• Auch an der EM im Tessin konnte der 32-jährige Leimiswiler Mathias Flückiger (Nummer 6) ganz vorne mitmischen. Am Ende reichte es zur Bronzemedaille. · Bilder: Keystone

  • Das Elite-Podest an der EM im Tessin (von links): Silbermedaillengewinner Titouan Carod (Frankreich), Europameister Nino Schurter (Schweiz) und der Leimiswiler Bronzemedaillengewinner Mathias Flückiger.

22.10.2020
Sport

«Math» holt nach WM-Silber noch EM-Bronze

Mountainbike-EM im Tessin – Die Schweizer Männer wussten an der Mountainbike-EM im Cross-Country-Rennen am Monte Tamaro im Tessin zu überzeugen. Nino Schurter holte sich vor dem Franzosen Titouan Carod die Goldmedaille. Der 32-jährige Leimiswiler Mathias Flückiger sicherte sich nach dem Vize-WM-Titel zusätzlich EM-Bronze.

Nur eine Woche nach der WM in Saalfelden in Österreich konnte am Monte Tamaro im Tessin bei herrlichstem Wetter das EM-Rennen stattfinden. «Es macht natürlich grossen Spass, nicht zu frieren. Damit möchte ich aber nicht sagen, dass der WM-Kurs nicht gut war. Im Gegenteil: ich fand ihn super. Aber auch die EM-Strecke war sehr gut», sagt Mathias Flückiger.  

Spannung bei Bilderbuchwetter
Bei stahlblauem Himmel nahmen die 45 Elite-Mountainbiker die sieben Runden à 4,2 km in Angriff. «Math» startete aus der zweiten Reihe und folgte dem Schnellzug an der Spitze vorerst nicht. Der Bündner Nino Schurter, welcher als achtfacher Weltmeister an der WM 2020 versagte, drückte zwecks Rehabilitierung sofort auf das Gaspedal. Nach der Startphase lag Mathias Flückiger nur an 13. Stelle. Doch bereits nach 2,4 km gehörte der jüngere der zwei Weltklasse-Flückigers zu den Top-10 (9. Rang mit 17 Sekunden Rückstand). Der regionale Topbiker mit dem roten Helm wusste erneut zu gefallen und trug zu einem packenden Mountainbikerennen bei. «Es
kostete schon ‹Körner›, die Lücke zu schliessen.» Nach 6,6 km – also nach eineinhalb Runden – war der 32-jährige Leimiswiler aber bereits dran. In der vierten Runde verabschiedete sich der Lokalmatador Filippo Colombo mit einem Platten aus der Spitzengruppe. Diese bestand jetzt noch aus dem Franzosen Titouan Carod, dem Italiener Luca Braidot und den zwei Schweizern Schurter und Flückiger.  

Immer noch nicht ganz fit
Zuerst musste Braidot abreissen lassen. Nachdem Schurter lange das Tempo machte, ergriff Flückiger nach 55 Minuten erstmals die Initiative und setzte sich an die Spitze. Nie in den Kampf um die Medaillen eingreifen konnte der frischgebackene Weltmeister Jordan Sarrou aus Frankreich. Für einige Rennkilometer sah es so aus, als ob sich der Ochlenberger Highlander den Elite-Goldtraum an einem internationalen Titelkampf erfüllen kann. In der vorletzten Runde drückte Schurter erneut auf das Tempo. Flückiger blieb vorerst am Hinterrad dran. Nach 22 km wurde aber deutlich, dass die Folgen der Magenprobleme und der Erkältung, welche Mathias Flückiger an den beiden Weltcuprennen in Tschechien sowie auch während dem WM-Rennen handicapierten, von seinem Körper immer noch nicht ganz verarbeitet waren. Er musste seinen Nationalmannschaftskollegen und Carod ziehen lassen. «Ausgerechnet, als die beiden Konkurrenten Gas gaben, machte ich Fehler. So ging rasch eine Lücke auf.» Diese zu schliessen, dazu war Flückiger auf den verbleibenden gut sieben Kilometern nicht mehr fähig. Trotz grössten Bemühungen konnte er den Schnellzug an der Spitze nicht mehr einholen. Weil er aber routiniert das Tempo hoch hielt, konnte er sich den noch einmal stark aufkommenden Italiener Braidot vom Leib halten. Flückiger rettete acht Sekunden ins Ziel. «Natürlich hätte ich gerne um den Titel mitgekämpft. Aber mit dem dritten Platz bin ich auch sehr zufrieden», gibt Flückiger zu Protokoll.  
Der Leimiswiler freut sich auf die Pause, um sich gesundheitlich komplett auskurieren zu können. «Allerdings trete ich am Sonntag noch zum letzten Rennen des Swiss Bike Cups in Hoch­dorf an. Anschliessend werde ich drei Wochen die Beine hochlagern», informiert Flückiger. Dann wird der Aufbau für die eminent wichtige Saison 2021 beginnen. «Ich gehe davon aus, dass die Renntermine wieder nach Plan stattfinden werden, was mir die Vorbereitung erleichtert. Zuschauer dürfte es aber wohl auch kommendes Jahr keine an den Strecken haben», vermutet der gelernte Baumaschinenmechaniker. Sein totaler Fokus gilt ab sofort den Olympischen Spielen 2021 in Tokio. «Ich werde beim Training nichts riskieren, was eine Teilnahme gefährdet. So werde ich für Trainingslager nur ins Ausland reisen, wenn dies coronabedingt problemlos möglich ist.»  

Lukas Flückiger drittbester Schweizer
Zurück zum EM-Rennen. Europameister im Tessin wurde schliesslich Nino Schurter. Mit einem frechen Manöver liess der Churer den Franzosen Carod kurz vor Schluss stehen. Drittbester Schweizer wurde Lukas Flücki­ger aus Wynigen, der Vizeweltmeister von 2012. Der mit 36 Jahren älteste Fahrer im Feld verlor nur eineinhalb Minuten auf seinen vier Jahre jüngeren Bruder und belegte den 12. Rang. «Nach einer schwierigen Zeit hat sich ‹Luk› definitiv gefangen. Zuletzt hat er viele gute Resultate geliefert. Ich mag ihm dies sehr gönnen», meint Mathias Flückiger. Die Flückiger-Brothers haben damit vollumfänglich überzeugt. Bei der Berichterstattung von SRF war aber vor allem Nino Schurter, bester Schweizer Mountainbiker aller Zeiten, ein Thema. Etwas vergessen ging, dass der Schweizer Mountainbiker, welcher sowohl an der Weltmeisterschaft wie auch an der Europameisterschaft auf dem Podest stand, der Leimiswiler Mathias Flückiger war – nicht Lichtgestalt Nino Schurter ...      

Auszug aus der Rangliste:  Elite Männer (41 Klassierte): 1. Nino Schurter, Schweiz/Chur, 1:27:25; 2. Titouan Carod, Frankreich, 1:27:35; 3. Mathias Flückiger, Schweiz/Leimiswil, 1:28:14; 4. Luca Braidot, Italien, 1:28:22; 12. Lukas Flückiger, Schweiz/Wynigen, 1:29:48.

Von Stefan Leuenberger