• «Die Menschen sind sehr herzlich. Ich bin hier in Ursenbach willkommen», sagt Vikarin Danuta Lukas. · Bild: Marianne Ruch

16.09.2021
Oberaargau

«Pfarrerin, das passt einfach in mein Leben»

Danuta Lukas lebt seit Anfang August in Ursenbach. Für 14 Monate ist die 51-Jährige in das Dorf eingezogen, und in der reformierten Kirchgemeinde Ursenbach absolviert sie ihre Zeit als Vikarin. Sie ist evangelische Theologin und ihr Traum ist es, Pfarrerin zu werden und eine eigene Gemeinde betreuen zu dürfen. In Polen, wo Danuta Lukas geboren und aufgewachsen ist, ist das in ihrer Heimatkirche Frauen nicht gestattet.

Ursenbach · Das Treffen mit Danuta Lukas beginnt mit Kaffee und Gipfeli, sie hat beides mitgebracht. Sie erzählt aus ihrem Leben, welches in Polen im Jahre 1970 in einem kleinen Dorf und einem Jahrhundertwinter begann.

Geprägt durch Grossmutter
Ihre Grossmutter hat Danuta Lukas sehr geprägt. Obwohl sie schwierige Zeiten wie den Krieg erlebt hat, hatte sie nie das Vertrauen in Gott und in das von ihm geschenkte Leben verloren. Stets sei ihre Lebenseinstellung positiv gewesen und nie sei sie verbittert gewesen. Vielleicht auch aus dieser Prägung heraus kam der Wunsch schon früh auf, Pfarrerin zu werden. «Es passt einfach in mein Leben und meine Lebenseinstellung», hält sie fest.
Obwohl Polen als katholisch-konservatives Land gilt, hatte sie keine Probleme, in Polen (später auch in Deutschland) lutherische Theologie zu studieren. «Eine Frau mit einer theologischen Ausbildung konnte in der Lutherischen Kirche der 90er Jahren in Polen aber nur in das Amt der Katechetin eingeführt werden.» Diesen Weg wollte sie aber nicht beschreiten, sondern hat nach anderen Arbeitsmöglichkeiten gesucht. «Heutzutage dürfen die Frauen mit theologischer Ausbildung in meiner Heimatkirche in Polen viel mehr machen, was ich richtig finde und worüber ich mich auch sehr freue.» Jetzt dürfen Theologinnen in Polen als Diakoninnen arbeiten und somit praktisch alles machen, was ein Pfarrer macht, ausser selbstständig eine Gemeinde leiten.

Studium in der Schweiz fortgesetzt
Hier in der Schweiz will Danuta Lukas ihren theologischen Weg fortsetzen. Deshalb hat sie sich für ein Vikariat bei den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn beworben. Mit 51 Jahren! Ist das nicht sehr aussergewöhnlich? «Ja, das mag sein. In diesem Alter erntet man schon die Früchte des eigenen Arbeitslebens», stimmt sie der Frage zu, «aber für mich ist es jetzt richtig.»
Denn, auch wenn sie noch nicht ordiniert sei, so sei sie doch kein Neuling in diesem Gebiet. «Die Praktische Theologie und Seelsorge waren schon immer mein Thema und mein Schwerpunkt. In dem Bereich habe ich mich auch spezialisiert, und diesen Weg möchte ich gerne weiter gehen.»

Ein Traum wird Wirklichkeit
Seit über fünf Jahren lebt die Familie in Genf, wo ihr Mann Ireneusz Lukas arbeitet. «Ich hingegen habe keinen festen Arbeitsplatz. In gewisser Weise war ich auch frei, ins Vikariat zu gehen, etwas anderes ausprobieren. Die Entscheidung, nun endlich ihren Traum wahr werden zu lassen, wurde als ganze Familie getroffen. Ihre Kinder, Marianna (22) und Adam (16) sind nicht mehr klein. Ihr Mann und die Kinder sind in Genf geblieben, kümmern sich um das Leben und den Haushalt dort.
Wenn es möglich ist, fährt sie an Wochenenden zu ihrer Familie und geniesst die gemeinsame Zeit. «Einfach ist es nicht, getrennt von den Liebsten zu sein.» Und doch: «Es freuen sich alle für mich und unterstützen mich in meinem Weg zur Pfarrerin», hält sie fest. Sie hat sich bewusst für diese kleine Kirchgemeinde und ein kleines Dorf wie Ursenbach entschieden. Es erinnert sie an ihr Heimatdorf. Und sie wollte nach langer Zeit in Städten zurück in ein Dorf.

Eine tiefe Sehnsucht
«Eine Motivation für eine solche lebensverändernde Entscheidung braucht immer Zeit und Unterstützung, Gebet und Reflexion, viel Vertrauen (denn da ist immer viel Ungewissheit), auch Mut, und auch gewisse Lebensreife, denke ich. Zumindest erlebe ich es so», sinniert Danuta Lukas. «Ein unmittelbarer Impuls war für mich die Zeit der Weiterbildung in der Seelsorge, in Hamburg 2019 und 2020. Im Kursprozess, in der Supervision, auch in der Krankenhausseelsorge kam dieser Gedanke, ein tiefer Wunsch und eine Sehnsucht auf, sich auf eine Vikariatsstelle in der reformierten Kirche in der Schweiz zu bewerben.»
Es folgte viel administrativer Aufwand, zahlreiche Dokumente, die sie einreichen musste. Gespräche, die Suche nach der Lernvikariatsstelle, und vieles mehr. In langsamen, aber stetigem Tempo, Schritt für Schritt ging es voran. «Und plötzlich, ich schaue mich um, ich bin schon im Vikariat, in einer Kirchgemeinde, die ich ganz bewusst und nach einer sorgfältigen Überlegung gewählt habe. Und ich kann es manchmal selbst nicht glauben: Ich bin hier, in der Kirchgemeinde Ursen­bach; ich gehöre auch zu einer lebendigen Vikarinnen- und Vikaren­gruppe, ich bin Teil dieser Gruppe. Wie ist das alles passiert? Was mich bei dieser plötzlichen Erkenntnis erfüllt, ist einerseits ein Gefühl der Demut: Vor dem, was mir das von Gott geschenkte Leben immer noch bringt; mit dem, womit das Leben mich überrascht.»

14 Monate in Ursenbach
Nun wird sie unter der Leitung von Pfarrer Durs Locher in die pfarramtliche Praxis eingeführt. Und wenn alles klappt, kann sie nach den 14 Monaten ordiniert werden und anschliessend Pfarrerin sein.
Sie sei hier überwältigend gut aufgenommen worden. «Die Menschen sind sehr herzlich und ehrlich zu mir. Ich spüre, hier hat es Platz für mich und ich bin hier willkommen», sagt sie. Aber dennoch beschäftigt sie etwas sehr. «Die Sprache ist der Schlüssel zu den Menschen», hält sie fest. Sozusagen der Zugang zu den Menschen, und dieser funktioniere in ihren Augen am besten, wenn man die gleiche Sprache spreche. Und daher möchte sie gerne Berndeutsch lernen. Den ersten Schritt dazu hat sie bereits gemacht, sie hat sich ein Lernbuch für «Bärndütsch» ausgeliehen.

Von Marianne Ruch