• Der Pendelzug des Typs «RBDe 4/4 I» unterwegs in Griesbach bei Sumiswald auf der «Überfuhr» von Porrentruy nach Zell. · Bild: Cedric Mühlemann

  • Das «Schmuckstück» steht nun im Zeller Industriegebiet und es wird bereits fleissig daran gewerkelt. · Bilder: Yanick Kurth

  • Der Präsident Dänu Führer (links) und Kassier Ernst Lütolf sind voller Freude, den «RBDe 4/4 l» via Crowdfunding vor der Verschrottung gerettet zu haben.

  • Dänu Führer entfernt am Zug die aktuelle Bemalungen.

  • Dänu Führer ist damit beschäftigt, die alten Rollbandanzeigen wieder zum Laufen zu bringen.

27.06.2023
Luzerner Hinterland

Pendelzug wieder zurück in der alten Heimat

Ende Mai 2023 war der Pendelzug des Typs «RBDe 4/4 I» wieder auf altbekannten Schienen unterwegs. Der Zeller Verein Pendelzug Mirage konnte mittels Crowdfunding den letzten Zug aus dieser Serie vor der Verschrottung retten. Bald fährt das «Schmuckstück» wieder durch die Region.

Zell · «Unser Verein hat sich zum Ziel gesetzt, historisches Erbe der Eisenbahnen der früheren Emmental- Burgdorf- Thun Bahn (EBT) sowie der Vereinigten Huttwil Bahnen (VHB) lebendig zu erhalten», sagt Dänu Führer, Präsident des Vereins Pendelzug Mirage. Ende Mai 2023 konnte der Verein mit dem Pendelzug des Typs RBDe 4/4 I (oder neuzeitlich RBDe 566 I) den zweiten Zug in ihrer 15-jährigen Vereinsgeschichte erwerben. Die roten Züge standen seit dem Jahr 1973 bis zu deren Verkauf im Jahr 2013 auch in der «UE»-Region im Einsatz. Während zehn Jahren stand der genannte Zug im Dienst für die «Chemins de fer du Jura», auf deren einzigen Normalspurstrecke zwischen Porrentruy-Bonfol. Durch das Behinderten-Gleichstellungsgesetz musste aber auch dieser Zug durch solche mit Niederfluranteil ersetzt werden. Die zweiteilige Komposition wurde Ende Mai von Porren-truy nach Zell überführt.

Crowdfunding war ein voller Erfolg
Im Februar 2022 ist der Verein Pendelzug Mirage darauf aufmerksam geworden, dass die «Chemins de fer du Jura» die Züge des Typs «RBDe 4/4 I» endgültig ausrangieren will. «Wir haben dann den Kontakt mit dem Unternehmen gesucht», erinnert sich Dänu Führer zurück. Der Verein wagte die Finanzierung des Zuges erstmals mittels Crowdfunding. «Während in den ersten paar Tagen noch relativ wenige Gelder flossen, nahm der Anteil plötzlich stark zu», so der Vereinspräsident weiter. Am Schluss kamen über 58 000 Franken zusammen. Für den Zug allein wurden 47 926.50 Franken benötigt. Der Preis ist hauptsächlich auf den hochwertigen Stahl und viel Kupfer zurückzuführen. «Die Freude bei uns war riesig, als wir erfuhren, dass wir den «RBDe 4/4 I» vor der Verschrottung retten konnten», zeigt sich ein erfreuter Dänu Führer. Über 200 Sponsorinnen und Sponsoren haben es möglich gemacht, dass der rote Zug nun wieder in seiner alten Heimat steht. Die Vereinsmitglieder haben nach dem erfolgreichen Crowdfunding auf ihr neues «Schmuckstück» angestossen. Dänu Führer ist seit der Gründung im Jahr 2008 im Verein tätig. Im Jahr 2016 hat er das Präsidium übernommen. Heute zählt der Verein knapp 50 Aktivmitglieder. Fast 40 Passivmitglieder sowie drei Kollektivmitglieder kommen hinzu.

