• Matthias Aeschbacher ist stolz auf seine Herkunft. Sie ist auch ein Grund, weshalb er geworden ist, was er ist: ein ruhiger, bodenständiger Schwinger. Bild: Thomas Peter

26.07.2019
Emmental

«Nun, dann wäre ich eben König ...»

Matthias Aeschbacher ist zurzeit in den Medien omnipräsent. Dem Schwinger des Schwingklubs Sumiswald werden in der «UE»-Region die besten Chancen zugerechnet, am kommenden Eidgenössischen Schwingfest in Zug ganz vorne mitzuschwingen. Dass er den Kranz gewinnt, ist der 27-Jährige überzeugt, sein persönliches Ziel will er aber lieber für sich behalten. Im Monatsinterview spricht er deshalb über seine Wurzeln, seinen Paradeschwung und Reaktionen von Menschen, die ihm im Alltag begegnen.

RÜEGSAUSCHACHEN · Leroy Ryser im Gespräch mit Matthias Aeschbacher, Schwingklub Sumiswald

Matthias Aeschbacher, wenn man Ihren Namen auf Google eingibt erscheinen zwar in erster Linie Sie, prominent steht da aber auch ein Wikipedia-Eintrag eines Dirigenten von klassischer Musik. Mögen Sie wie Ihr Namensvetter auch die klassische Musik?

Das war mir bewusst, aber tatsächlich habe ich persönlich mit klassischer Musik keine Berührungspunkte. Um ganz ehrlich zu sein: Davon habe ich keine Ahnung. Ich höre lieber Rammstein.

Wer bei der Internetsuche weitergeht, wird vor allem zahlreiche positive News finden. Die Schlagzeilen beginnen ähnlich: «Aeschbacher gewinnt» steht zumeist in Verbindung mit einem Fest geschrieben. Freuen Sie sich über positive Berichterstattung?

Natürlich ist es schön, positive Sachen über sich zu lesen. Zugleich muss man aber auch ein bisschen aufpassen und dies nicht zu stark gewichten. Es gibt immer beide Seiten. Aber grundsätzlich ist es schön.

Wahrlich gibt es beide Seiten. Der Blick kritisiert Sie unter anderem gerne. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: «Neben dem inneren Haken hat er schwingtechnisch nicht viel zu bieten.» Was sagen Sie dazu?

Nun, wenn das der Blick schreibt, wird es wohl so sein (lächelt). Andererseits kann man anführen, dass beispielsweise Samuel Giger vor allem den Kurz hat, mit dem er stark ist. Deswegen schwingt er nicht schlechter. Und wieso soll man diese Schwünge nicht einsetzen, wenn sie gut und wirkungsvoll sind?

Was sagen Sie zur Aussage an sich? Sind Sie zu wenig variabel?

Ich habe nicht das Gefühl, ich bin sogar der Meinung, dass ich auf mehrere Arten zum Resultat gelangen kann.

Aber der Innere Haken ist Ihr Paradeschwung, oder?

Ja natürlich. Ich bin einer, der eher weit unten greift, und wenn ich mit Kraft den Gegner an mich ziehen kann, ist das eine effektive Option. Also habe ich wohl auch die körperlichen Voraussetzungen, um mit diesem Zug Erfolg zu haben.

Wieso wurde dieser Schwung überhaupt erst zu Ihrem Paradeschwung?

Ursprünglich kam ich selbst drauf, es so zu versuchen. Fritz Bähler, unser Trainer, hat mir dann Tipps gegeben, was ich wie tun soll. Und weil ich ihn immer besser konnte, wurde er mit der Routine immer eine bessere Waffe. 

Sowieso ist das mediale Interesse aktuell auch an Ihrer Person sehr gross, über Sie wird ganz offensichtlich viel diskutiert. Wie gehen Sie damit um?

Sagen wir es so: Ich könnte auch gut ohne diesen Rummel weiterleben. Natürlich ist es schön, wenn man erkannt wird, vor allem auch, weil die Reaktionen meist sehr positiv sind. Und hin und wieder ist es auch lustig, wenn Menschen zu einem kommen und sagen: «Über dich haben wir letztens gesprochen ...» und dann eine Geschichte erzählen.

