• Der Langenthaler SP-Grossrat Reto Müller will wissen, was hinter den Mauern des Rückführzentrums in Aarwangen läuft und was der Betrieb kostet. · Bild: Walter Ryser

04.06.2021
Oberaargau

Regierung will Müller keine Zahlen nennen

SP-Grossrat Reto Müller (Langenthal) wollte mittels einer Motion vom bernischen Regierungsrat Auskunft über angeblich unhaltbare Zustände im Asyl-Rückführzentrum in Aarwangen sowie eine Übersicht über die Kosten der verschiedenen Betreuungsorganisationen im Kanton Bern. Der Regierungsrat verneinte in seiner Antwort unhaltbare Betreuungs-Zustände, Zahlen nannte er in seiner Antwort aber keine. Müllers Motion wird am 7. Juni im Grossen Rat behandelt.

Aarwangen / Langenthal · Nach einem massiven Corona-Ausbruch (97 betroffene Personen) im Asyl-Rückkehrzentrum in Aarwangen Ende Januar wurden Vorwürfe laut, dass in der Institution unhaltbare Betreuungs-Zustände herrschten. Dies veranlasste den Langenthaler Stadtpräsident und SP-Grossrat Reto Müller dazu, mittels einer Motion der bernischen Regierung kritische Fragen zu den angeblich unhaltbaren Zuständen in den kantonalen Asylunterkünften zu stellen.
Müller wollte wissen, ob es zutreffe, dass die Unterbringung von Asylsuchenden im Kanton Bern, insbesondere in Aarwangen, menschenunwürdig oder gar gesundheitsschädigend sei. «Diverse Medien haben entsprechende Klagen aufgegriffen», wies er auf einen Bericht des privaten TV-Senders TeleBärn vom Januar hin. Diesbezüglich sei es Pflicht der Politik, zu schauen, was an diesen Vorwürfen dran sei, begründet er seinen parlamentarischen Vorstoss. Der Langenthaler Stadtpräsident ergänzte, dass man auch von der Langenthaler Volksschule ähnliche Hinweise erhalten habe, gehen hier doch Kinder von Asylsuchenden, die in Aarwangen untergebracht sind, in den Unterricht.

Weniger Kosten, schlechtere Qualität?
Weiter wollte Müller in seiner Motion Auskunft über die individuellen Kosten der diversen Settings der verschiedenen Betreuungsorganisationen im Kanton Bern im Bereich der Asylunterkünfte. «Ich will wissen, was Sache ist. Es wird immer wieder gemunkelt, dass die ORS Service AG, die für die Betreuung des Zentrums in Aarwangen zuständig ist, weniger Geld erhält oder offeriert hat, als ihre Vorgängerin, die Heilsarmee-Flüchtlingshilfe», bemerkt Reto Müller, der befürchtet, dass deshalb die Betreuungsqualität abgenommen hat. Bereits kurz nach dem Corona-Ausbruch im Rückführzentrum in Aarwangen erhielt der Regierungsrat des Kantons Bern eine Petition mit 2500 Unterschriften, die verlangte, dass der Kanton Bern der ORS Service AG den Auftrag für die Führung des Zentrums in Aarwangen entziehen soll.
Mit der dritten Frage seiner Motion möchte der Grossrat aufgezeigt bekommen, wie der Regierungsrat seine Verantwortung gegenüber den Betreibenden des Rückführzentrums künftig wahrzunehmen gedenkt. In seiner schriftlichen Antwort an Reto Müller gibt der Regierungsrat des Kantons Bern zu verstehen, dass die Aussage des Motionärs, die Volksschule Langenthal habe die schlechte Betreuungsqualität im Rückkehrzentrum Aarwangen beklagt, vom Amt für Kindergarten, Volksschule und Beratung (AKVB) nicht bestätigt worden sei. Ein Bericht über die Völkerrechtskonformität der Rückkehrzentren sei zudem bereits in Auftrag gegeben worden.

Regierungsrat weicht aus
Bei der Frage zu den Kosten der verschiedenen Betreuungsorganisationen im Kanton Bern wich der Regierungsrat aus und wies darauf hin, dass im Kanton Bern zwischen Rückkehrzentren und Asylzentren unterschieden werde. Das eine bedeute Überlebenshilfe für Personen, welche die Schweiz verlassen müssten, das andere sei Sozialhilfe (Rückkehrzentrum Aarwangen).
Ein erweiterter Bericht, der sich mit der Gewährung der Sozialhilfe bei den vier regionalen Betreuungs-Partnern (Schweizerisches Rotes Kreuz, Asyl Berner Oberland, Stadt Bern und ORS Service AG) befasse, sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zielführend, ist der Regierungsrat der Meinung. Zudem hätten die regionalen Partner die Betreuungskosten im Rahmen eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens offeriert. Die Offerten der regionalen Partner seien nicht öffentlich, schreibt der Regierungsrat in seiner Antwort an Reto Müller.

Reto Müller zeigt sich erstaunt
Mit dieser Auskunft gibt sich der SP-Grossrat allerdings nicht zufrieden, wie er gegenüber dem «Unter-Emmentaler» betont. «Ich bin schon erstaunt, dass der Regierungsrat hier die Zahlen nicht offenlegt. Bei diesem Punkt werde ich sicher intervenieren, weil ich der Meinung bin, dass die Bevölkerung wissen darf, was die Betreuung dieser Zentren kostet.»
Zur dritten Frage teilt der Regierungsrat mit, dass mit den regionalen Partnern beziehungsweise den Betreibern der Rückkehrzentren regelmässig ein sogenannter «Runder Tisch» durchgeführt werde. Bei Bedarf würden hier weitere involvierte Behörden wie Standortgemeinden, Regierungsstatthalter oder Bildungsbehörden, Dienstleistende im Gesundheitswesen sowie die Kantonspolizei hinzugezogen. An diesen «Runden Tischen» könnten Handlungsbedarf in den Kollektivunterkünften rasch offengelegt sowie Lösungen unkompliziert in die Wege geleitet und umgesetzt werden.
Der Regierungsrat empfiehlt dem Grossen Rat deshalb, Punkt 1 der Motion anzunehmen (unhaltbare Zustände im Rückführzentrum?), den zweiten Punkt (Kosten offenlegen) dagegen abzulehnen und Punkt drei (regierungsrätliche Verantwortung gegenüber Betreibern wahrnehmen) anzunehmen und gleichzeitig abzuschreiben. Der Grosse Rat wird sich in seiner Sommersession am 7. Juni mit der Motion des Langenthaler SP-Grossrats Reto Müller befassen.

Von Walter Ryser