• Ein Luzerner für den FC Luzern: Unter dem neuen Präsidenten, dem Fischbacher Stefan Wolf, ist rund um die Swissporarena auf der Allmend in Luzern endlich wieder Ruhe ein- und der Erfolg zurückgekehrt. · Bild: Leroy Ryser

05.08.2021
Sport

Mit Wolf vom FC Hollywood zum FC Langweilig

Stefan Wolf, Präsident FC Luzern – Unter dem neuen Präsidenten Stefan Wolf hat sich der FC Luzern in sechs Monaten vom erfolglosen FC Hollywood zum erfolgreichen FC Langweilig gewandelt. Der gebürtige Fischbacher hat beim Super-League-Klub eine deutliche Kurskorrektur vorgenommen.

Fussball · Stefan Wolf lacht im Sitzungszimmer der Swissporarena in Luzern herzhaft, als er mit der Feststellung konfrontiert wird, dass sich der FC Luzern unter seiner präsidialen Führung innerhalb von sechs Monaten vom erfolglosen FC Hollywood der Schweiz zum erfolgreichen FC Langweilig gewandelt hat. Dominierten beim FCL über Jahre hinweg kleinere und grössere Querelen, handfeste Streitereien, gepaart mit erfolglosen sportlichen Episoden, so gehörte mit dem Amtsantritt des 50-jährigen, gebürtigen Fischbachers als neuer Präsident des FCL dieses Kapitel endgültig der Vergangenheit an. Die Schlagzeilen beschränkten sich seither ausschliesslich auf das sportliche Geschehen, das im Gegensatz zu früheren Jahren äusserst erfolgreich ausfiel und Ende Mai im dritten Cupsieg der Vereinsgeschichte gipfelte.
Aber wie hat der ehemalige Spieler des FC Langenthal dieses Kunststück vollbracht? «Vielleicht weil ich ein langweiliger Präsident bin», entgegnet er mit einer Prise Humor auf die entsprechende Feststellung gleich zu Beginn des Gesprächs. Mit etwas mehr Ernsthaftigkeit weist der mit seiner Familie in Oensingen wohnhafte FCL-Präsident darauf hin, dass dieser Wandel nicht alleine mit seiner Person zu tun habe, sondern vielmehr mit dem Ende eines lange schwelenden Konflikts im Aktionariat des Klubs, der mit seinem Amtsantritt endlich habe beigelegt werden können.

Ein unglaublicher Steigerungslauf
«Kommt dazu, dass der sportliche Erfolg im Frühjahr für zusätzliche Ruhe im Umfeld des Vereins gesorgt hat», fügt Stefan Wolf hinzu. Dennoch kam sein Engagement beim Innerschweizer Super-League-Klub für viele Fachleute überraschend und manch einer fragte sich unverhohlen, weshalb sich der ruhige und besonnene Ex-FCL-Spieler eine solche «Straf»-Aufgabe überhaupt antut. Bei keinem anderen Klub in der Schweiz hätte er ein solches Amt übernommen, sagt Wolf, «aber mit dem FC Luzern bin ich von klein auf verbunden, das war für mich eine Herzensangelegenheit».
Er habe zweifellos Respekt gehabt vor der neuen Aufgabe, gibt er weiter zu verstehen, nicht zuletzt, weil er weiss, welche Reaktionen der FCL innerhalb und ausserhalb des Vereins auslösen kann. «Weil die gesamte Innerschweiz mit diesem Klub lebt, stecken enorm viele Emotionen im FCL», weiss der neue Klub-Präsident. Das sei ihm jedoch viel lieber, als einem Klub vorzustehen, für den sich niemand interessiere. Nur sechs Monate nach seinem Amtsantritt feierte der FCL mit dem Cupsieg den grössten Erfolg seit 30 Jahren. Ein Einstand nach Mass für den neuen FCL-Präsidenten. Auch hier relativiert Stefan Wolf und will dies nicht mit seiner Person in Verbindung bringen. «Die Mannschaft hat im Frühjahr einen unglaublichen Steigerungslauf hingelegt. Die Basis dafür wurde aber bereits letzten Herbst von unserem Sportchef Remo Meyer gelegt, der eine tolle Mannschaft zusammengestellt hat, die von unserem Trainer Fabio Celestini hervorragend trainiert, gecoacht und geführt wurde.»

