf allen Stufen eingesetzt, wo es gerade nötig war», erzählt Käthi Moser. In dieser Zeit spürte sie jedoch, dass sie an die Unterstufe gehört. Eine Zeit lang teilte sie mit einer weiteren jungen Lehrerin eine Klassenlehrstelle und freute sich, wieder die Kinder der ersten und zweiten Klasse unterrichten zu dürfen. Sie übernahm die Klasse ganz, als ihre Kollegin Familienpause machte. Käthi Moser war wieder dort angekommen, wo sie sein wollte.

Kein Kind ist wie das andere
Bis heute wurde es Käthi Moser niemals langweilig, die jüngsten Schülerinnen und Schüler zu unterrichten. «Man hat jedes Jahr wieder neue Kinder, keines ist wie das andere, es war immer wieder eine neue Herausforderung», erzählt sie. Besonders wichtig war ihr, die Kinder für die Natur und die Tiere zu sensibilisieren, die Jahreszeiten aktiv zu erleben und dabei die Klassengemeinschaft zu pflegen und zu leben. Das Fach NMG (Natur-Mensch-Gesellschaft) war denn auch ihr Liebstes. Dort konnte sie Geschichten erzählen, eine weitere Leidenschaft von Käthi Moser, und so den Kindern die Liebe zu den Büchern näherbringen. Aber auch das Singen und Musizieren waren ihr sehr wichtig und gehörten dazu.
Ebenso bleiben der Lehrerin die gemeinsamen Projektwochen und die Landschulwochen der ganzen Schule in Erinnerung. «Das sind unvergessliche Erlebnisse, die ich zusammen mit den Kindern, den Jugendlichen und dem Kollegium erleben durfte», schwärmt Käthi Moser, die bereits die zweite Generation Kinder an der Schule in Gondiswil unterrichtet. Auch dieses Jahr wäre nochmals eine Landschulwoche auf dem Programm gestanden. Doch das Coronavirus hat auch hier einen Strich durch die Rechnung gemacht.

18 Jahre Schulleitung
Im August 2002 übernahm sie zusätzlich die Schulleitung. «In dieses Amt bin ich aus einer Notlage heraus hineingerutscht. Aber ich durfte sehr viel Neues und Spannendes dazulernen, habe es lieb gewonnen, obschon es manchmal einem Spagat gleichkam», sagt sie dazu. Wichtig war ihr dabei immer die Arbeit im Team, das gute Zuhören in Gesprächen mit den Lehrpersonen, den Eltern, den Schülerinnen und Schülern und den Behörden. Sie erinnert sich aber auch an viele einsame Stunden mit Nachdenken und «Grüble», die ein solches Amt mit sich bringen. Und doch hat sie es 18 Jahre lang mit gros­sem Engagement und viel Herzblut ausgeführt. Auch hier war es ihr besonders wichtig, dass es den Kindern und Jugendlichen gut ging, dass die Lehrpersonen und die Eltern spürten, dass man gemeinsam auf einem Weg ist und gemeinsam an einem Strick zieht.

Dankbar für all die Jahre
Käthi Moser ist unwahrscheinlich dankbar, dass sie so viele Jahre an der Schule in Gondiswil unterrichten und ein Glied in der Kette sein durfte. Die Schülerinnen und Schüler, die Kolleginnen und Kollegen, aber auch den Kontakt mit der Behörde wird sie vermissen, denn manchmal war das Unterrichten fast wie eine wohltuende Therapie. «Wenn ich morgens in die Schulstube kam und in die strahlenden Augen der Kinder sah, waren alle ‹Sörgeli› und Probleme vergessen und meine Gedanken nur bei den Kindern. Deshalb ist Lehrerin der schönste Beruf der Welt», zeigt sich Käthi Moser überzeugt. Die Kinder und Jugendlichen auf einem so wichtigen Teil des Lebensweges, der Schulzeit, begleiten zu dürfen, sei ein Privileg.

Nicht nur Wehmut
Und damit der Einschnitt gleich zu Anfang nicht allzu gross ist, wird sie wohl immer wieder ihre Ordner hervornehmen, in denen sie in all den Jahren die Zeichnungen «ihrer» Kinder gesammelt hat. Aber nicht nur Wehmut beschleicht sie, wenn sie an ihre Pensionierung denkt. «Endlich werde ich einen Nachmittag lang lesen können, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, mich meinem Garten widmen oder mit meinem Velo den Oberaargau erkunden», freut sie sich. Mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, vor allem mit den Enkelkindern, öfters Wandern zu gehen und zu musizieren, sind ebenfalls die schönen Seiten des Ruhestandes. «Ich bin gespannt, was mir die Zukunft bringen wird und ‹los o uf mi lo zuecho›.» Doch bis es so weit ist, steht ihr noch der Abschied an der Schulschlussfeier bevor. Eine kleine Feier, welche den Schutzmassnahmen des Bundesrates entsprechen wird. Was genau auf sie zukommt, wurde ihr nicht verraten. Eines aber ist gewiss, für Käthi Moser wird es ein Abschied mit Überraschungen sein.

Von Marion Heiniger