• «Ich erachte es eher als unwahrscheinlich, dass in Huttwil irgendwann einmal ein Weltcuprennen gefahren wird. Viel eher wahrscheinlich empfinde ich die Austragung einer Europameisterschaft. Und vielleicht können wir uns nach 2027 diesem Ziel widmen.»· Bilder: Thomas Peter

29.08.2023
Huttwil

Peter Zulauf: «Ich traue Mathias Flückiger zu, dass er gewinnt»

Kommendes Wochenende steht mit dem Event «Bike Village Huttwil» ein Grossanlass an. Im Monatsinterview mit dem «Unter-Emmentaler» verrät OK-Präsident Peter Zulauf seine persönlichen Highlights aus dem dicht gedrängten Kalender. Es stehen nämlich nicht nur die hochkarätigen Elite-Rennen am Sonntag, sondern auch zahlreiche Unterhaltungs- und Breitensportevents an. So findet am Freitagabend beispielsweise der Trailrun Huttwil statt, auf Gusto-Ride-Touren können Gäste die Region auf dem Velo in Punkto Kulinarik und Panorama kennenlernen und nicht zuletzt entsteht während den drei Tagen im Campus ein Eventdorf mit zahlreichen Angeboten für Besucher. Ausserdem spricht Peter Zulauf im Interview über die weitere Zukunft des Rennevents und verrät, dass Planungen laufen, um bis 2027 ein entsprechendes Event in Huttwil zu ermöglichen.

Monatsinterview · Leroy Ryser im Gespräch mit Peter Zulauf, OK-Präsident Bike Village Huttwil

Peter Zulauf, am kommenden Wochenende findet der Event Bike Village Huttwil statt. Steigt bei Ihnen die Nervosität oder bewegt sich der Puls noch in einem «ruhigen» Bereich?
Peter Zulauf:
Zwischendurch, vor allem, wenn das Bike Village Thema ist, steigt der Puls schon ein bisschen. Eine gewisse Anspannung ist sicherlich vorhanden, aber wir haben uns zwölf Monate lang auf diesen Event vorbereitet und fühlen uns bereit für die Durchführung. Immerhin werden dafür bis zuletzt satte 7000 unentgeltliche Arbeitsstunden geleistet. Anders gesagt: All die Helfer haben Arbeiten im Umfang von vier Vollzeitstellen oder im Wert von rund 300 000 Franken geleistet.

Was sind die letzten Arbeiten, die nun noch anstehen? Herrscht an einzelnen Orten noch Zeitdruck?
Was die Strecke angeht, haben wir in den letzten Wochen und Monaten sehr viel getan. Es geht aktuell noch darum, dass wir beispielsweise Waldwege mit den Rechen vorbereiten oder dass wir an gefährlicheren Stellen mit Matratzen für Absicherung sorgen. Daneben sind natürlich ganz viele Einzelabsprachen nötig. Zwischendurch läuft das Telefon heiss. Mit möglichen Elite-Fahrern waren die «ÖKK Bike Revolution» bis zuletzt in Verhandlungen, hin und wieder müssen Fragen rund um das Gastro-Angebot oder den Helferpool betreffend geklärt werden. Aber grundsätzlich sind wir gut im Zeitplan.

Die Rennserie «ÖKK Bike Revolution», zu denen auch die Elite-Rennen vom Bike Village Huttwil am Sonntag gehören, werden im Radweltverband UCI als «Hors Category» geführt und gehören somit zum exklusiven Kreis der Top Mountainbike-Veranstaltungen der Welt. Was bedeutet dies für das Huttwiler OK?
Es ist eine Ehre. Wir sind hier mit anderen Destinationen wie dem Monte Ceneri, Chur, Davos oder Engelberg gleichgestellt, die unter anderen auch solche Rennen anbieten dürfen. Das ist auch eine Genugtuung. Der Oberaargau hat das Gelände, die Ressourcen und die Menschen, um so etwas zu ermöglichen.

Insbesondere freiwillige Helfer sind aber nötig, um einen solchen Grossanlass überhaupt durchführen zu können. Doch gerade in diesem Bereich stellen viele Veranstalter und Vereine fest, dass es noch schwieriger geworden ist, in der heutigen Gesellschaft genügend ehrenamtliche Helfer zu rekrutieren. Konnten Sie genügend Helfer rekrutieren?
Wir brauchen rund 250 Helfer und sind kurz davor, diese Zahl zu erreichen. Ausserdem haben wir am einen oder anderen Ort noch die Möglichkeit, Personalbedarf falls nötig zu reduzieren. Also ja, wir werden genügend Helfer haben.

