• Aus der ganzen Bandbreite dynamischen Musizierens schuf Brass Explosion verschiedenste Bilder und Geschichten, die das Publikum zu begeistern wussten. · Bild: Rolf Bleisch

30.12.2019
Oberaargau

Musik, die der Worte nicht bedarf

In der vollbesetzten Kirche Eriswil bot Brass Explosion unter der Leitung von André Gygli vorweihnächtliche Stimmung mit Klängen aus der Stadt New York.

Eriswil/Menzberg · Gut 50 Minuten dauerte das Adventskonzert mit beispielhaften Arrangements weihnächtlicher Musik, welche die zehn Bläser und die drei Perkussio-nisten der Brassband Brass Explosion in der Eriswiler Kirche und tags darauf auf dem Menzberg mit hohen Erinnerungswerten gestalteten.

Geografisch in New York
Allein der Aufbau des Programms war ein Zeugnis von Kreativität der Brass-Band, welche die sieben Stücke in einem klaren dramatischen Aufbau zu einem von Geschichten geprägten Abend mit Werken von Leonard Bernstein, Georg Friedrich Händel, George Gershwin und Charles Chaplin inszenierte. Geographisch angesiedelt wurde das Konzert in New York. Die Stadt ist eng verbunden mit der musikalischen Leidenschaft des Komponisten Bernstein, dessen 100. Geburtstag im vergangenen Jahr Brass Explosion mit einem hervorragenden musikalischen Vortrag würdigte.

Weltstadt – Weltmusik
New York ist aber auch eine Stadt, die von Geschichten lebt. Teile dieser Geschichten bildeten die Grundlagen für das Konzert in Eriswil und auf dem Menzberg. Die Musicals von Bernstein sorgten rund um den Erdball für gros-se Begeisterung und tun dies heute noch. Diese fantastische Welt mit nur zehn Bläsern und drei Perkussionisten auferleben zu lassen, war die grosse Herausforderung für Brass Explosion, die sie mit grossartigem Können und musikalischer Lust zu einem besonderen Erlebnis machte. Seine musikalische Qualität zeigte das Orchester bereits mit dem aufbrausenden Konzerteinstieg der «West Side Story» von Bernstein, die 1961 uraufgeführt wurde. Mit auf- und abbauenden Explosionen über verschiedenste Solopartien hinweg, geschmückt mit zurückhaltender Begleitung und dem gezielten Einsatz der Perkussionisten, führte zu einem musikalischen Bild- und Geschichtenspektakel mit ständigen Überraschungen. Mit dieser Beschreibung zeichnete sich Brass Explosion vom ersten bis zum letzten Stück aus, setzte voll auf Dramatik und Dynamik, liess die Musik leben und vermochte so die Zuhörer zu fesseln. Brass Explosion schuf dabei Stimmungsbilder, wie sie etwa bei den drei Teilen aus dem 1944 uraufgeführten Musical «On the Town» von Bernstein zu erfahren waren. Im Mittelpunkt standen drei Matrosen, die einmal Manhattan erleben wollten, mit grosser Entdeckunsgslust den Stadtteil durchforsteten und von den Eindrücken überwältigt wurden, wie das im ersten Satz zum Ausdruck kam. Natürlich hielten die Matrosen auch Ausschau auf das weibliche Geschlecht.
Diese Erfahrungen widerspiegelten sich eindrücklich im zweiten Satz unter dem Titel «Lovely Town», in dem sich die vorgängige Stimmung zu einer sentimental bedrückenden Situation wandelte und von den Musikern äus-serst gefühlsbetont interpretiert wurde. Selbstverständlich konnten die Matrosen nicht einfach bei der Heilsarmee-Musik vorbeigehen, da sie über diese Klänge, in denen mit Hilfe der freudigen Töne aus «Tochter Zions» die helfende und befreiende Botschaft zu erfahren war und das Orchester unter der Leitung von André Gygli auch diesem Werk einen speziellen Charakter aufsetzte. Autobiographische Züge wies das berühmte «Limelight»-Thema aus dem gleichnamigen Film von Charles Chaplin aus, in dem die traurige Geschichte eines einsam gewordenen Künstlers wohl allen Zuhörern zu Herzen ging, selbst wenn die Tragik der Geschichte in der Originalfassung mit Streichern etwas stärker zum Ausdruck kommt.

Rhythmus im Blut
Ganz im Kontrast zu Chaplins Werk stand «I got Ryhtm» aus dem Musical «Girl Grazy» von George Gerswhin, bei welchem, wie es der Titel schon sagt, der Rhythmus im Vordergrund steht und das in der Originalfassung als Pianosolo gespielt wird. Konzentriert auf den Rhythmus stand denn auch die Interpretation dieses kurzen Werkes, das mit mitfühlender Begleitung zu einem weiteren Höhepunkt des Abends wurde.
Der Wunsch nach Frieden beendete das Konzert mit der Heilsarmee-Fassung von «Joy to the World» (Freue Dich, Welt) aus den barockschen Federn von Georg Friedrich Händel.

Von Rolf Bleisch