• Am Samstag konnte Dominique Aegerter im vierten MotoE-Rennen seiner Karriere bereits den zweiten Sieg feiern. · Bilder: Fritz Glänzel

  • Der Rohrbacher Dominique Aegerter (Nummer 77) führt das MotoE-Feld an.

22.09.2020
Sport

Nach erneutem Triumph der grosse Frust

MotoE-Weltcup 2020, 4. Rennen, GP Emilia Romagna von San Marino – Der Rohrbacher Dominique Aegerter blickt auf ein turbulentes Rennwochenende zurück. Am Samstag feierte er seinen zweiten Sieg in der MotoE-Kategorie. Im zweiten Rennen am Sonntag lag er erneut auf Podestkurs, als er brutal abgeschossen wurde, aber unverletzt blieb. Nun wird der MotoE-Weltcup an den beiden letzten Rennen in Le Mans im Oktober entschieden. Aegerter ist mit knappem Rückstand Gesamtzweiter.

Motorsport · «Natürlich freue ich mich über meinen zweiten Sieg in der MotoE-Klasse. Doch nach dem Zwischenfall am Sonntag überwiegt halt doch die Enttäuschung», fasst Dominique Aegerter das turbulente Rennwochende mit zwei MotoE-Weltcuprennen in San Marino zusammen. Aber der Reihe nach: Es passte einfach alles. Aegerter fühlte sich kurz vor seinem 30. Geburtstag, den er am 30. September feiert, am Rennwochenende in San Marino einfach fit und parat. Nach dem tollen Finish und dritten Rang eine Woche zuvor auf der gleichen Rennstrecke, folgten am Samstag und Sonntag zwei weitere Rennen mit glanzvollen Darbietungen der leuchtgelben Nummer 77. Es waren die Rennen Nummer vier und fünf der sieben Rennen umfassenden Weltcupsaison der MotoE-Klasse.

Der traumhafte Samstag …
Im Samstagsrennen zeigte der Rohrbacher eine weitere Meisterleistung, was taktisches Verhalten in einem Motorradrennen betrifft. Von der dritten Position aus startend – diese Klassierung hatte sich Aegerter in der EPole (dem Qualifying der MotoE-Kategorie) am gleichen Tag erkämpft –, steuerte die Nummer 77 seine akkubetriebene Maschine sechs der sieben Runden schön abwartend hinter dem Führungsduo. Dies, obwohl sein gewohnter Turbostart für einmal fehlte. Er musste sich vom Belgier Xavier Simeon überholen lassen. Doch bereits auf der Startrunde schnappte sich «Domi» den Belgier wieder. Fortan drehte er Runde um Runde hinter Matteo Ferrari (Italien) und Jordi Torres (Spanien). Gelegentlich versuchte der Oberaargauer, an Torres vorbei zu kommen. Nie liess er eine Lücke aufreissen. «Ich konnte die Rennpace problemlos mitgehen, fühlte mich total parat und habe deshalb in der Schlussrunde angegriffen», sagt Aegerter. Und wie. Gleich nach der Start- und Zielgeraden ging er in der ersten Kurve spät auf die Bremse und schnappte sich innen durch den Spanier. Dann machte er die Türe zu. Genau gleich machte er es dann auch mit dem in Front liegenden Ferrari drei Kurven vor Schluss. Nachdem der Rohrbacher innen vorbei war, machte er routiniert die möglichen Überholwege dicht. Aus dem Windschatten heraus kam Ferrari auf der Zielgeraden noch sehr nahe. Doch es reichte nicht. Erst recht nicht, weil der Italiener auf den 3. Rang rückversetzt wurde, weil er die Streckenmarkierung im Endkampf verbotenerweise verlassen hatte. Damit feierte Dominique Aegerter in seinem erst vierten MotoE-Rennen den zweiten Sieg und den vierten Podestplatz. Trophäenübergabe und Nationalhymne rundeten diesen wundervollen Renntag feierlich ab.

