• In Langenthal wird 72 Prozent des Heizbedarfs mit Gas abgedeckt, dessen Preis bis um das Dreifache gestiegen ist. · Bild: pexels

  • Dank langfristigen Verträgen steigt der Strompreis für Grossverbraucher vorerst nicht. · Bild: pexels

  • Die steigenden Energiekosten bereiten vielen Langenthaler Firmen Sorgen und zwingen sie zum Handeln, wie etwa die Bucher Motorex AG. · Bild: Walter Ryser

  • Die steigenden Energiekosten bereiten vielen Langenthaler Firmen Sorgen und zwingen sie zum Handeln, wie etwa die Rudolf Geiser AG. · Bild: Walter Ryser

16.09.2022
Langenthal

Ruhe vor dem grossen Energie-Sturm

Die Energiepreise steigen und steigen, auch in Langenthal. Wie gehen Industrie und Stadt mit diesem Thema um. Der «Unter-

Emmentaler» machte eine Umfrage und stellte fest, dass bei vielen Grossfirmen quasi Ruhe vor dem Energie-Sturm herrscht,

weil sie sich in einem Energiepool der IB Langenthal AG befinden, der ihnen einen vertraglich zugesicherten Strompreis bis Ende 2023 garantiert. Daneben werden jedoch in vielen Betrieben zusätzliche Energie-Sparmassnahmen geprüft und umgesetzt.

Langenthal · Der Energie-Schock, mit laufend steigenden Preisen, lähmt die Schweiz. Private und Firmen müssen auf Anfang 2023 beim Strom happige Preisaufschläge verkraften. Die Gaspreise sind im laufenden Jahr zum Teil um das Dreifache angestiegen. Auch in Langenthal steigen die Strompreise, wie die IB Langenthal AG (Industriellen Betriebe) kürzlich in einer Pressemitteilung verkündete (der «Unter-Emmentaler» berichtete). Im Schnitt müssen Strombezüger ab Januar 2023 mit 42 Prozent höheren Stromkosten rechnen. Gewerbebetriebe müssen teilweise gar mit über 50 Prozent höheren Stromkosten rechnen.
Aber längst nicht alle, wie eine Umfrage des «Unter-Emmentaler» bei Langenthaler Betrieben und der Stadt zeigt. Denn viele Strom-Grossbezüger profitieren in der aktuellen Lage von einem besonderen Abkommen mit der IB Langenthal. Sie befinden sich in einem sogenannten Energiepool für Grossverbraucher. Hier werden die Preise für eine bestimmte Bezugsdauer fix festgelegt. Dieser Vertrag hat noch bis Ende 2023 Gültigkeit und verschafft den Firmen Luft und Zeit, im Bereich Energie geeignete Sparmassnahmen zu prüfen und umzusetzen.

Motorex: Angst vor Stromunterbruch
Eine Firma, die vom Abkommen mit der IB Langenthal AG profitiert, ist die Bucher Motorex AG. Verständlich deshalb, dass für CEO Edi Fischer der steigende Strompreis aktuell nicht im Fokus steht. «Unser Hauptenergieträger ist Gas, das wir für die Herstellung unserer Produkte benötigen», gibt er zu verstehen, dass im Bereich Energie bei Motorex das Hauptaugenmerk auf diesem Energieträger liegt. Hier habe man aber rechtzeitig reagiert und die Anlage entsprechend umgerüstet. «Wir können jederzeit auf Heizölbetrieb umstellen», erläutert Fischer. Dafür habe man einen Heizöl-Vorrat angelegt. Damit könnte man rund drei Monate lang ohne Gas produzieren.
Sorgen bereitet ihm jedoch ein möglicher Stromunterbruch. «Bei einem solchen Ereignis sähe es bei uns nicht gut aus», gibt er zu verstehen und erwähnt, dass die gesamte Stromversorgung bei Motorex sehr komplex sei. Zwar verfüge man über ein Notstrom-Aggregat, «doch dieses könnte lediglich zum konzentrierten Herunterfahren aller Produktionsanlagen eingesetzt werden», bemerkt Edi Fischer. Da der Vertrag betreffend Strombezug mit der IB Langenthal AG noch bis Ende 2023 Gültigkeit habe, warte man mit weiteren Massnahmen in diesem Bereich ab. «Aber natürlich haben wir uns diesbezüglich auch schon ein paar Gedanken gemacht», betont Fischer.

