• Daniel Bisten ist überzeugt, dass die Pandemie Nachwirkungen haben wird, die bleibende Spuren hinterlässt. · Bilder: Thomas Peter

  • Daniel Bisten sieht Licht am Ende des Tunnels.

28.05.2021
Luzerner Hinterland

Mit Innovationen für eine Zukunft sorgen

Am Montag dürfen die Restaurants in der Schweiz ihre Türen wieder öffnen und Gäste auch drinnen bewirten. Das freut auch Daniel Bisten vom Gasthof Engel in Hüswil. Für den Gastronomen hat der Lockdown und die Corona-Pandemie aber nicht nur Negatives zu Tage gebracht, «Corona zwang uns, in die Zukunft zu investieren und innovativ zu sein.» Obwohl er sich bereits jetzt auf seine Gäste und eine gewisse Normalität freut, so wird ihm und seiner Frau zuerst etwas anderes Freude bereiten.

 

Leroy Ryser im Gespräch mit Daniel Bisten, Geschäftsführer Restaurant Gasthof Engel

Daniel Bisten, am Montag folgt der nächste Öffnungsschritt, mit welchem Restaurants wieder öffnen und Gäste auch wieder drinnen bewirtet werden dürfen. Was löst dieses Gefühl bei Ihnen aus?
Daniel Bisten: In den letzten Wochen und Monaten mussten wir lernen, dass sehr vieles sehr kurzfristig geändert hat und vieles, das einmal angekündigt wurde, kam dann wieder anders. Deshalb war meine Freude lange Zeit etwas verhalten. Aber jetzt wissen wir, dass wir öffnen dürfen und natürlich ist die Freude darauf gross.

Was hat Ihnen in letzter Zeit am meisten gefehlt?
Das Auswärts-essen-Gehen.

Ein Koch, der am liebsten auswärts isst?
Aber natürlich. Einerseits koche ich den ganzen Tag für andere Menschen, sorge dafür, dass es ihnen gut geht und sie etwas Feines essen dürfen. Da möchte man das auch ab und zu selbst erleben dürfen. Wir haben zu normalen Zeiten sechs Tage die Woche geöffnet, also essen meine Frau und ich am siebten Tag jeweils auswärts. Und zudem hat auswärts essen auch etwas mit Marktbeobachtung zu tun. So kann ich vielleicht von einem Kollegen etwas für uns lernen.

Immerhin auf Terrassen darf man seit Mitte April wieder Gäste bewirten. Wie haben Sie diesen Öffnungsschritt erlebt und wie beurteilen Sie ihn im Nachhinein?
Als dieser Schritt diskutiert wurde, war unsere Ausgangslage im Gasthof Engel in Hüswil schwierig. Mit Abständen und Auflagen hätten wir gerade mal vier Tische mit je vier Personen stellen dürfen. Also haben wir uns entschieden, innerhalb von zehn Tagen ein Projekt zu lancieren. Mit einer Gartenbaufirma haben wir hinter dem Restaurant eine Palmen-Terrasse erstellt und so unsere Terrassenfläche vergrössert. Wir haben dafür sogar noch Tische und Bänke von meinem Urgrossvater «ausgegraben» und aufgestellt und haben dann von den Besuchern an den wenigen Tagen, als es schön war, positive Feedbacks erhalten. Zu oft machte uns der Wettergott aber einen Strich durch die Rechnung, weshalb wir uns manchmal wie ein klassisches Schönwetter-Ausflugsziel fühlten (lacht).

Führte dieser Öffnungsschritt also zu viel Aufwand für zu wenig Ertrag, oder können Sie ihm dennoch etwas Positives abgewinnen?
Corona zwang uns dazu, in die Zukunft zu investieren und innovativ zu sein. Was sollen wir tun, wie gehen wir weiter. Wäre Corona nicht gewesen, hätten wir die Terrasse vielleicht nicht erneuert und erweitert. Nun können wir sie aber auch künftig nützen. Und: Viele Besucher haben uns dafür gelobt und das war auch schön.

