• Grüne-Nationalrätin und Präsidentin des Oberaargauer Bauern-Vereins, die Madiswilerin Christine Badertscher, eröffnet den Infoanlass zum Thema «Bauen ausserhalb der Bauzonen». · Bild: Walter Ryser

26.09.2023
Oberaargau

Riesiges Potenzial besser nutzen

Für Bauten ausserhalb der Bauzonen bestehe ein riesiges Potenzial, das im Kanton Bern besser genutzt werden sollte, gab Hans Jörg Rüegsegger, Ehrenpräsident des Berner Bauern-Verbandes, am Infoanlass der Region Oberaargau zum Thema «Bauen ausserhalb der Bauzonen» zu verstehen.

Es ist ein komplexes Thema und zugleich eine trockene Materie: «Bauen ausserhalb der Bauzonen» ist an strikte Regeln und Vorschriften gebunden. Aus diesem Grund veranstaltete die Region Oberaargau einen Infoanlass, um die Vorschriften zu diesem Thema mit verschiedenen Fachpersonen von mehreren Seiten zu «beleuchten». Dass an diesem wunderbaren Sommerabend rund 70 Personen zu diesem Anlass im Inforama Waldhof in Langenthal erschienen, zeigt das gros­se Interesse an diesem Thema.

Frühzeitig Gespräch suchen
Martin Wenger, Bauinspektor im Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) und in dieser Funktion für die Region Oberaargau zuständig, erläuterte eingangs die Ausgangslage zum Thema «Bauen ausserhalb der Bauzonen». Er wies darauf hin, dass in der Schweiz zwischen Baugebiet und Nichtbaugebiet, sogenannten Bauzonen und Gebieten ausserhalb der Bauzonen, unterschieden wird. Diese Trennung sei einer der fundamentalen Grundsätze der Raumplanung. «Um diese Trennung zu gewährleisten und um das Kulturland, die natürlichen Lebensgrundlagen, die Landschaft und die Umwelt zu schützen, muss das Nichtbaugebiet so weit wie möglich von jeglichen Bauten frei bleiben», führte er weiter aus. Das Bundesgesetz über die Raumplanung (RPG) lege jedoch fest, unter welchen Voraussetzungen es dennoch möglich sei, ausserhalb der Bauzonen zu bauen. Diese Möglichkeiten seien jedoch stark eingeschränkt und das Baubewilligungsverfahren sei zudem komplexer als in den Bauzonen. Genau aus diesem Grunde sei es wichtig, dass alle beteiligten Akteure gut darüber informiert seien, erläuterte Martin Wenger. Er wies weiter darauf hin, dass im Kanton Bern pro Jahr rund 20 000 Baugesuche eingereicht würden, 4500 davon beträfen Bauten in der Landwirtschaftszone.
Bauen ausserhalb der Bauzonen betrifft in vielen Fällen Landwirtschaftsbetriebe. Entscheidend ist für den Bauinspektor deshalb, dass alle Beteiligten frühzeitig das Gespräch miteinander suchen. «Wir sind bereit, unser Büro zu verlassen, in die Gemeinden zu gehen und die Gegebenheiten vor Ort anzuschauen», gab er den Anwesenden zu verstehen. Bei solchen Besichtigungen könnten jeweils viele Fragen und Probleme besprochen und geklärt werden. Grundsätzlich werde das AGR aber nur hinzugezogen, wenn es um Bauten ausserhalb der Bauzonen gehe, erwähnte er weiter und wies auf die wesentlichen Bestimmungen hin, die es hier einzuhalten gelte. So müssen sich Bauvorhaben gut ins Orts- und Landschaftsbild einordnen und dürfen diese nicht beeinträchtigen. Bei Änderungen von altrechtlichen Bauten und Anlagen sei die Identität und Wesensgleichheit zu wahren. Verbesserungen gestalterischer Art von störenden Bauten und Anlagen dagegen seien zulässig.

Spielraum nutzen
Auch Hans Jörg Rüegsegger, Ehrenpräsident des Berner Bauern-Verbandes, plädierte für ein klärendes Gespräch mit den Verantwortlichen des AGR, «weil man in der Regel Lösungen findet». Das Thema bereitet dem SVP-Grossrat aus Riggisberg dennoch Sorgen. Er wies darauf hin, dass in der Schweiz pro Sekunde ein Quadratmeter Boden verloren geht. «Pro Jahr ist dies eine Fläche in der Grösse des Brienzersees. Das ist imposant», betonte er. Für den Selbstversorgungsgrad in der Schweiz sei diese Entwicklung verheerend, zeigte er sich besorgt.
Er sei deshalb auch dagegen, jede Scheune oder alle «Schober» bei Bauernhöfen für eine Wohnnutzung umzubauen, wie das etwa in anderen Kantonen geschehe. Einen gewissen Spielraum erhofft er sich dennoch, weil ansonsten der fehlende Wohnraum anderweitig erstellt werden müsse und dadurch wieder Kulturland verloren gehe. Rüegsegger wies deshalb entschieden darauf hin: «Das Potenzial für Bauten ausserhalb der Bauzonen ist im Kanton Bern riesig und sollte deshalb besser genutzt werden.» Ein Beispiel, wie es gelingen kann, stellt der Betrieb von Simon Duppenthaler aus Melchnau dar. Der Landwirt berichtete, dass er auf seinem Betrieb Intensivlandwirtschaft betreibe und dazu ein Gebäude für 800 Mastschweine habe erstellen können. Das sei möglich gewesen, weil die Behördenvertreter in der Gemeinde landwirtschaftsfreundlich und kulant gewesen seien, führte er aus. Leider gebe es aber auch viele andere Beispiele, in denen Bauten nicht genehmigt würden, was bei vielen Bauern zu Frust und Unverständnis führe. Für Thomas Krähenbühl (Vize-Gemeindepräsident Heimenhausen), Präsident der Arbeitsgruppe Landwirtschaft und Natur bei der Region Oberaargau, ist deshalb wichtig, dass die betroffenen Bauern genau hinschauen, wenn in der Gemeinde Zonenpläne neu erstellt werden. Man müsse nicht tatenlos zusehen, sagte er und machte den Zuhörern klar: «Es liegt auch in der Verantwortung der Bauern, sich in der Gemeinde politisch zu engagieren.»

 

Von Walter Ryser