• «Math» war in Frankreich auch bei Regen und heftigem Morast der klar beste Biker.

  • Weltcup-Premiere im Mountainbike-Elitesport: Mathias Flückiger aus Leimiswil gewinnt zum zweiten Mal in Serie sowohl das Short Track-Rennen am Freitag wie auch das Cross Country-Rennen am Sonntag. · Bilder: zvg

05.07.2021
Sport

«Math» braucht niemanden zu fürchten

Weltcup 2021, 7./8. Rennen in Les Gets – Manometer, ist dieser Mathias Flückiger in Form. Am Weltcup-Wochenende in Les Gets in Frankreich gewann der 32-Jährige zum vierten Mal in Serie ein Weltcuprennen. Wie bereits zuvor in Leogang siegte der Leimiswiler sowohl im Short Track-Rennen am Freitag wie auch im olympischen Cross Country-Rennen am Sonntag, was noch keinem anderen Fahrer gelungen ist. Eine perfekte Hauptprobe für das Rennen in Tokio, wo «Math» Olympisches Gold anstrebt.

Radsport · «Es läuft wirklich wie geschmiert», freut sich Mathias Flückiger nach seinem zweiten Weltcup-Doppelsieg in Serie. Wie bereits in Leogang in Österreich drei Wochen zuvor konnte er auch im französischen Hochsavoyen das Double schaffen und die gesamte Mountainbike-Weltspitze zweimal innert drei Tagen hinter sich lassen. Eine im Elite-Bikezirkus nicht oft vorkommende Sonderleistung (erst zwei andere Biker schafften das Double ebenfalls). Bereits im Short Track-Rennen am Freitag «explodierte» der Leimiswiler. Nach 19:34 Minuten konnte er vor dem amtierenden Weltmeister Jordan Sarrou aus Frankreich als Sieger über die Ziellinie fahren. «Zu wissen, dass ich auch kurze Rennen – egal mit welcher Streckenbeschaffenheit – gewinnen kann, stärkt mein Selbstvertrauen.» Und dieses ist sowieso schon gross, denn der 32-Jährige kann endlich ernten, was er sich über Jahre hart erarbeitet hat. «Es sieht momentan spielend einfach aus. Doch um diese Rennen so zu gewinnen, habe ich richtig viel getan», bestätigt der gebürtige Ochlenberger.
Mathias Flückiger reiste direkt aus dem Höhentraining in St. Moritz an. «Um den Rhythmus zu halten, habe ich bei der Anreise auf dem Simplon übernachtet. Und die zwei Nächte bis Sonntag war ich in einer Ortschaft hoch über dem Wettkampfort Les Gets einquartiert.» Flückiger überlässt nichts dem Zufall, um im Cross Country-Rennen an den Olympischen Spielen am 26. Juli die ganz grosse Ernte einfahren zu können. Die Hauptprobe für das Olympiarennen bestritt «Math» beim Weltcuprennen in Les Gets am Sonntag über die Cross Country-Distanz.

Ein Tscheche als härtester Gegner
Wie üblich überliess er nach dem Start das Geschehen an der Rennspitze der Konkurrenz. An zehnter Stelle hielt Flückiger stets Kontakt zur Spitze, blieb dabei wie gewohnt seelenruhig. «Wenn du weisst, was du in den Beinen hast, wirst du auch nicht nervös.» Obwohl sich gerade diese Beine in Frankreich nicht ganz so frisch anfühlten wie gewohnt. «Das Gefühl war wirklich nicht super. Erklären, warum dies so ist, kann ich aber nicht», meint Flückiger. Sein derzeit härtester Konkurrent – der Tscheche Ondrej Cink – führte das Rennen zu Beginn an. Und Cink blieb bis am Ende der härteste Widersacher des Oberaargauers. Auch, weil er zusammen mit dem Leimiswiler der klar beste Fahrer am Berg ist. Sobald eine Steigung kommt, egal wie lange sie ist, hat das Kletterer-Duo Flückiger/Cink gegenüber der gesamten Konkurrenz einen Vorteil.