Ausserdem haben Sie in dieser Zeit ein neues Angebot lanciert: Das Wohnmobil-Dinner.
Das war keine explizite Idee von uns, dieses Angebot gibt es schon länger in unseren Nachbarländern und wurde dann vor allem durch die Organisation «Wohnmobilland Schweiz» hierher getragen. Wir haben uns angemeldet und mitgemacht – und innert wenigen Tagen hatten wir schon die ersten Gäste. Wir haben uns gedacht, dass wir dank dem grossen Parkplatz einen Vorteil haben, also wollten wir diesen nutzen. Die Gäste können hierher fahren, das Wohnmobil stehen lassen und wir bewirten sie.

Wie gut wurde das Angebot genutzt?
Sehr gut. Unser erster Gast, eine Dame, hat ihr Essen auf Social Media gepostet und das hat uns auch ein bisschen geholfen. Ausserdem waren wir der einzige Anbieter, bei dem man indonesisches Essen erhalten konnte. Wir haben dann jeweils jedem Gast ein privates Buffet mit Wärmeplatten in den Wohnwagen gebracht, und das kam sehr gut an. Zahlreiche Gäste kamen mittlerweile mehrmals bei uns vorbei, und an einzelnen Tagen waren wir komplett ausgebucht. Unser Parkplatz bietet Platz für vier bis sechs Wohnmobile je nach Grösse und dies wurde rege genutzt.

Dann wird das Angebot bestehen bleiben?
Ja, das wird es. Man kann dann hier im Restaurant essen, ein paar Meter laufen und sich hinlegen. So darf man auch ein Apéro und ein Glas Wein geniessen, ohne sich über die Fahrtüchtigkeit Sorgen zu machen. Deshalb haben wir uns auch beim neu gebildeten Label «Wohnmobil willkommen» angemeldet, um zu zeigen, dass Wohnmobile auch künftig bei uns über Nacht stehen bleiben dürfen.

Allgemein darf man sagen, dass Sie ein innovativer Gastgeber sind. Im Jahr 2017 waren Sie beispielsweise in aller Munde, weil Sie Insekten-Food verkaufen (wir berichteten). Wie gut fand dieses Angebot Anklang?
Nicht so gut, was eigentlich schade ist. Aber die Schweiz und somit unsere Gäste sind vielleicht noch nicht so weit. In Einzelfällen werden wir noch gefragt, ob wir es anbieten, und das tun wir. Die Nachfrage danach ist aber eher klein.

Daneben sind Sie das erste indonesische Restaurant der Zentralschweiz und überzeugen zeitgleich mit Ihren Cordon bleus Ihre Kundschaft. Wie gelingt dieser Spagat?
Als ich von meinem Aufenthalt in Indonesien zurückkam, wollte ich dieses Essen den Menschen hier näherbringen. Der Gasthof Engel war aber für schweizerische Kost bekannt. Also haben wir beides gemacht. Letztlich ist dieses Angebot in den letzten 20 Jahren gewachsen. Natürlich mussten wir ein paar Dinge verändern, auch mal etwas von der Karte streichen, was einzelne Gäste enttäuschte. Allgemein ergänzen sich diese beiden Angebote aber sehr gut. Und zudem: Das indonesische Essen kann man gut vorkochen, ehe man es nur noch fertig zubereiten muss, sobald es bestellt wird. Während die indonesischen Gerichte also fertig gekocht werden, bereiten wir dann die Cordon bleu frisch zu, so dass beides quasi zeitgleich zubereitet werden kann.

Und während Sie einen Spagat schaffen, streicht Restauranttester Daniel Bumann in seiner Kochsendung auf 3+ fleissig Speisekarten zusammen und rät den Restaurantbetreibern, sich auf ein paar wenige Menus zu konzentrieren.
Ich kenne Daniel Bumann gut. Als sein Sohn in der Gegend lebte, besuchte er uns öfters als Gast. Er hat meine Speisekarte mehrmals gesehen (lacht).