Weshalb ist Ihnen dies gelungen?
Ich denke, dass es ein Vorteil ist, dass dieser Event nun zum zweiten Mal stattfindet. Daneben bezahlen wir für jede Helferstunde fünf Franken, welche die freiwilligen Helfer entweder einem Verein oder sich selbst auszahlen lassen können oder sie spenden es dem Bike Village Huttwil. Zudem bieten wir ein Helferfest an und sicherlich freuen sich viele auch einfach grundsätzlich, bei einem solchen Grossanlass in irgendeiner Form dabei sein zu können. Allgemein haben wir aber festgestellt, dass in unserer Gesellschaft vieles kurzfristiger wurde. Während man früher drei bis vier Monate im Voraus plante, fanden wir vor allem in den letzten Wochen und Tagen noch viele Helfer.

Genügend Helfer zu finden ist nicht die einzige Herausforderung. Bei der letzten Austragung regnete es fast drei Tage lang durch, was nicht nur auf der Strecke, sondern auch in den Finanzen Spuren hinterliess. Wie präsentiert sich die finanzielle Lage nun vor der zweiten Austragung und für die Zukunft?
Man kann das anschauen wie bei einem Start-up. Im letzten Jahr haben wir viel investiert, um starten zu können. Nicht zuletzt das Wetter hatte zweifellos zusätzliche Auswirkungen auf die finanzielle Situation. In diesem Jahr haben wir sehr vorsichtig budgetiert. Das gilt für die Einnahmen wie die Ausgaben. Unser Ziel ist es, dass wir das Darlehen, welches wir nach der letzten Austragung aufgenommen haben, zurückbezahlen können und mit einer schwarzen Null in der Zweijahresbilanz abschliessen werden.

Und das ist nach heutigem Stand realistisch – auch dann, wenn es erneut viel regnet und die Zuschauerzahlen nicht den Erwartungen entsprechen?
Wir sind guten Mutes. Das Wetter dürfte in diesem Jahr kaum mehr negative Auswirkungen auf die finanzielle Situation haben, da haben wir entsprechend Vorkehrungen beim Budgetieren getroffen.

Wie konnte das bewerkstelligt werden? Wurden die Ausgaben reduziert oder die Einnahmen erhöht?
Wir haben tatsächlich zusätzliche Sponsoren gewinnen können. Vereinzelt haben Sponsoren ihren Beitrag erhöht, neue sind dazu gekommen. Auch Naturalspenden durften wir zahlreiche entgegennehmen, sodass wir rund 330 000 Franken an Sponsoringbeiträgen einnehmen durften. Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: Bei der Strecke haben wir viel investiert, um im Falle von starken Regenfällen keine böse Überraschung zu erleben. Die dafür nötigen Rasenrasterplatten haben wir durch eine Sponsoringleistung kostenlos entgegennehmen dürfen. Solche Leistungen und viele weitere haben uns sehr geholfen.

Das OK vom Bike Village Huttwil hat sich zum Ziel gesetzt, einen «Leuchtturm-Anlass» für den Oberaargau zu veranstalten. Damit konkurrieren Sie ebengerade im Sponsoring andere Events. So wurde zum Beispiel auch ein City Athletics in Langenthal wegen fehlenden Sponsoringeinnahmen abgesagt. Haben Sie ein schlechtes Gewissen deswegen?
Ich glaube nicht, dass das einen Zusammenhang hat. Das Zielpublikum ist ein anderes, der Ort ist ein anderer, auch die Sportart ist eine andere. Ausserdem kenne ich die detaillierte Situation des City Athletics nicht. Was ich aber sagen kann: Ich finde das enorm schade. Als Sportler oder Sportfan tut mir das weh. Für den Oberaargau ist es schade, einen solchen Weltklasse-Event zu verlieren. Aber ich glaube nicht, dass das einen Zusammenhang mit dem Bike Village in Huttwil hat.

Apropos Weltklasse: Die wird mit dem Bike Village auch in Huttwil zu Gast sein, und mit Mathias Flückiger ist sogar ein Oberaargauer mit von der Partie. Flückiger galt schon im letzten Jahr als Aushängeschild, wurde dann aber wegen eines Dopingverdachts gesperrt und trat entsprechend nicht an. Heuer ist Mathias Flückiger im Zusammenhang mit dem Bike Village weniger in Erscheinung getreten. Hat das einen Zusammenhang?
Mathias wurde bis jetzt nie verurteilt. Das Verfahren ist zwar vorerst noch hängig, aber ich denke insbesondere in der Mountain-Bike-Szene und auch im Oberaargau haben die Menschen gemerkt, dass hier etwas falsch gelaufen ist. Mathias ist weiterhin ein Spitzenfahrer und bewies an der Weltmeisterschaft, wo er in zwei Runden schneller war als der dort gekürte Weltmeister, dass er weiterhin an der Spitze fährt und deshalb ist er für sein Heimrennen hier im Oberaargau auch der ideale Botschafter. Dass er aktuell weniger für uns öffentlich auftritt, hat damit zu tun, dass er Rennen fährt und entsprechend eingebunden ist. Er hat uns aber beispielsweise beim Design der Strecke geholfen, ausserdem fungiert er als Botschafter. Ebenfalls nimmt er an Sponsoringevents oder auch an der Bike-Night teil, die am Freitagabend stattfinden wird, wo Gäste mit ausgewählten Fahrern einen Abend in lockerer Ambiance verbringen dürfen. Mathias ist auch ein guter Türöffner, wir freuen uns, dass er zu unserem Team gehört und hier fahren wird.

