• Daniel Arn, Präsident Kommission Volkswirtschaft Oberaargau, führte durch die Wirtschaftslandsgemeinde bei der Motorex AG, Langenthal. · Bild: Liselotte Jost-Zürcher

20.02.2019
Langenthal

Ohne Digitalisierung läuft nichts mehr

Die Digitalisierung ist weit fortgeschritten. Wer sich in der Wirtschaft behaupten und in der Gesellschaft mitmischen will, ist «digitalisiert». Möglichkeiten und Herausforderungen wachsen gleichsam. Die traditionelle Wirtschaftslandsgemeinde Oberaargau befasste sich am Dienstagabend mit den Trends und Herausforderungen. Gastgeberin war die Motorex AG in Langenthal.

Es war keine einfache Kost, die den rund 140 Anwesenden aus den Oberaargauer Gemeindebehörden und aus der Wirtschaft «serviert» wurde. Fachreferenten stellten die Themen Internet of Things, Blockchain, Künstliche Intelligenz und Big Data vor. Aber auch Massnahmen gegen Spuren, welche die Digitalisierung in Städten und Dörfern hinterlassen hat.

Chance in der Wirtschaft oder neue Gesellschaftsmodule?
Bis 2030 dürften Millionen von «herkömmlichen» Jobs verschwunden sein. Ökonomen gehen davon aus, dass auch wieder Millionen Jobs geschaffen werden, eng verbunden mit der IT-Branche. «Ich persönlich habe keine Angst vor den Job-Verlusten. Die Technologisierungen in den letzten Jahrzehnten wurden vorerst stets mit Skepsis aufgenommen, sogar mit viel Widerstand. Aber es ist wichtig, das Personal weiterzubilden und die Ressourcen zu festigen», stellte Daniel Arn, Präsident Kommission Volkswirtschaft Oberaargau, fest. Er führte am Dienstagabend durch den Anlass. Bedenken äusserte dagegen Thomas Reitze, der Referent von IBM Schweiz AG: «Vielleicht wird es nicht mehr so viele Jobs geben. Vielleicht braucht es neue Gesellschaftsmodule.»
Reitze hatte zuvor zum Thema Blockchain referiert. Blockchain ist heute in Industrie-, Dienstleistungs- und Lebensmittelbranchen weitverbreitet. Einfach erklärt bedeutet es eine multilaterale sichere Transaktion in einem digitalen System, die – blockweise – immer wieder neue Partner und weitere Transaktionen einschliesst.
Blockchain ist, wie die Digitalisierung überhaupt, kaum mehr aufzuhalten. Bereits reissen sich Staaten darum, führende Zentren von Blockchain zu sein. Auch die Schweiz. Eben erst liess Bundespräsident Ueli Maurer wissen, er möchte die Schweiz zum führenden Land für Blockchain-Technik machen.

Verifizierte Transaktionen
Thomas Reitze hält Blockchain für sicher. In einem geschlossenen Blockchain-System hätten alle Partner Zugriff und Kontrolle. Es bilde ein verteiltes, «unlöschbares» Transaktionsbuch für alle beteiligten Organisationen, adäquate Sichtbarkeit durch authentifizierte und verifizierte Transaktionen, definierte Business Modalitäten würden gespeichert und exakt ausgeführt, und alle «Parteien» würden zustimmen und die Transaktion bezeugen. Würden dagegen noch Eins-zu-eins-Beziehungen hineinspielen, ver-
mindere dies die Sicherheit und auch die Effizienz. Ziel sei es deshalb, alle jeweiligen zugehörigen Transaktionen in die Kette einzubinden. «Blockchain reduziert die Risiken, spart Zeit und Geld», fasste der Referent zusammen.

Vernetzt sein – ein Mehrwert
Die beiden Swisscom-Referenten Philipp Egolf und Roger Kaspar sprachen über Künstliche Intelligenz (KI), Big Data und Internet of Things (IoT).
Internet vernetze «Things», Sachen. Für Private und Wirtschaft bedeute dies Mehrwert. Als Roger Kaspar zum Thema einen Kurzfilm zeigen wollte, versagte allerdings die Technik. Das Publikum wurde in der Folge nicht mit einem Mehr-, sondern mit einem Minderwert konfrontiert.