Und nicht zusammengestrichen?
Nein, nein. Ich denke aber, dass das auch ein bisschen mit Professionalität zu tun hat. Aus ein und demselben Fleisch kann man mehrere Gerichte zaubern, dafür kann man aber darauf verzichten, zahlreiche Fleischarten anzubieten. So wurde uns das auch beigebracht. Letztlich ist unser breitgefächertes Angebot auch eine Stärke von uns. Wenn ein Pärchen bei uns isst, kann er indonesisch essen und sie schweizerisch, so hat es für mehrere Geschmäcker das richtige Angebot. Allgemein gesehen gelingt der Spagat so eben dennoch gut.

Sowieso besteht der Gasthof Engel mittlerweile seit über 110 Jahren. Also muss es quasi ein engeltypisches Erfolgsrezept geben, oder?
Ich weiss nicht, ob es das so gibt. Ich denke, der Gasthof Engel konnte überleben, weil immer wieder die richtige Person für die richtigen Innovationen gesorgt hatte. Meine Urgrossmutter hat ihn damals als Witwe übernommen, daraufhin heiratete sie erneut und liess meinen Grossvater hier aufwachsen. Meine Grossmutter übernahm dann den Betrieb und sorgte für viele bauliche Neuerungen, ehe auch sie früh gehen musste. Dann haben meine Eltern den Betrieb übernommen und weitergeführt – meine Mutter absolvierte eine KV-Ausbildung und besuchte dann einen Wirtekurs, während mein Vater sich als gelernter Zimmermann das Kochen selbst beibrachte. Daraus entstand das heutige Gasthaus. Und jetzt habe ich mit meiner Frau den indonesischen Touch dazugebracht. Ich habe sie damals, als wir in Indonesien waren, gefragt, ob sie mit mir mitkommt und mithelfen will. Sie war noch nie in der Schweiz und dennoch haben wir es versucht und blicken nun auf eine erfolgreiche Zeit zurück. Die ständige Entwicklung war wahrscheinlich ein Grund für das lange Bestehen. Und letztlich wissen wir in unserem Gewerbe: Die Gäste kommen nicht einfach so. Wenn man nicht gerade am Berner Bahnhof oder am Quai in Luzern seine Speisen anbietet, muss man etwas tun, damit Gäste einen besuchen.

Blicken wir zuletzt noch nach vorne: Ich formuliere es absichtlich provokant und möchte wissen, was Sie dazu meinen. Bald ist wieder alles normal und so wie früher. Richtig oder falsch?
Daran glaube ich nicht. Ich denke, dass vieles vorerst noch bleiben wird. Desinfektionsmittel gehören wohl weiterhin zum Grundbedarf eines Restaurants. Masken werden wir wohl vorerst weiterhin beim Servieren tragen müssen. Auch bezweifle ich, dass wir uns bald wieder die Hände schütteln wie früher, und vielleicht wird der administrative Mehraufwand bleiben, weil wir auch künftig unsere Gäste registrieren müssen. Wie es wirklich aussieht, kann ich kaum einschätzen, das ist die gute Frage. Wie werden Bankette künftig sein? Können wir unsere Angebote, beispielsweise auch den indonesischen Brunch, aufrecht erhalten? Das sehen wir dann, vielleicht müssen wir auch hier einmal mehr innovativ sein. Aber ich glaube, dass es langanhaltende Nachwehen aus dieser Zeit geben wird – auch für die Gastronomie.

Schauen wir also auf nächste Woche: Worauf freuen Sie sich am meisten, jetzt wo die Restaurant-Türen wieder öffnen?
Eines ist sicher: Am Montag werden ich und meine Frau auswärts essen gehen (lacht). Am Montag haben wir jeweils geschlossen, also nutzen wir das gleich aus. Und danach freuen wir uns natürlich sehr darauf, wieder alle Gäste bewirten zu dürfen. Arbeiter und LKW-Fahrer dürfen ja schon länger wieder bei uns essen, aber dass wir bald wieder alle, auch bei Schlechtwetter, bei uns empfangen dürfen, freut mich sehr.