Clientis Bank reagiert an vielen Fronten
Viele Gedanken über die aktuelle Energieversorgung gemacht hat man sich bei der Clientis Bank Oberaargau, wie deren CEO Stefan Wälchli gegenüber dem «Unter-Emmentaler» zu verstehen gibt. Auch die Regionalbank profitiert vom Abkommen mit der IBL für Grossverbraucher. Daneben habe man aber an vielen Fronten reagiert, erwähnt Wälchli weiter. So habe man im ganzen Gebäude im Jurapark LED-Lampen montiert. Das Sparpotenzial sei dadurch erheblich, erläutert der Clientis-CEO. Um vom Gas wegzukommen, wurde zudem beim Jurapark eine Grundwasser-Wärmepumpe installiert (der «Unter-Emmentaler» berichtete). Dazu fordere man die Belegschaft auf, kleine, einfach Sparmassnahmen zu beherzigen. «Schweren Herzens haben wir uns zudem entschlossen, auf die beliebte Weihnachtsbeleuchtung an unseren Geschäftsstellen zu verzichten», führt Stefan Wälchli weiter aus. Auch bei den Innendekorationen verzichte man weitgehend auf Strom. Und die Aussenbeleuchtung im Jurapark werde in den Wintermonaten massiv heruntergefahren, vorab in der Zeit von 22 bis 6 Uhr. «Was wir als Unternehmen tun können, haben wir mit unseren Partnern rasch umgesetzt», stellt Stefan Wälchli mit Genugtuung fest.
Auch bei der Rudolf Geiser AG bereitet in erster Linie der Gasverbrauch Sorgen und nicht der Strom, weil man auch hier vom Abkommen mit der IBL profitiert. Der Preis für Gas sei bereits in diesem Jahr um das Dreifache angestiegen, bemerkt Geschäftsführer Martin Bärtschi. Die Frage, wie sich die Energiepreise weiter entwickeln würden, beschäftige ihn stark, «denn wir können die steigenden Energiekosten nicht einfach unseren Kunden weiterverrechnen», sagt Bärtschi, obwohl gewisse Lieferanten dies bereits täten und auf den Rechnungen einen Energiekosten-Zuschlag aufführen würden. Über Sparpotenzial verfüge man kaum, gab Martin Bärtschi weiter zu verstehen, weil man die Produktion und das Logistiklager nicht einfach stilllegen könne. «Natürlich halten wir uns mit der gesamten Belegschaft an die allgemein bekannten Sparappelle, doch damit leisten wir bloss einen kleinen Sparbeitrag.»

«Schoren» neu mit LED-Lampen
Grösser fällt dieser bei der Kunsteisbahn in Schoren aus, wie Geschäftsführer Rudolf Minder versichert. Er verweist auf die jüngsten Investitionen, die getätigt wurden: «In der Halle wird die Innenbeleuchtung neu über LED-Lampen sichergestellt.» Dadurch spare man massiv Strom, betont er. Daneben profitiere man bis Ende 2023 ebenfalls vom Stromabkommen mit der IBL. Der KEB-Geschäftsführer gibt unumwunden zu, dass es eine Utopie sei, die steigenden Energiepreise an die Nutzer der Eishalle weiterzugeben. «Die Eishockeyvereine haben nicht mehr Geld zur Verfügung. Bei steigenden Preisen werden sie weniger Eisstunden beziehen. Dies wiederum würde für uns zu mehr Leerstunden und weniger Einnahmen führen», spricht er einen Teufelskreis an.
Im Bereich der Lufttrocknung/Entfeuchtung sowie bei der Heisswasseraufbereitung sei man weiterhin auf Gas angewiesen. Aber auch hier versuche man zu reagieren, wolle man mit Solarzellen zusätzlichen Strom erzeugen, damit künftig für die Heisswasseraufbereitung kein Gas mehr benötigt werde. Eine Photovoltaik-Anlage auf dem Hallendach zu installieren, komme aufgrund der Tragfähigkeit des in die Jahre gekommenen Daches nicht in Frage, sagt Minder. Allerdings habe sich erst kürzlich ein Anbieter gemeldet, der offenbar neue, leichtere Solar-Panels im Angebot habe. «Sollten sich diese für unser Hallendach eignen, wäre die Montage einer PV-Anlage zu überprüfen, trotz des hohen Alters der Eishalle und der absehbaren Lebensdauer.»

Eine Stadt, die am Gas hängt …
Seit über einem Jahr sei die Entwicklung auf dem Energiemarkt Thema im Langenthaler Gemeinderat, verrät Michael Schär, Gemeinderat mit Ressort Versorgung und Entsorgung, Energie und Umweltschutz. Wie viele andere Städte sei auch Langenthal in diesem Thema gefangen. Schär weist darauf hin, dass viele städtische Gebäude, in erster Linie die Schulhäuser, mit Gas beheizt werden. Das Schulhaus Hard dagegen sei kürzlich an den Wärmeverbund Hard angeschlossen worden. «Aus diesem Grunde warten wir sehnlichst auf die Realisierung zusätzlicher Wärmeverbünde durch die IB Langenthal AG in den städtischen Quartieren», betont Schär, dem vor allem die Entwicklung beim Gas Sorgen bereitet. «Rund 72 Prozent des gesamten Heizbedarfs in der Stadt Langenthal wird mit Gas abgedeckt», weist er auf die grosse Abhängigkeit von diesem Energieträger in Langenthal hin.
Deshalb werde aktuell eine Heizungs-Ersatzstrategie für die städtischen Gebäude erarbeitet. Dabei gehe es darum, zu evaluieren, welche Heizung mit welcher Energie und zu welchem Zeitpunkt ersetzt werden soll. Kurzfristig versuche man, alle öffentlichen Gebäude auf ein intelligentes Heizsystem umzustellen. Das bedeute, dass Räume nicht nur aufgrund der herrschenden Aussentemperatur automatisch beheizt würden, sondern zusätzlich die Innentemperatur entsprechend der Belegung angepasst werde. Auch erarbeite die Stadt einen Massnahmekatalog für eine Energiemangellage. Für die Bevölkerung hingegen würden keine zusätzlichen Massnahmen erlassen, man erachte die Sparappelle des Bundesrates als ausreichend, gab Michael Schär zu verstehen.
Eines macht die Umfrage in Langenthal klar: Die Entwicklung auf dem Energiemarkt bereitet Firmen und Privaten Sorgen, gleichzeitig haben viele Unternehmen bereits reagiert und Sparmassnahmen eingeleitet oder sind daran, energieeffiziente Projekte umzusetzen. Zur aktuellen Energie-Thematik keine Auskunft erteilen wollte Hans-Christian Schneider von der Ammann Gruppe.

Von Walter Ryser