Nicht zuletzt hat das auch mit Ihrem Erfolg zu tun. So gesehen ist Ihr Wiedererkennungswert auch ein Lob.

Das eine bringt das andere mit sich. Jemand, der Erfolg hat, ist länger ein Thema, als jemand der keinen hat.

Sie selbst bezeichnen sich als bodenständig. Ist das in diesem Rummel um Ihre Person mitsamt Social Media, eigener Website, Werbung und Interviewanfragen aus der ganzen Schweiz überhaupt noch möglich?

Manchmal ist es schwer. Aber andererseits bin ich einfach so. Ich bin so aufgewachsen. Und die eigenen Erfahrungen bestimmen irgendwann, wie man selbst ist. Ich selbst bin stolz auf meine Herkunft. Ich bin ein Emmentaler und werde das auch immer bleiben. Ich bin im Heimisbach aufgewachsen, wohne im Rüegsauschachen und werde wohl auch immer in diesem Gebiet bleiben. Vor allem auch wegen meiner Kindheit bin ich eher bodenständig und ruhig.

Sie scheinen tatsächlich eher der ruhigere Typ zu sein.

Ja, ich glaube, das äussert sich auch bei der Arbeit. Ich bin nicht derjenige, der «herumhypert». Ich bin nicht so «ime Züg inne». Ausser vielleicht, ich habe ein Hoch (lacht). Dann spinnt’s mir ein bisschen und dann geht’s wieder. Aber sonst bin ich schon eher ruhig.

Vielleicht schätzen die Menschen gerade das an Ihnen?

Ja, das wurde mir auch schon gesagt. Ich denke ausserdem, dass es ein Vorteil ist. Man wird weder in die Lüfte gelobt, aber auch nicht kleingemacht. Die Menschen haben Freude an meinen Erfolgen, aber drehen auch nicht gleich durch.

Das könnte Ihnen am Eidgenössischen Schwingfest helfen. Sie bleiben ruhig.

Ich versuche, meine Gedanken voll und ganz auf die Handlung zu konzentrieren und nicht auf das Resultat. Ich glaube schon, dass mir meine Art helfen kann. Ausserdem werde ich anders ans Fest gehen als vor drei Jahren.

Damals in Estavayer war die Enttäuschung gross. Bis zum Eidgenössischen haben Sie alle Kränze gewonnen und dann scheiterten Sie – wegen nur gerade einem Viertelpunkt. Haben Sie diese Niederlage verdaut?

Ja durchaus. Das ist für mich Schnee von gestern. Der Viertelpunkt an sich schmerzt mich auch nicht mehr, denn rückblickend war nicht nur die Schlussnote nicht ideal.

Was sonst noch?

Einzelne Niederlagen wären zu vermeiden gewesen. Ich fühlte mich damals zu sicher, fast schon überheblich. Ich hatte in dieser Saison alle Kränze gewonnen und hielt es für selbstverständlich, diesen auch noch zu gewinnen. Dabei ist genau das an einem Eidgenössischen nie der Fall.

Welche Erfahrungen aus Ihren beiden Auftritten 2013 und 2016 nehmen Sie für das diesjährige Fest mit?

Ich denke, ich brauche eine gute Mischung aus Fokus und Lockerheit. Ich werde versuchen, Gang für Gang zu nehmen und nicht etwa schon am Samstagmittag am Kranz herum zu studieren. Ich bin überzeugt, wenn ich mein Bestes gebe, wird es mir gelingen. 

Sie erleben mittlerweile das dritte «Eidgenössische» als aktiver Schwinger. Gerade das mediale Interesse scheint in diesen Jahren enorm. Wie erfahren Sie das?

Noch intensiver als in den letzten Jahren. Natürlich bin ich wegen meinen Resultaten auch etwas interessanter geworden, aber ich habe das Gefühl, dass das Interesse am Schwingsport konstant steigt.