… und der bittere Sonntag
Niemand konnte wissen, dass der Sonntag die Gemütslage des Rohrbachers so verändern würde. Nach seinem Sieg am Samstag hatte er sich automatisch die Pole-Position für das zweite Rennen am Sonntag gesichert. «Ich fühlte mich topmotiviert und war gewillt, erneut auf das Podest zu fahren», versichert der Pilot mit dem Schweizer Kreuz auf dem Helm. Nach dem Start zu den sieben Runden (29,5 km) preschte der Italiener Matteo Ferrari nach wenigen Kurven am Schweizer vorbei. Aegerter blieb an seinem Hinterrad dran und war bereit, ein weiteres Meisterstück taktischer Rennklugheit abzuliefern. Dann geschah das Unfassbare. Nach der ersten Kurve der zweiten Runde ging der an vierter Position liegende Italiener Tommaso Marcon einfach nicht mehr auf die Bremse. Ungebremst donnerte er ins Hinterrad von Dominique Aegerter, der gerade zur zweiten Kurve ansetzte. «Du hörst den Elektrotöff nicht kommen. Ich wurde vom wuchtigen Aufprall völlig überrascht», berichtet Aegerter. «Natürlich versuchte ich, den Töff noch zu halten. Doch ich hatte keine Chance und rutschte von der Strecke. Glücklicherweise hat es mich nicht überschlagen. Ausserdem bin ich sehr froh darüber, dass mich die 260 Kilogramm schwere Maschine nicht getroffen hat.» Anders als der Deutsche Lukas Tulovic im Rennen vom Samstag (ein Pilot fuhr über sein Bein) hatte der Schweizer auch Glück, dass ihn kein nachfolgender Fahrer erwischte. Er blieb bis auf ein paar blaue Flecken unverletzt. Blitzartig reagierte der Rohrbacher und sprintete zu seiner Maschine zurück, wuchtete sie praktisch im Alleingang hoch und setzte das Rennen fort. Alleine diese Tatsache zeigt, was für ein «Domifighter» der Oberaargauer effektiv ist. Gebracht hat es schliesslich nichts. Mit grossem Rückstand hinter dem Feld her fahrend, musste Aegerter auf genügend Ausfälle hoffen, um noch zu Punkten zu kommen. Mit Rang 16 musste er sich aber schliesslich einen Nuller schreiben lassen. Derweilen schaffte Matteo Ferrari (Italien) wie Aegerter den zweiten Rennsieg in dieser Saison und übernahm die Führung im MotoE-Weltcup vor dem Rohrbacher. «Am Samstag lag ich noch mit 19 Punkten beruhigend in Front. Nun bin ich vier Punkte im Hintertreffen wegen eines Fehlers, für den ich überhaupt nichts kann», meint Aegerter enttäuscht. «Mir ist völlig klar, dass jede Position umkämpft ist und es mit diesen schweren Maschinen schwierig ist, zu überholen. Aber was Marcon da versuchte, ist wirklich unakzeptabel», wettert ein sehr enttäuschter Aegerter.

In Le Mans fällt die Entscheidung
Statt mit 24 Punkten in Front die beiden letzten Rennen aus einer gesicherten Position in Angriff nehmen zu können, muss Aegerter nun unverschuldet alles riskieren, um den Weltcup-Gesamtsieg noch zu holen. Ferrari liegt mit 86 Punkten vier Zähler vor Aegerter und sieben Zähler vor Torres. «Es ist, wie es ist. Ich bin gleichwohl topmotiviert, in den bleibenden Rennen in Le Mans das Ruder noch rumzureissen.» Auf der den Weltcup entscheidenden Strecke besitzt der Rohrbacher sogar einen kleinen Vorteil. «Ich kenne die Piste natürlich von meiner Moto2-Zeit her.» Etwas, was die MotoE-Fahrer nicht behaupten können, da in Le Mans erstmals überhaupt MotoE-Rennen stattfinden.
Dominique Aegerter wird sich daheim in Rohrbach minutiös auf die finalen Rennen am 10. und 11. Oktober in Frankreich vorbereiten. Dazwischenkommen könnte einzig noch ein anderer Renneinsatz: Falls die Moto2-Teams für den Grand-Prix von Barcelona vom kommenden Sonntag noch einen Ersatzpiloten benötigen, wird das Natel von Aegerter klingeln.

Resultate: MotoE Samstag (13 Klassierte): 1. Dominique Aegerter, Schweiz/Rohrbach, 12:11,346; 2. Jordi Torres, Spanien, 12:11,449; 3. Matteo Ferrari, Italien, 12:11,421. – MotoE Sonntag (16): 1. Matteo Ferrari, Italien, 12:11,053; 2. Mattia Casadei, Italien, 12:12,049; 3. Jordi Torres, Spanien, 12:12,151; 16. Dominique Aegerter, Schweiz/Rohrbach, 12:49,416. – Weltcupwertung (5/7): 1. Matteo Ferrari, Italien, 86 Punkte; 2. Dominique Aegerter, Schweiz/Rohrbach, 82; 3. Jordi Torres, Spanien, 79; 4. Mattia Casadei, Italien, 71; 5. Eric Granado, Brasilien, 43. 

Von Stefan Leuenberger