Einfach überall der Beste
«Math» ist aber mittlerweile überall stark. Bei regnerischem Wetter steuerte niemand sein Bike mit derartig technischer Finesse über den matschigen und überall rutschigen Rundkurs wie Flückiger. Nach elf Rennminuten war es soweit. Flückiger preschte in der Querpassage am Hügel mit hohem Tempo an die Rennspitze – und bestimmte auf den restlichen sechs Runden das Geschehen. Beeindruckend meisterte Mathias Flückiger die vielen schwierigen Passagen. Und im Verlauf des Rennens zeigte der Athlet von «Thömus Swiss Bike Team» einen ganz wichtigen Baustein seines aktuellen Dauererfolgs: den Spass. Jeweils beim letzten Sprung der Abfahrt kurz vor Rundenende, baute er lässige Tricks ein. Überheblichkeit? Keineswegs – einfach pure Freude am Fahren. «Da kann nichts passieren. Sonst würde ich es nicht tun», bestätigt der aktuell beste Schweizer Mountainbiker. Jener, der es über Jahre war (der Churer Nino Schurter), landete im 97-köpfigen Feld auf dem 5. Rang. Nach zwei Runden führte Flückiger das Rennen mit 18 Sekunden Vorsprung an. Dieser erhöhte sich und pendelte sich bis am Ende zwischen 20 bis 25 Sekunden ein. Im Shirt des Weltcupleaders – Flückiger baute die Führung im Weltcup vier Rennen vor Schluss (je zwei in Lenzerheide und in Snowshoe in den USA im September) mächtig aus – fuhr er schliesslich mit 25 Sekunden Vorsprung auf Ondrej Cink über die Ziellinie. Der sechste Weltcupsieg (1x 2018, 1x 2019, 4x 2021) war Tatsache.

Niemanden fürchten
«Das Wochenende gibt mir zusätzliche Motivation für die restliche Vorbereitung auf Tokio», freut sich Flückiger. Direkt von Les Gets reiste der Seriensieger wieder nach St. Moritz. Dort wird er bis am nächsten Sonntag oder Montag den Finish vor dem Abflug nach Tokio vollziehen. Rennen wird er jetzt keine mehr bestreiten. Um vor dem wichtigen Rennen in Japan auch noch etwas Zeit mit seiner Freundin Lisa zu haben, ist diese ebenfalls in St. Moritz dabei. Als Lehrerin geniesst sie derzeit Ferien. Mathias Flückiger fliegt relativ früh nach Tokio. «Ich will mich perfekt akklimatisieren, um dann am Tag X zuschlagen zu können.» Klare Worte des aktuell besten Mountainbikers. Zu Recht.  Zu fürchten braucht sich der Leimiswiler vor niemandem. Wer aktuell mitfährt, wird von ihm bezwungen. Auch das riesige Talent Thomas Pidcock aus Grossbritannien – er gab das Rennen in Les Gets auf – hat nach der Rückkehr von einer Schlüsselbeinbruch-Zwangspause Mühe, wieder ganz vorne mitzumischen. Und der grosse Abwesende in Les Gets, der bis zu seiner Aufgabe am Samstag an der Tour de France im Einsatz gewesene Mathieu van der Poel aus Holland, muss auf dem Rad mit den dicken Pneus einen ganz starken Tag erwischen, um den völlig entfesselten «Ochlenberger Molasse-Highland-Warrior», der als 9-Jähriger sein erstes Rennen bestritt, in Schach zu halten.      

Auszug aus der Rangliste: Short Track Männer (39): 1. Mathias Flückiger, Schweiz/Leimiswil, 19:34; 2. Jordan Sarrou, Frankreich, 19:35; 3. Ondrej Cink, Tschechien, 19:37; 9. Nino Schurter, Schweiz/Chur, 19:47. – Cross Country Männer (97 Klassierte): 1. Mathias Flückiger, Schweiz/Leimiswil, 1:27:33; 2. Ondrej Cink, Tschechien, 1:27:58; 3. Jordan Sarrou, Frankreich, 1:28:08; 5. Nino Schurter, Schweiz/Chur ,1:28:54; 17. Marcel Guerrini, Schweiz/Ufhusen, 1:30:49; 57. Lukas Flückiger, Schweiz/Wynigen, 1:36:38. – Gesamtweltcup (8/12): 1. Mathias Flückiger, Schweiz/Leimiswil, 1169 Punkte; 2. Ondrej Cink, Tschechien, 934; 3. Jordan Sarrou, Frankreich, 790; 4. Victor Koretzky, 745; 5. Nino Schurter, Schweiz/Chur, 734; 38. Marcel Guerrini, Schweiz/Ufhusen, 185; 47. Lukas Flückiger, Schweiz/Wynigen, 113.

Von Stefan Leuenberger