Euphorie und Transferaktivitäten
Der unerwartete Erfolg hat rund um den FC Luzern eine riesige Euphorie ausgelöst, die auch die Chefetage des Klubs erfasste. So haben die Verantwortlichen in der Sommerpause mit aufsehenerregenden Transfers kräftig in die Mannschaft investiert, die bei vielen Experten als Geheimtipp für die laufende Saison gehandelt wird. Abermals trifft Stefan Wolf auf die Euphorie-Bremse, hält unmissverständlich fest, dass man nicht mehr Geld in die Mannschaft investiert habe, als ursprünglich geplant. Auch sieht der FCL-Präsident «seine» Mannschaft deswegen noch lange nicht auf Augenhöhe mit den beiden Top-Klubs der Liga, YB und Basel. «Klar, ist es unser Ziel, vorne mitzuspielen, aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns finanziell in einem Überlebenskampf befinden, haben wir doch auf diese Saison hin Darlehen in der Höhe von fünf Millionen Franken aufgenommen, die wir bis Ende 2023 zurückzahlen müssen. So gesehen sind wir noch weit von jenem Level entfernt, auf dem sich YB und Basel bewegen.»

Finanzieller Überlebenskampf
Im Gegenteil, Wolf blickt mit einer gewissen Angespanntheit auf die neue Spielzeit, mit dem Schreckgespenst Corona im Nacken. Er macht klar, dass 70 Prozent der gesamten Klub-Einnahmen aus der Matchorganisation stammen. «Sollten erneut über längere Zeit Spiele ohne Zuschauer stattfinden, bekämen wir ernsthafte Probleme.» Deshalb beschäftigt er sich viel lieber mit der mittel- und langfristigen, hoffentlich coronafreien Zukunft. Man wolle etwas aufbauen beim FC Luzern, den Klub in allen Belangen weiterentwickeln. Wohin die Reise führen soll, möchte Stefan Wolf nicht konkret sagen, aber er verrät: «Wir sind sehr ambitioniert und wir wollen für weitere erfolgreiche Schlagzeilen sorgen.»
Ein grosses Anliegen ist dem zweifachen Vater (Tochter und Sohn) dabei auch die Nachwuchsförderung. Viele junge Spieler haben in den letzten Jahren den Sprung von den FCL-Junioren in das Super-League-Team geschafft und einige von ihnen anschliessend sogar ins Ausland. «Wir investieren jährlich rund 3,5 Millionen Franken in unseren Nachwuchs und nehmen hier auch eine soziale Verantwortung wahr, bilden wir doch nicht nur Spitzenfussballer aus, sondern auch enorm viele Spieler, die ihren sportlichen Weg in den unteren Ligen machen und damit den Breitensport in der Region am Leben erhalten», sagt der FCL-Präsident mit Stolz.
Stefan Wolf weiss ganz genau, wovon er spricht, stammt doch auch er aus einem kleinen Klub, dem FC Altbüron. Hier begann, was ihn bis in die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft führte. Dabei habe er eine solche Karriere gar nie im Visier gehabt, sagt der FCL-Präsident. Die Lust am Spielen sei bei ihm stets im Vordergrund gestanden, bemerkt Wolf. Das Wort Ambitionen sei ihm fremd gewesen. Nicht so den Verantwortlichen des FC Altbüron, die das Talent des jungen Kickers aus dem Nachbardorf Fischbach erkannten und das Gefühl hatten, dass man diesen Spieler fördern müsste. Deshalb habe man ihm einen Wechsel in die grosse Juniorenabteilung des FC Langenthal nahegelegt.