Eine absolute Pionierleistung
Der Zug gehört zweifellos zu den Meilensteinen in der Entwicklung der Nahverkehrs- und Privatbahnzüge, war er doch bei seiner Ablieferung in den Jahren 1973/74 mit seinen aussenbündigen Einstiegtüren eine absolute Pionierleistung. Der letzte aus einer Serie von acht Zügen wurde im Mai 2023 definitiv ausrangiert. Der Verein Pendelzug Mirage setzte sich zum Ziel, den Zug vor dem Schneidbrenner zu retten und ihn in seiner ursprünglichen Livrée mit dem Kantonswappenlogo (Bern, Solothurn und Luzern) als historischen Zug zu erhalten. Bei diesen Fahrzeugen kamen zum ersten Mal in der Schweiz bei einem Schienenfahrzeug Schwenkschiebtüren als Aussentüren zum Einsatz. Die Türen werden durch den Lokomotivführer seitenselektiv freigegeben und vom Kunden über Druckknöpfe bedient. Die Türschliessung wird vom Lokomotivführer aus dem Führerstand eingeleitet. Die Züge sind auch mit einer Halteanforderungsfunktion versehen, was die Bedienung von Halt-auf-Verlangen-Stationen ermöglicht, ohne dass ein Zugbegleiter mitfährt.

Vor der ersten Fahrt auf Vordermann bringen
Jetzt hegen und pflegen ihn die Vereinsmitglieder. Eine Gruppe, die sich ganz dem Erhalt alter Schienenfahrzeuge verschrieben hat. Der zweiteilige und neu erworbene Zug soll nach seiner historischen Aufarbeitung für Charter- und öffentliche Fahrten eingesetzt werden und so der Nachwelt als lebendiger Zeuge erhalten bleiben. Mit der Übernahme des Zuges konnte der Verein rund einen Fünftel neue Vereinsmitglieder begrüssen. Das «Schmuckstück» steht nun im Zeller Industriegebiet und es wird bereits fleissig daran gewerkelt. Die farbigen Aussenfolien von einem jurassischen Künstler wurden als erstes entfernt. «Der Zug ist trotz seines Alters in einem verhältnismässig guten Zustand», freut sich Dänu Führer, der früher selbst viel mit diesen Zügen unterwegs war. Es werden alte Leimresten entfernt und die Farbe wird aufgebessert. Die alten Rollbandanzeigen werden ebenfalls wieder funktionstüchtig gemacht. Weiter soll ein Kühlschrank eingebaut werden. Ob auch eine Bar eingebaut wird, steht noch offen. Das altbekannte «Schmuckstück» wird dann künftig in der Grenzregion Huttwil/Zell abgestellt. Die «Mirage», der andere Zug des Vereins, steht auf den Geleisen der Leuenberger Dienstleistungen AG in Zell. «Wir sind sehr froh, den Zug ‹kostenlos› auf ihren Geleisen platzieren zu dürfen», sagt Dänu Führer. Der «RBDe 4/4 I» wird erstmals am Huttwiler Handwerkermärit im Einsatz stehen. Am Samstag, 1. Juli, werden drei Fahrten nach Sumiswald und am Sonntag, 2. Juli, zwei zusätzliche Fahrten stattfinden. «Das Interesse am Zug ist riesig, einige können es kaum erwarten, mit ihm mitzufahren», freut sich der Präsident und Bahn-Liebhaber. Später wird der Zug dann, so wie die «Mirage» auch, auf besonderen Fahrten unterwegs sein. Die Billett-Einnahmen gehen vollumfänglich in den Erhalt der Fahrzeuge.

Revision wird eine Herausforderung
Die Revisionsfristen des «RBDe 4/4 I» werden in Kürze ablaufen. Der Verein kann diese Frist aber hinauszögern, da der rote Zug nicht mehr so oft im Einsatz stehen wird. Die Züge wiesen früher enorm hohe Laufzeiten auf. Die bevorstehenden Revisionen werden für den Verein eine echte Herausforderung. «Die Revisionen sind teurer als der Zug selbst», sagt Dänu Führer. Die Revision soll in erster Linie mit dem Erlös der Fahrten, mit Gönner- und Spendenbeiträgen sowie dem Jahresbeitrag der Mitglieder gedeckt werden.

Von Yanick Kurth