Was trauen Sie ihm sportlich zu?
(Reagiert schnell) Dass er gewinnt.

Wieso?
Ich glaube, dass er es der Region hier zeigen und beweisen will, dass er das kann. Er ist hier zu Hause und freut sich entsprechend auf diesen Event. Einfach wird es aber nicht. Wir haben die Elite hier. Mit Lars Forster wird ein Fahrer fahren, der das Weltcuprennen in Leogang gewann. Mit Nino Schurter steht auch der amtierende Titelverteidiger am Start. Aber ich traue Mathias den Sieg wirklich zu.

Selbstverständlich wird das Rennen der Herren am Sonntag das grosse Highlight an diesem Wochenende. Auf die Besucher warten aber noch andere Besonderheiten.
Das ist so. Am Freitagabend findet ein Trailrun auf dem Mountainbikerrundkurs statt. Das alleine ist schon speziell und hat beispielsweise den Nationaltrainer der Schweizer Trailrunner da-zu bewogen, Huttwil deshalb zu besuchen. Wir werden mit ihm Möglichkeiten besprechen, um die Trailrunner im nächsten Jahr vielleicht ebenfalls einzubinden. Ausserdem finden am Samstag unterschiedliche Rennen für die Jugend und Breitensportler statt. Daneben bieten wir Gusto-Ride-Touren an, die den Teilnehmenden ermöglichen, die Region auf dem Velo zu erkunden und sich unterwegs zu verköstigen. Und nicht zuletzt wird der Campus Perspektiven mit zahlreichen Angeboten für Zuschauer aufwarten.

Ich erlaube mir gerade hier aber eine weitere kritische Frage: Ist das Mountainbiken überhaupt ein Zuschauersport? Der Zuschauer kann schliesslich unmöglich überall sein und alles überblicken wie beim Fussball, Eishockey oder Unihockey.
Das ist zwar so, mittlerweile hat sich die Attraktivität aber durchaus auch für den Zuschauer gesteigert. Die Rennstrecken werden nach dem Kleeblatt-Prinzip angelegt. Das heisst: Die Fahrer kommen ständig wieder ins Zentrum zurück, fahren von hier wieder weg und kehren wieder zurück. Wer sich also im Zielgelände aufhält, sieht die Fahrer immer wieder. Und natürlich bieten wir mit einer grossen Leinwand die Möglichkeit, das Rennen auch dadurch mitzuverfolgen. Unterwegs sind acht stationäre Kameras positioniert, im Weiteren sind vier mobile Kameras, beispielsweise Drohnen, im Einsatz, die alle möglichen Winkel aufnehmen und den Zuschauern präsentieren. Ausserdem macht es nicht nur das Rennen selbst aus. Der ganze Event an sich hat viel zu bieten.

Und ausserdem boomt der Sport an sich – das grösser werdende Interesse dürfte auch der Event Bike Village spüren?
Das ist so. Mountainbiken ist interessant und wird von den Schweizerinnen und Schweizern immer mehr ausgeübt. Dadurch merken Firmen, dass es sich lohnt, Angebote zu schaffen. Und diese Produkte, aus ganz unterschiedlichen Sparten – von Helmen, über Velos, bis hin zu Verpflegung ist alles mit dabei – wollen Sie hier vor Ort präsentieren. Ausserdem erwarten wir rund 100 Camper auf dem Areal, die wegen dem Breitensport-Rennen am Samstag anreisen. So erwarten wir noch mehr Teilnehmer als im letzten Jahr und schon damals waren es rund 600. Der Sport boomt, das ist so.

Wird auch Peter Zulauf am Breitensportevent teilnehmen und die Strecke abfahren?
(Lacht) Nein, das würde nur die Sanitäter beschäftigen. Das muss geübt sein und ich muss zugeben, als ich im letzten Jahr am höchsten Punkt des Rockgartens stand, wurde mir schon vom dort Stehen etwas mulmig. Ich werde aber die Strecke besichtigen und immer mal wieder an unterschiedlichen Stellen zuschauen.