Nicht gut genug für GC
Hier wiederholte sich die Geschichte. Robert Schober, damaliger Trainer der ersten FCL-Mannschaft, erkannte, dass dieser Stefan Wolf zu mehr fähig war, als bloss in der 2. Liga zu kicken. «Schober hatte das Gefühl, dass ich es weiter oben versuchen sollte», erinnert sich Wolf, der daraufhin ein Probetraining bei den Grasshoppers absolvierte, das ernüchternd ausfiel, attestierte ihm doch der damalige GC-Sportchef Erich Vogel, dass sein Können nicht ausreiche, um bei GC Fuss zu fassen. Stefan Wolf sagt rückblickend, dass Vogel völlig Recht gehabt habe. Für ihn sei damit das Kapitel Fussball in der Nationalliga A (wie damals die höchste Schweizer Spielklasse hiess) erledigt gewesen.
Nicht so aber für FCL-Trainer Robert Schober, der nicht locker liess. Er drängte Stefan Wolf zu einem weiteren Versuch, dieses Mal beim Nachwuchs des FC Luzern. Der Banklehrling tat wie ihm geheissen wurde und klopfte beim U21-Team der Innerschweizer an, wo er sich zu Probetrainings einfand, die wesentlich erfolgreicher als bei GC verliefen, erhielt doch Stefan Wolf einen Nachwuchs-Vertrag. Weil die erste Mannschaft des FCL einen schlechten Saisonstart hinlegte, kam es beim amtierenden Schweizermeister zu einigen personellen Rochaden, wurden die Stammspieler Roger Wehrli und Martin Müller von Trainer Friedel Rausch vorübergehend in den Nachwuchs verbannt. Als dann noch Verletzungen und Sperren hinzukamen, herrschte plötzlich im Meister-Kader ein personeller Engpass. Rausch klopfte bei U21-Trainer Charly Meschenmoser an und verlangte für das Auswärtsspiel in Lausanne einen Abwehrspieler, genauer gesagt einen Innenverteidiger. Eigentlich lag es auf der Hand, dass Nationalspieler Wehrli ins Meister-Team zurückkehren würde, doch Wehrli und Meschenmoser waren der Meinung, Rausch solle für dieses Spiel den FCL-Neuling Stefan Wolf mitnehmen.

Friedel Rauschs unvergessliche Worte
«Ich erinnere mich genau, dass ich an jenem Tag beim Pizza-Essen mit Kollegen war, als mich meine Mutter anrief und aufforderte, sofort nach Hause zu kommen, weil ich am nächsten Tag mit der ersten Mannschaft nach Lausanne fahren sollte», erzählt Stefan Wolf. Die Überraschung war perfekt, doch FCL-Trainer Rausch setzte dann am Spieltag noch einen drauf, als er den Nachwuchsspieler bei der Ankunft in Lausanne zur Seite nahm: «Er hat mir den Arm auf die Schulter gelegt und gesagt: Junge, sch … dir nicht in die Hose, du spielst von Anfang an. Diese Worte habe ich bis heute nicht vergessen. Plötzlich stand ich in einer Mannschaft, mit der ich noch nie trainiert und kein Spiel absolviert hatte und kaum einen Spieler kannte.»
Als wäre das nicht schon genug gewesen, kam dann noch eine weitere Überraschung hinzu: «Nach 20 Minuten lagen wir 0:3 hinten. Ich dachte mir, das ist wahrlich ein gelungener Einstand in der ersten FCL-Mannschaft.» Doch das Blatt sollte sich zugunsten von Stefan Wolf wenden, denn nach 90 Minuten verliessen die Luzerner die Pontaise mit einem Punkt, konnte doch der Rückstand wettgemacht werden (3:3). Eine Woche später erhielt der junge Nachwuchskicker ein weiteres Aufgebot, musste dann allerdings auf der Ersatzbank Platz nehmen. Die Partie, Stefan Wolf weiss nicht mehr gegen wen, ging hoch verloren, «weshalb Rausch gezwungen war, im Hinblick auf das nächste Spiel erneut personelle Korrekturen vorzunehmen», bemerkt Stefan Wolf, der wieder in die Startformation zurückkehrte. Und mit ihm gewannen die Luzerner diese Partie. «Von da an gehörte ich fix zum Team und spielte ich immer.»
Diese Geschichte habe ihm immer vor Augen geführt, dass man für einen erfolgreichen Karriere-Verlauf auch immer Glück benötige und dass man sich zufälligerweise zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort befinden muss. Es folgten bis zum Alter von 35 Jahren 453 Spiele in der höchsten Schweizer Spielklasse mit Luzern, Sion, Servette und St. Gallen, der Gewinn des Schweizermeister-Titels mit Servette (1999), zwei Cupsiege mit Luzern (1992) und Servette (2001) sowie 14 Länderspiele mit der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft.

Von Walter Ryser