«Dann drücken Sie bitte Taste 1 …»
Künstliche Intelligenz ist an sich über ein halbes Jahrhundert alt, wurde 1956 vom amerikanischen «Vater der künstlichen Intelligenz», «Artificial Intelligence (AI)» entwickelt. Erst 1987 fand AI Anwendung im Finanzbereich. Dann aber entwickelte sich die Technologie schlagartig weiter – und sie tut es immer noch, auch oder vor allem bei Swisscom. Geht es nach Philipp Egolf, wird der telefonische Kundenservice von Swisscom weiter verbessert. Bald schon dürfte der zuweilen fast endlose Kampf durch die Telefonführung «für Deutsch wählen Sie bitte die Taste 1» – «Haben Sie eine Frage zu Ihrer Rechnung, drücken Sie bitte …» schon bald ein Ende haben. Vielmehr sollen die Kunden dereinst direkt nach ihrem Anliegen gefragt und dieses in den richtigen Kanal oder zur richtigen Fachperson geleitet werden.
Doch nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich sind Swisscom und die Konkurrenz gefordert. So habe etwa das WatsApp die kostenpflichtigen SMS abgelöst. «Solche Veränderungen erhöhen den Kostendruck zusätzlich. Gleichzeitig ist es das Bestreben, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen», so der Referent.
Viele KMU, insbesondere Kleinbetriebe, haben schlichtweg nicht die Ressourcen, ihre Unternehmen den digitalen Möglichkeiten und Ressourcen anzupassen.
Mit dem «Quickstarter 2025» soll es ihnen möglich sein, die Betriebe aus weitgehend eigener Kraft anzupassen und neue Wege zu gehen. «Quickstarter 2025» (www.industrie2025) wurde von Philip Hauri vorgestellt. «Quickstarter 2025» wurde von swissT.net, asut und Swissmem initiiert und entwickelt. Dies auf der Basis von «Industrie 4.0». Dieser Begriff wurde 2012 durch die gleichnamige deutsche Zukunftsinitiative geprägt. «Industrie 4.0» drückt aus, dass nach der Mechanisierung, Elektrifizierung und Automatisierung nun die vierte industrielle Revolution im Gange ist: die Digitalisierung und Vernetzung.
Inzwischen arbeiten weitere Organisationen beim «Quickstarter 2025» mit. Die Nonprofitorganisation hat eine Internet-Plattform entwickelt, auf welcher sich Unternehmen vorerst selbst informieren können. Mit seiner Schritt-für-Schritt-Philosophie hilft der «Quickstarter», in einer Firma strukturiert und ressourcenschonend erste Digitalisierungsprojekte zu identifizieren und umzusetzen. Das Unternehmen ist dabei frei, ob es bei der Anwendung Support durch Experten braucht oder nicht.
Der Projektverein «Myni Gmeind» schliesslich wurde von Hannes Treier, Geschäftsführer, vorgestellt. Laden- und Restaurantschliessungen prägen insbesondere Landgemeinden. Das Projekt soll helfen, Gemeinden zu neuer Attraktivität zu verhelfen, dort Lücken zu füllen, wo durch Schliessungen solche entstanden sind, der Einsamkeit im Alter entgegenzuwirken, neue Projekte, Dienstleistungen und Institutionen anzusiedeln.

Alle Leistungserbringer einbeziehen
Zu den ersten Pilotgemeinden gehören unter anderem Davos, Adelboden, Luzern und Grächen. Weitere sind in Vorbereitung. Projektpartner sind Post, Swisscom, Cisco, Zurich, Elek-tron und BKW. «Wichtig ist es, bei den Workshops alle Leistungserbringer einzubeziehen, damit sich die Region entwickeln kann», so Hannes Treier.
Die Anwesenden wurden von Edi Fischer, CEO der gastgebenden Bucher-Motorex-Gruppe, begrüsst. Speditiv, spannend und mit prägnanten Worten stellte er das weltweit tätige, über 100-jährige Unternehmen vor. Er tat dies sehr themenbezogen – unvermittelt befanden sich die Anwesenden mitten in der komplexen Materie, bevor die Referate überhaupt nur begonnen hatten. Schnell wurde klar, dass es in der Motorex AG niemals so geschmiert laufen würde, hätte sie in der digitalen Welt nicht die Nase vorn …

Von Liselotte Jost-Zürcher