Aber abgesehen vom Rennen selbst – Sie fahren gerne Mountainbike?
Ja, sehr. Ich sitze ein bis zwei Mal pro Woche auf dem Rad. Abwechselnd auf dem Rennrad und dem Mountainbike.

Was wird Ihr persönliches Highlight an diesem Wochenende – wenn es nicht das Fahren selbst ist?
Ein einzelnes Highlight zu nennen ist schwierig. Irgendwie ist der ganze Anlass an sich ein Highlight für mich. So viele Menschen in Huttwil zu sehen an diesem Wochenende, Menschen zu vereinen und ihnen eine Freude bereiten. Darauf freue ich mich.

Und am Sonntagabend kommt dann das Tief und die Leere nach dem Grossanlass?
Ich denke am Sonntagabend wird durchaus eine gewisse Anspannung abfallen. Das ist auch normal. Aber das Besondere ist ja, dass es danach eigentlich schon wieder weiter geht. Es ist nicht ein einmaliger Event und dies sehe ich als grösste Herausforderung an.

Dann schauen wir doch gleich noch in die Zukunft – wie geht es mit Bike Village weiter?
Wir haben bereits zu Beginn drei Rennen eingeplant, 2024 ist also gesichert. Aber wir streben aktuell einen noch grösseren Horizont an. Wir sind in Verhandlungen mit den Land- und Waldbesitzern und dem Campus Perspektiven, um drei weitere Rennen anhängen zu können. Auch von der «ÖKK Bike Revolution» Rennreihe haben wir eine mündliche Zusage, dass der Standort Huttwil im Rennkalender bleibt. Wir spüren überall wohlwollende Reaktionen, wodurch wir zuversichtlich sind, dass nach der diesjährigen Austragung noch vier weitere Austragungen in Huttwil möglich sein werden.

Und danach? Sehen wir bald einmal ein Weltcup-Rennen in Huttwil?
Wenn wir in die Lenzerheide blicken, deren Organisatoren des Weltcups quasi am Standort des Schweizer Mountainbike-Mekka Mühe haben, die Kosten für ein Weltcuprennen zu stemmen, dann erachte ich dies als eher unwahrscheinlich, dass in Huttwil irgendwann einmal ein Weltcuprennen gefahren wird. Viel eher wahrscheinlich empfinde ich die Austragung einer Europameisterschaft. Und vielleicht können wir uns nach 2027 diesem Ziel widmen – aber vorher wird es nur schon eine Herausforderung sein, bis 2027 in jedem Jahr immer wieder genügend Personen zu finden, die ein solches Event ermöglichen.

Dazu gehören als OK-Präsident natürlich auch Sie – daher erlaube ich mir gleich die Frage: Wieso haben Sie sich als Präsident des Organisationskomitees engagiert?
Einerseits kenne ich Mathias und Lukas Flückiger gut. Andererseits verkauft sich unsere Region immer ein bisschen unter dem Wert und hier haben wir eine Gelegenheit zu zeigen, was wir können. Und ich persönlich bin am Schluss dann «nur» einer von etwa 30 Personen, die sich engagieren wollten und irgend jemand musste dann das Präsidentenamt übernehmen, wofür ich mich zur Verfügung stellte. Natürlich kann ich aber auch ganz ehrlich sagen: Es berührt mich und macht mich stolz, als OK-Präsident und als Zahnrad meinen Teil im Getriebe von Bike Village Huttwil zu leisten. Ich sage immer: Wenn man Spass hat, etwas zu tun und vielleicht noch etwas lernt, dann ist es der Einsatz wert.

Ausserdem ist es nicht Ihr erstes sportliches Amt. Zuvor waren Sie beim SC Langenthal als Geschäftsführer engagiert. Wo sehen Sie Unterschiede in diesen Ämtern und welches barg vielleicht mehr Schwierigkeiten?
Ich glaube, ein Vergleich dieser beiden Ämter ist sehr schwierig. Hier wird ein Grossanlass im Jahr organisiert und der SCL hatte und hat wöchentlich seine Spiele. In beiden Fällen gab oder gibt es unterschiedliche Herausforderungen, die man meistern muss. Aber eines haben beide Ämter gemeinsam: Der Sport schürt Emotionen, die kein anderes Unternehmen bieten kann. Und gerade deshalb haben mir beide Ämter grossen Spass bereitet.

Kehren wir für den Abschluss noch einmal zum Event Bike Village zurück. Wenn Sie an das kommende Wochenende denken: Gibt es einen besonderen Moment, auf welchen Sie sich freuen?
Ganz ehrlich: Persönlich freue ich mich darauf, dass Mathias Flückiger hier die Chance hat, an seinem Heimrennen zu fahren. Ich freue mich für Math und wünsche ihm viel Glück.