Dreht sich denn auch bei Ihnen rund um die Uhr alles ums ESAF?
Ich denke viel daran. Beispielsweise wie ich schwingen möchte, was ich mir vornehme, auch welchen Plan ich ungefähr verfolgen werde. Aber zugleich gelingt es mir auch, abzuschalten. Dann gehen ich und meine Frau in einem Restaurant essen, oder ich gehe mit Kollegen in eine Beiz. Und da bin ich dann auch froh, wenn mal nicht Schwingen das Thema ist.

Und das gelingt?

Ein bisschen wird meistens darüber gesprochen. Und je nach dem, mit wem man unterwegs ist, ist das Thema früher oder erst später abgehakt. Aber natürlich: das Thema ist schon sehr präsent. Auch bei meiner Familie. Ein paar Wörter finden sich immer übers Schwingen.

Blicken wir nochmals auf das Fest, das am 24. August in Zug startet. Haben Sie manchmal auch Versagensängste? Oder werden Sie nervös?

Ein bisschen Kribbeln ist gut. Aber mir wird deswegen nicht unwohl. Und Angst habe ich auch nicht, ich bin überzeugt, dass ich den Kranz schaffen kann. Es ist wie ich es gesagt habe: Den Fokus auf die Handlung, nicht auf das Resultat.

Und das wird Ihnen an einem Eidgenössischen ohne weiteres Gelingen?

Ich denke schon, dass ich das im Griff habe. Zuletzt immerhin ist mir das immer gut gelungen. Natürlich gibt es einen gewissen Plan, den man verfolgen will. Beispielsweise versucht man, einen 10er anzustreben, wann immer es geht. Aber ich weiss, was ich kann und bin überzeugt, dass ich es schaffen werde.

Der Druck aber scheint immens. Alles andere als der Kranz wäre bei Ihnen eine Überraschung.

Druck mache ich mir nur selbst. Was andere denken, sollen sie denken, das spielt für mich keine Rolle.

Und trotzdem, schiefgehen sollte es ja eigentlich nicht.

Nehmen wir die aktuelle Saison: Zwei Feste habe ich gewonnen, am letzten Wochenende auf dem Weissenstein gelang mir nicht mal der Kranz. Es ist alles möglich.

Dann ist auch der Königstitel möglich.

So habe ich das nicht gesagt.

Aber wieso auch nicht? Die Sumiswalder Schwingerfamilie hätte den König nur zu gerne in den eigenen Reihen. 

Das wäre mir auch am liebsten (lacht).


Ist es Ihr persönliches Ziel, König zu werden?

Es gibt Ziele die veröffentlicht man und andere behält man für sich. Mein Ziel für das Eidgenössische Schwingfest behalte ich für mich.


Erlauben Sie mir diese eine Frage doch noch: Was passiert, wenn Sie Schwingerkönig werden?

(Überlegt) Nun, dann wäre ich eben König ... Ich hoffe, dass sich deshalb nicht zu viel verändern würde.

Sie haben vorhin gesagt, Sie denken hin und wieder auch an den Plan, wie Sie an diesem Fest auftreten wollen. Was gehört da dazu?

Natürlich ist der erste Gang in diesen Überlegungen wichtig. Andererseits geht es auch weiter, wenn ich auf dem Rücken lande. Viel wird auch dadurch bestimmt, wer mein erster Gegner sein wird. Nur schon der Körperbau des Gegners beeinflusst viel. Matthias Glarner hat es einst gut gesagt: «Wenn man in den ersten sechs Gängen seine Sache macht, hat man im siebten Gang schon den ersten Schlussgang. Und dann kann man König werden.» Zugleich kann aber auch ein einzelner Gang alles auf den Kopf stellen. Zu viel Gedanken will ich mir darüber heute noch nicht machen.


In einem Interview mit TeleBärn haben Sie abgemacht, dass Sie Ihren Bart abrasieren, wenn Sie den Kranz gewinnen. Dann hoffen wir nun auf einen bartlosen Matthias Aeschbacher?

Das schauen wir dann noch (lacht). Diese Wette ist für mich aktuell nicht wirklich ein Thema. Aber vielleicht kommt es ja so weit, wir werden sehen.